9. ÖTT-Tagung:

„Wir wollen eine Verbesserung des Tierwohls erreichen“

Dr. Marie Schneider, Mag. Silvia Stefan-Gromen

Die ÖTK veranstaltete in Zusammenarbeit mit der Vetmeduni Wien am 3. Mai 2018 die 9. ÖTT-Tagung – zur ganztägigen Veranstaltung kamen rund 140 TeilnehmerInnen.

„Die ethische Auseinandersetzung und moralische Verantwortung der Veterinärmedizin in Bezug auf die aktuelle Lebenswelt der Tiere ist unser zentrales Anliegen. Wir wollen Lösungen finden, die zu einer Verbesserung des Tierwohls führen“, erklärte Ass.-Prof. Johannes Baumgartner vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz, der gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Josef Troxler für den Veranstaltungsinhalt verantwortlich zeichnete. 

ÖTK-Präsident Mag. Kurt Frühwirth ging in seiner Eröffnungsrede auf die enge Verbundenheit zwischen Mensch und Tier ein, wobei sich in den vergangenen Jahren auch zunehmend eine Vermenschlichung der Haustiere und damit einhergehend auch eine Vermenschlichung der Tiermedizin eingestellt hat. „Ich muss kritisch anmerken, dass die Grenze der Verantwortbarkeit, aber auch der Finanzierbarkeit in vielen Fällen erreicht ist. Gerade bei Qualzuchten muss ich unsere tierärzt­liche Verantwortung einfordern und dazu aufrufen, klare Grenzen zu ziehen. Nicht alles, was medizinisch machbar ist, sollte auch durchgeführt werden.“

Tierärzte seien nicht abhängig von Züchtern und sollten frei in ihrer Entscheidung sein und nach bestem medizinischem Wissen handeln. „Wir haben zu den Themen des Tierschutzes regelmäßig die Stimme erhoben, die Ergebnisse lassen leider noch auf sich warten. Dennoch sind wir guter Dinge, dass wir in gemeinsamer Anstrengung zur Verbesserung des Tierwohls beitragen können. Wir Tierärzte brauchen klare Positionen und Forderungen“, betonte Frühwirth.

Dr. Rudolf Winkelmayer, Sprecher der ÖTT, plädierte in seinem Eröffnungsreferat dafür, die Bewusstseins­bildung in Sachen Tierschutz voranzutreiben. „Wir bringen unseren Haustieren große Tierliebe entgegen, haben aber gegenüber Nutztieren als Fleischlieferanten eine widersprüchliche Haltung. Wir sollten die profitorientierte Nutztierhaltung hinterfragen, denn es ist nicht falsch, darüber nachzudenken, wie das Essen auf den Teller kommt. Wir sollten Leid verhindern und Glück fördern.“

Ao. Univ.-Prof. Dr. Petra Winter, Rektorin der Vetmed­uni, betonte in ihren Begrüßungsworten die tierethische Ausbildung an der Vetmeduni Wien, die mit der Gründung des Messerli Forschungsinstituts im Jahr 2010 auch universitär verankert wurde.

In seinen ethischen Überlegungen zum Thema „Im Interesse der Tiere – zu Lasten der Tiere“ machte Dr. Markus Wild, Professor der Universität Basel, deutlich, dass wir Menschen die Tiere an unsere Interessen angepasst haben, die wir auch höher bewerten. In ästhetischer Hinsicht haben wir beispielsweise Haustiere unseren Vorstellungen angepasst, aber auch unter ökonomischen Aspekten haben wir uns die Tiere zu eigen gemacht, etwa im Nutztierbereich hinsichtlich Ertrag und Profit.

Dass Tiere sehr emotional auf ihre Umgebung reagieren, zeigte Ph.D. Jean-Loup Rault, Professor am Institut für Tierhaltung und Tierschutz, anhand von Forschungsversuchen an Ferkeln. Er veranschaulichte, wie der Köperkontakt durch den Menschen das EEG der Tiere positiv beeinflusst – gezeigt wurde das Experiment „Belly Rubbing“, das die Ferkel dazu veranlasst, sich freudvoll grunzend auf die Seite zu legen und die Streicheleinheiten zu genießen.

Auch Ph.D. Dr.med.vet. Sara Hintze, MSc. von der BOKU Wien beschäftigte sich mit Emotionen: Sie zeigte die Gefühle von Pferden anhand von Tonaufnahmen – durch Wiehern können Pferde unterschiedlichen Reaktionen kommunizieren, je nach Stimmbild kann man auf unterschiedliche Gefühlslagen schließen. Auch die Augenfalte lässt Rückschlüsse zu: Bei Angst sieht das Auge des Pferdes anders aus als bei Trauer oder Freude.

