AGES-Bericht über den Antibiotika-Vertrieb

in der Veterinärmedizin 2018-2022

Mag. Reinhard Fuchs, DI Elisabteh Reitbauer, Univ.-Doz. DI Dr. Klemens Fuchs, 
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH

Im nachfolgenden Bericht werden die Vertriebsmengen von Antibiotika, die in den Jahren 2018 bis 2022 in der Veterinärmedizin für Nutztiere ­zugelassen waren, dargestellt und es erfolgt ein Einblick in die Abgabemengen von 2018 bis 2022.

Im vorliegenden Bericht werden die Vertriebs- und die Abgabemengen von Antibiotika des Jahres 2022, die in der Veterinärmedizin für Nutztiere zugelassen sind, dargestellt und mit den Vorjahren verglichen. Die Gesamt­vertriebsmenge an antimikrobiell wirksamen Substanzen für Nutztiere hat im Vergleich zum Vorjahr um 12,3 % abgenommen und lag im Jahr 2022 bei 34,26 Tonnen. Die Vertriebsmenge der Antibiotika, die von der WHO als ­„Antibiotika von allerhöchster Bedeutung für die Humanmedizin“ eingestuft sind, hat seit dem Vorjahr um 6 %, von 4,64 auf 4,35 Tonnen, abgenommen. Diese Wirkstoffgruppen haben über die Jahre einen relativ konstanten Anteil von rund 12 % an der Gesamtmenge. Generell zeigen die Vertriebsmengen der letzten Jahre Schwankungen, die einerseits mit der Verfügbarkeit einiger Tierarznei­spezialitäten zu tun haben und andererseits auf den Auf- und Abbau von Lagerbeständen zurückführbar sind. Die zugrunde liegende Tierpopulation weist über die letzten Jahre nur geringfügige Schwankungen auf, daher sind Änderungen in der Vertriebsmenge nicht auf geringere bzw. höhere Tierzahlen zurückzuführen. Hausapotheken­führende Tierärzt*innen geben im Rahmen ihrer Abgabemeldung die Tierart an, für die das Antibiotikum abgegeben wurde; dadurch lassen sich die Abgabemengen antimikrobiell wirksamer Substanzen den Tierarten zuordnen. Um die Abgabemengen der unterschiedlichen Tierarten miteinander vergleichen zu können, müssen diese auf Basis der jeweiligen Tierpopulation normiert werden. Dazu hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) einen Normierungsfaktor (die PCU) eingeführt. Die PCU ist ein technisches Maß und bezieht sich auf ein Kilogramm Körpergewicht. Daraus resultieren normierte Werte beim Schwein von 53,3 mg/PCU (-7,3 mg/PCU im Vergleich zu 2021), beim Rind von 16,8 mg/PCU (keine Veränderung zu 2021) und beim Geflügel von 18,7 mg/PCU (-3,3 mg/PCU). Da im Rahmen der Abgabemengenerhebung keine direkt angewandten Antibiotika erfasst werden, sind diese Zahlen mit einer größeren Unsicherheit behaftet.

Ergebnisse der Vertriebsmengenerhebung

Im Vergleich zum Jahr 2021 kam es 2022 zu einer Abnahme der verkauften Gesamtmenge um 4,81 Tonnen. Das entspricht einer relativen Abnahme von 12,3 %.

