Alles für die Katz –

ein Einblick in die Katzenpraxis von Dr. Hoyer-Kammerhofer und Dr. Kamm

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Bei der Suche nach einer tierärztlichen Nische kam zwei Tierärztinnen die Idee, eine Katzenpraxis zu eröffnen. Trotz Abraten ihrer KollegInnen verfolgten sie ihre Idee und ernteten Erfolg: Patientenbesitzer honorieren die qualitativ hochwertige Arbeit und sind auch bereit, diese zu bezahlen.

Im Jahr 2015 wurde Österreichs erste Katzenpraxis eröffnet, hier werden ausschließlich Katzen behandelt. Wie sieht der Alltag in der Praxis aus, wie wird „Katzenwohlfühl­atmosphäre“ geschaffen und welche Bedingungen müssen erfüllt werden, um das „Cat Friendly Clinic Gold Certi­ficate“ (er-)halten zu können?

Schon im Wartezimmer der Katzenpraxis merkt man: Irgendetwas ist hier anders als in einem gewöhnlichen Tierarzt-Warte­zimmer. Es ist sehr ruhig und entspannt, an der Wand hängt ein Keilrahmenbild, das einen Kater in aristokratischer Haltung, bekleidet mit ­einem ­Anzug, zeigt. „Das ist unser Praxiskater, der ‚­Direktor‘, ­normalerweise sitzt er hier und begrüßt unsere Kunden“ – mit diesen Worten werde ich im Anmeldebereich empfangen.

Vor fast sechs Jahren wagten Dr. Karin Kamm und Dr. Marie-Theres Hoyer-Kammerhofer etwas bisher in Österreich noch nicht Dagewesenes: Sie eröffneten eine tierärztliche Praxis, in der ausschließlich Katzen behandelt werden. „Das war eine gute Kombination aus unserem großen Interesse für Katzenmedizin und auch dem Suchen einer tierärztlichen Nische; wir wollten etwas Neues machen und die Katze ins Zentrum stellen“, antworten die Tierärztinnen auf die Frage, wie sie auf die Idee gekommen sind, eine Katzenpraxis zu gründen. Dr. Hoyer-­Kammerhofer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Katzenmedizin-Examen der Internationalen Gesellschaft für Katzenmedizin (ISFM) „MANZVCVSc Feline Medicine“ abgeschlossen, Dr. Kamm befand sich im Ausbildungsprogramm „GPCert Feline Medicine“ der ESVPS (European School of Veterinary Postgraduate Studies). „Wir haben postgraduale internationale Ausbildungen, ­welche sich ausschließlich mit Katzenmedizin beschäftigen, absolviert. Die meisten KollegInnen von uns haben uns abgeraten, eine Katzenpraxis zu eröffnen“, erzählen die ­Tierärztinnen. „Zum einen, weil ja über 50 Prozent der Patienten, nämlich die Hunde, entfallen, und zum anderen, weil es Studien gibt, welche besagen, dass KatzenbesitzerInnen weniger Geld für die medizinische Versorgung ausgeben als HundehalterInnen. Dies waren ­unberechtigte Sorgen: Die Kunden, die zu uns kommen, wollen qualitativ hochwertige Arbeit und sind bereit, diese auch zu bezahlen. Wir haben Patientenbesitzer, die auch mehrere Stunden Autofahrt in Kauf nehmen, um eine Zweit­meinung von uns einzuholen.“