Gefordert: Mit aktuellem Trend brechen

Dr. sc. techn. Dipl. Ing. agr. ETH Roland Weber von Agroscope Schweiz, der sich mit Haltungssystemen bei Schweinen beschäftigt, zeigte auf, dass durch die über­mäßige Ferkelproduktion unverantwortlich agiert wird. Die Wurfgrößen bei Schweinen haben sich in den vergangenen Jahren stetig erhöht, im deutschsprachigen Raum beträgt die Anzahl pro Wurf durchschnittlich 13 Ferkel. In Dänemark seien es im Schnitt bereits 18 Ferkel, die Zitzenzahl von Zuchtsauen beträgt zwischen 12 und 14. „Die Überlebensrate von sogenannten Kümmerlingen ist leider sehr gering. Ich appelliere daher, mit dem aktuellen Trend zu brechen und die Wurfgrößen nicht länger auszureizen. Wir produzieren für die Mülltonne, das ist mit dem Tierschutz unvereinbar“, so Weber.

Auch die kuhgebundene Kälberaufzucht, die seit tauseneden von Jahren betrieben wurde, hat sich in den vergangenen 60 Jahren verändert: Heute wird die Trennung der Kälber vom Muttertier innerhalb der ersten 24 Stunden vorgenommen. Dr. Susanne Waiblinger, Professorin an der Vetmeduni Wien, strich die Vorteile einer gemeinsamen Aufzucht hervor: „Wir haben festgestellt, dass Kälber schneller an Gewicht zulegen, wenn sie bei der Mutter bleiben. Das gegenseitige Besaugen kommt seltener vor, sie sind sozial aktiver und zeigen erhöhtes Spielverhalten. Sie haben ein deutlich besseres Wohl­befinden und sind weniger unter Stress.“

Mit dem Thema Stress hat sich auch Dr. Christine ­Arhant der Vetmeduni auseinandergesetzt. Die Stressreduzierung in der Tierarztpraxis ist ihr ein besonderes Anliegen, und sie hat dazu ein „Low-Stress-Training“ entwickelt, das sich mit der Gestaltung der Tierarzt­praxis, dem Handling, der Prävention bis hin zur Euthanasie beschäftigt.

Gegen Ende der Tagung wurden auch drei unterschiedlich gelagerte Fallbeispiele präsentiert: Dr. Cornelia Rouha-Mülleder vom Vetmed-Institut für Tierhaltung und Tierschutz zeigte auf, dass es in Österreich keine speziellen Regelungen für Wachtelhaltung gibt, und bemängelte die unterschiedlichen Standards: „Dem Missbrauch ist wegen mangelnder Vorschriften Tür und Tor geöffnet. Die Wachtel ist der einzige domestizierte Zugvogel, es ist daher unzumutbar, diesen Vogel auf engstem Raum zu halten.“ VetORin Dr. Gabriele Fuchs, Amtstierärztin der Stadt Kempten in Deutschland, stellte einen erfolgreich geführten juristischen Prozess gegen illegale Tiertransporte vor und rief zu mehr Mut im Dialog mit den Vollzugsbehörden auf. „Wir brauchen auch mehr Mut bei der Umsetzung des Tiertransport-Gesetzes. Wir Tierärzte sind die Anwälte der Tiere und müssen uns entsprechend einsetzen“, so Dr. Fuchs. Mit der Illegalität gewisser Handlungsweisen beschäftigt sich auch Amtstierärztin Dr. Marie-Christin Rossmann, die sich gegen den verbotenen Welpenhandel einsetzt. Sie präsentierte die Initiative „Bio-Crime“, eine länderübergreifende Zusammenarbeit von Italien und Österreich im Kampf gegen den Welpenhandel. Gerade der enge Schulterschluss mit den Behörden der Regionen Kärnten, Friaul und Venetien ermögliche es, dem kriminellen Geschäft mit Tieren einen Riegel vorzuschieben. „Die Bewusstseinsbildung bei potenziellen Tierhaltern ist das Um und Auf, vor allem, wenn es um die Gesundheit der Menschen geht. Illegal gehandelte Welpen sind oft krank, und es kann auch vorkommen, dass sie Krankheiten auf den Menschen übertragen. Die Impfpässe und Dokumente sind meist gefälscht und damit nichts wert“.