Verkaufte Mengen in Tonnen nach ATCvet Level 2

Betrachtet man die Art der Anwendung, so liegen die oral anzuwendenden Präparate zur Behandlung von Einzeltieren oder Gruppen von Tieren – diese umfassen Pulver, Tabletten und Pasten – mit 27,2 Tonnen (79,5 %) auch im Jahr 2022 weit vor den anderen Anwendungsformen. Die parenteral anzuwendenden Präparate liegen mit 5,3 Tonnen (15,3 %) an zweiter Stelle, gefolgt von der Gruppe der intramammären Anwendungen, denen auch die Trockensteller zugeordnet wurden, mit 1,04 Tonnen (3 %). Die oral zur Bestandsbehandlung eingesetzten Fütterungs­arzneimittel-Vormischungen (Prämix) machen mengenmäßig 0,63 Tonnen (1,8 %) aus.
Bei den Vertriebsmengen getrennt nach Wirkstoffgruppen ist nach wie vor Tetrazyklin mit 15,8 Tonnen (46,1 %) an erster Stelle, gefolgt von den Penicillinen mit erweitertem Spektrum mit 5,9 Tonnen (17,2 %), den Sulfonamiden mit 3,2 Tonnen (9,3 %) und den Makroliden mit 2,6 Tonnen (7,6 %). Die Einteilung der Wirkstoffe zu Wirkstoffgruppen erfolgte analog zu den Vorgaben der EMA (European Medicines Agency, European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption 2021). Zur Gruppe „Andere Antibiotika“ zählen dabei unter anderem Rifaximin und Spectinomycin.
 

Ergebnisse der Abgabemengenerhebung 

In Österreich waren im Jahr 2022 1776 HAPO gemeldet, davon haben 1621 im Jahr 2022 auch Antibiotika bezogen, wobei 95 % der Antibiotika an 349 HAPO (rund 20 %) verkauft wurden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 80 % der HAPO nur 5 % der Gesamtmenge beziehen.
In der Abgabemeldung müssen hausapothekenführende Tierärzt*innen angeben, welche Antibiotika in welcher Menge an welche landwirtschaftlichen Betriebe abgegeben wurden. Dieser Meldeverpflichtung sind insgesamt 553 von 1776 HAPO für das Meldejahr 2022 nachgekommen.
Um die Vollständigkeit der Abgabedaten überprüfen zu können, müssen hausapothekenführende Tierärzt*innen, die zu keiner Abgabemeldung nach Veterinär-Antibiotika-MengenströmeVO §7 (2) verpflichtet sind, eine Abgabe-Leermeldung tätigen (siehe Veterinär-Antibiotika-MengenströmeVO §7 (3)). Eine solche haben heuer 873 HAPO durchgeführt.
Von den erwähnten 349 HAPO (Top 95 %) haben 304 eine Abgabemeldung bzw. Abgabe-Leermeldung gemacht. Insgesamt wurden rund 27,4 Tonnen an landwirtschaftliche Betriebe abgegebene Antibiotika gemeldet. Die Differenz von circa 6,9 Tonnen (20 %) zur Meldung der Hersteller, Depositeure und Arzneimittel-Großhändler kann unterschiedliche Ursachen haben (z. B. Anwendung durch Tierarzt bzw. Tierärztin, Abgabe an nicht meldepflichtige Tierarten, Lageraufbau, Nicht­meldung).
 

Speziesbezogene Auswertungen 

Neben der Angabe, an welche landwirtschaftlichen Betriebe Antibiotika abgegeben wurden, müssen die hausapothekenführenden Tierärzt*innen auch melden, für welche Tierart und Nutzungsart die Antibiotika abgegeben wurden. In folgender Abbildung ist zu sehen, dass im Jahr 2022 für die Tierart Schwein 67 % der Menge abgegeben wurden, gefolgt von Rind mit 27 % und Geflügel mit 6 %.

Anteil der Abgabemenge je Tierart getrennt nach Jahren 

Da sich die Tierbestände und Schlachtzahlen unterschiedlicher Tierarten voneinander unterscheiden, werden die Abgabemengen wie auch im ESVAC-Bericht (European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption 2021 der European Medicines Agency) normiert dar­gestellt.
In Abb. 5 sind die Abgabemengen für Schwein, Rind und Geflügel in mg/PCU dargestellt. Die jeweils linke Klammer gibt die normierte gemeldete Abgabemenge wieder. Die Summe der gemeldeten Abgabemenge ist, wie in der Tabelle im vorherigen Kapitel ersichtlich, um 20 % geringer als die gesamte Vertriebsmenge. Diese Differenz wurde für die jeweilige Tierart berücksichtigt und hochgerechnet in den rechten Klammern in der Abbildung dargestellt. Die in der Grafik dargestellten ­Werte sind in der Tabelle zu sehen. Diese Kennzahlen sind derzeit mit einer größeren Unsicherheit behaftet, da hier der AB-Einsatz beim Pferd und bei Heimtieren nicht berücksichtigt wird und der Anteil der Abgabe zur Anwendung für Rinder, Schweine und Geflügel nicht ident ist.