Die Katzenpraxis trägt das „Cat Friendly Clinic Gold Certificate“ der ISFM, dafür müssen viele Kriterien erfüllt werden. „Für dieses Zertifikat muss eine Praxis in mehreren Bereichen, was Ausstattung, Ausbildung und vor allem auch Weiterbildung betrifft, einen sehr hohen Standard vorweisen. Als Beispiel zur erforderten Ausstattung zählt der Wartebereich, welcher für Katzen separiert sein muss, inklusive erhöhter Bereiche zum Abstellen der Transportboxen. Katzen, welche Hunde sehen und riechen, sind gestresst, was nicht nur das Handling erschwert, sondern auch viele klinische und labordiagnostische ­Parameter verändern kann. Ein wichtiges Ausstattungskriterium sind auch die stationären ­Katzenkäfige: Unsere ­Käfige sind sehr groß, haben zwei Etagen und eine Höhle als Versteckmöglichkeit sowie einen Vorhang als Sichtschutz, damit sich die Katzen darin so wohl wie möglich fühlen“, erzählt Dr. Hoyer-Kammerhofer. Generell legen die Tierärztinnen großen Wert auf eine ruhige ­Atmosphäre, was nicht nur die Katzen, sondern auch die Besitzer sehr schätzen. Einen weiteren Schwerpunkt legt das Zertifikat auf die katzenspezifische Aus- und Weiterbildung der TierärztInnen und auch OrdinationsassistentInnen. ­„Diese Schritte müssen jährlich nachgewiesen werden, das ist ein wirklich wichtiges Qualitätssiegel für die Praxis“, betonen die Praxis­inhaberinnen. Dr. Hoyer-­Kammerhofer hat seit Kurzem nun auch den amerikanischen Titel „ABVP Diplomate Feline Practice“ und somit den höchsten Ausbildungsgrad in der Katzenmedizin. Diesen haben weltweit 84 Tierärztinnen, nur vier davon in Europa; auch dieser Titel erfordert kontinuierliche Fortbildung. „Den dritten wichtigen Pfeiler der Anforderungskriterien bildet das Know-how bezüglich des richtigen Handlings von Katzen“, so die Tierärztinnen und führen aus: „In jedem Raum gibt es Pheromonstecker, jede Katze erhält bereits im Wartebereich eine Decke, welche mit Pheromonen besprüht ist und die über die Transportbox gelegt werden soll, damit die Katze sich wie in einer Höhle verstecken kann. In der Ambulanz kann sich die Katze erst einmal frei bewegen und die Umgebung erkunden. Wir haben auch eine ‚Zauberlade‘, in der sich die Katzen verstecken können. Es gibt viele kleine Tricks, um Katzen möglichst wenig zu stressen, ein gutes Beispiel ist das Desinfek­tionsmittel vor der Blutentnahme: Es sollte niemals aufgesprüht werden, sondern aufgetropft.

Wenn eine Katze schwierig im Handling ist, arbeiten wir oft mit der vorher genannten Decke, in welche die Katze eingerollt wird. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit eines speziellen Katzenbeißkorbs: Dieser erfüllt auch gleichzeitig wieder die Funktion eines Sichtschutzes, der im Umgang mit Katzen sehr hilfreich ist. Gar nicht zum Einsatz sollte der Nackenfaltengriff kommen – der stresst und demütigt Katzen enorm. Im Härtefall setzen wir Gabapentin ein, welches schon zu Hause verabreicht wird. Blut wird an der Jugularvene genommen, was im Vergleich zur Entnahme an peripheren Venen viel schneller geht, die Katze muss viel kürzer fixiert werden. Mit der Erfahrung kommt auch eine bessere Charaktereinschätzung der individuellen Katze und wir können auf die individuellen Bedürfnisse besser reagieren. Es gibt etwa Katzen, die einfach nur abgelenkt werden müssen und die sich beruhigen, wenn sie die Straßenbahn vor dem Fenster beobachten können; andere Katzen wiederum sind eher schüchtern und bevorzugen eine komplett ruhige Umgebung. Man muss sich einfach in die Katze hineinversetzen können.“

Insgesamt arbeiten in der Katzenpraxis sechs ­TierärztInnen und zwölf AssistentInnen, zu den Leistungen zählen die gesamte interne Medizin, Zahn- und Weichteilchi­rurgie. Diagnostisch verfügt die Praxis über ein Inhouse-Labor, Ultraschall und Röntgen, Herzultraschalluntersuchungen werden von einer Konsiliartierärztin durchgeführt. Katzen, die einen stationären Aufenthalt benötigen, werden untertags auf der Station therapiert, verbringen die Nacht zu Hause und kommen am nächsten Tag wieder. „Katzen profitieren davon sehr, wenn sie abends wieder zu Hause beim Besitzer sein können, sie fühlen sich dort viel wohler und fressen auch eher als in fremder Umgebung. Braucht ein Patient tatsächlich auch in der Nacht oder am Wochenende stationäre Betreuung, wird er in eine Klinik überwiesen“, erklärt Dr. Kamm.

Genaue Planung ist Voraussetzung

Die Katzenpraxis ist eine reine Terminambulanz, wichtig ist den Tierärztinnen Qualität vor Quantität – und dass eine möglichst ruhige Atmosphäre herrscht. Dazu Dr. Kamm: „Wir legen großen Wert auf gut geschulte Mitarbei­terInnen und nicht zu lange Arbeitsschichten, denn übermüdetes Personal leistet keine hochwertige Arbeit. Die Termine werden für 30 bis 60 Minuten eingeplant, das Ziel ist, mit einem Besuch einen guten Überblick über den Patienten zu bekommen. Inkludiert sind neben Anam­nese und klinischer Untersuchung auch je nach Bedarf Blutdruckmessung, Blutuntersuchungen und bildgebende Verfahren. Abschließend bekommen die Besitzer von uns auch eine Mappe mit der Zusammenfassung des Besuchs in gut verständlicher Sprache, wo alle Befunde, ­Diagnosen und Therapien schriftlich zusammengefasst werden. Das ist für uns ein sehr wichtiger Qualitäts­garant, da wir selbst den Fall noch einmal komplett strukturiert durchdenken müssen. Für den Besitzer sind hier alle wichtigen Informationen enthalten, unsere Arbeit ist somit komplett transparent. Diese Mappe ist im Weiteren sehr hilfreich, wenn das Tier in einer anderen Praxis oder Klinik vorgestellt wird, damit der/die Tierarzt/Tierärztin sofort sieht, was bereits gemacht wurde.“

Als Besonderheit ist auch das Katzenpraxis-Gesundheitsprogramm zu erwähnen: Das ist eine jährliche Vorsorge­untersuchung, wo je nach Alter der Katze eine klinische Untersuchung mit Gewichtskontrolle, Blutdruckanalyse, Blut- und Harnuntersuchung sowie ein Bauchultraschall gemacht werden. „Das wird sehr gut angenommen – Katzen zeigen oft erst bei sehr fortgeschrittenen Erkrankungen klinische Symptome, weswegen ein jährlicher Gesundheitscheck empfehlenswert ist. Sehr häufig finden wir bei vermeintlich gesunden Tieren Erkrankungen, welche sonst unentdeckt geblieben wären.

Da laut den internationalen Impfrichtlinien keine jährliche Impfung mehr vorgesehen ist, haben wir dieses System eingeführt, um unsere Patienten trotzdem einmal jährlich sehen zu können“, führen die Tierärztinnen aus. In der Katzenpraxis wird zudem gerade eine Blutspendendatenbank aufgebaut – im Rahmen des Gesundheitsprogramms werden passende Katzen gefunden und die erforderlichen Tests durchgeführt, damit im Notfall eine Datenbank mit möglichen Blutspendern vorhanden ist.

Zusammenfassend hat die Katzenpraxis ein gut durchdachtes Gesamtkonzept, dessen Schwerpunkt darin liegt, Katzen medizinisch in hochqualitativer Weise zu versorgen. Mit viel Gefühl und Verstand wird dafür gesorgt, dass sich sowohl Vier- als auch Zweibeiner wohlfühlen. „Es waren schon mehrere Tierärzte aus dem Ausland hier, um sich unsere Praxis und Arbeitsweise anzuschauen. Das ehrt uns sehr, wir möchten unsere Erfahrungen gerne teilen und freuen uns im Gegenzug auch, wenn man uns dann als Ideengeberinnen erwähnt“, sagt Dr. Hoyer-Kammerhofer. Auf die Frage, ob sich die zwei Spezialistinnen vorstellen könnten, wieder mit Hunden zu arbeiten, lautet die Antwort einstimmig: „Nein, es ist so angenehm, mit Katzen zu arbeiten, wir würden sie niemals wieder gegen Hunde eintauschen wollen.“