Abgabemengen für Schweine

In dieser Tabelle sind die gemeldeten Abgabemengen für Schweine je Wirkstoffgruppe in Tonnen dargestellt. Eine Aufteilung der Abgabemengen für Schweine nach Nutzungsarten ist in der unteren Tabelle dargestellt. Dies bedeutet zum Beispiel, dass 2022 ein Anteil von 26,6 % aller abgegebenen Antibiotika in der Schweinemast verwendet wurde.

Abgabemengen für Rinder

In dieser Tabelle sind die gemeldeten Abgabemengen für Rinder je Wirkstoffgruppe in Tonnen und in der unteren Tabelle anteilsmäßig in Prozent nach Nutzungsart dar­gestellt.

Abgabemengen für Geflügel

In dieser Tabelle sind die gemeldeten Abgabemengen für Geflügel je Wirkstoffgruppe in Tonnen dargestellt. Analog zu den vorherigen Kapiteln sind in der unteren Tabelle die Abgabemengen prozentuell nach Nutzungsart für Ge­flügel dargestellt.

Diskussion

Der große Rückgang in der Vertriebsmenge aus 2021 wurde auch 2022 fortgesetzt und weist mit 34,26 Tonnen den niedrigsten Wert seit Beginn der Datenerhebung (erstmals für das Jahr 2010) auf. Die letzten Jahre waren auch von stärkeren Schwankungen in den Vertriebsmengen geprägt, die zum Teil durch Lageraufbau bzw. -abbau – aufgrund von Ungewissheit über die Marktsituation und der (Nicht-)Verfügbarkeit von Arzneimitteln – erklärbar waren.
Die Verkaufsmengen der als „Highest Priority Critically Important Antimicrobials (HPCIA)“ eingestuften Wirkstoffe (WHO Advisory Group on Integrated Surveillance of Antimicrobial Resistance, World Health Organization, 2017) schwankten über die letzten fünf Jahre zwischen 4,34 und 5,78 Tonnen und lagen im Jahr 2022 bei 4,34. Über die Jahre haben die HPCIA einen relativ konstanten Anteil von 12 % bis 13 % an der Gesamtmenge.
Der Indikator mg/PCU, der eine grobe Abschätzung darstellt, wie viel Milligramm Antibiotika pro Kilogramm produzierter Lebendtiermasse verkauft wurden, ist 2022 auf 36,2 mg/PCU gesunken und somit um 12,3 % niedriger als 2021. In absoluten Zahlen bedeutet das eine Abnahme um 5,1 mg/PCU. Das Verhältnis der durch die HAPO in Summe eingekauften Antibiotika zur Summe der abgegebenen Antibiotika lag 2021 bei 79 % und 2022 bei 80,3 %.
Auf Basis des österreichischen Erfassungssystems, bei dem HAPO ihre Abgabemengen je Betrieb, Tierart und Nutzungsart melden müssen, ist es möglich, speziesbezogene Auswertungen zu erstellen. Die Abgabemengen des Jahres 2022 zeigen bei der Tierart Rind keine Veränderung und bei den Tierarten Schwein (-7,3 mg/PCU) und Geflügel (-3,3 mg/PCU) eine Abnahme zum Vorjahr. Diese Werte geben wie gesagt nur einen Trend wieder und sind mit gewissen Unsicherheiten behaftet.
Mit dem Animal Health Data Service (AHDS) wurde heuer eine neue Auswertungsplattform geschaffen, welche unterschiedliche Datenbanken verknüpft und den jeweiligen Benutzergruppen zielgerichtete Auswertungen bereitstellt. Rinder- bzw. schweinehaltende Landwirt*innen und hausapothekenführende Tierärzt*innen können bereits jetzt ihre Antibiotikaauswertungen über das AHDS einsehen. Der einfache Zugang zu diesen Auswertungen soll einen weiteren Beitrag zur Bewusstseinsbildung hinsichtlich des Antibiotikaeinsatzes darstellen.