7 Fragen an…

Andreas Nussbaumer, Verkaufscoach

Mag. Eva Kaiserseder

Wie können Tierärzte die oft vorhandene psychologische Hürde des Verkaufens überwinden?
Die Frage lautet zunächst: Woher kommt diese – übrigens unter „Nichtverkäufern“ recht häufige – Abneigung? Die damit verbundene Einstellung im Hintergrund ist oft: „Ich will niemandem etwas aufschwatzen!“ Die wortgewaltige Nervensäge, die dem sprichwörtlichen Eskimo den Kühlschrank verkauft, ist dann gedanklich nicht mehr weit.

Der erste Schritt liegt daher in der Veränderung der Einstellung. Seriös verkaufen bedeutet vor allem, dem Kunden zur Seite zu stehen und ihm zu helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Als Verkäufer führe ich den Kunden durch den Entscheidungsprozess, damit dieser selber erkennt, was gut und richtig für ihn ist. Denn: Nicht immer erkennen Kunden sofort die Vorteile eines gut gemeinten Vorschlags. Viele Kunden kennen als Laien im jeweiligen Fachgebiet die Chancen und Möglichkeiten, aber die potenziellen Probleme und Gefahren nicht. Hier liegt die Kunst darin, einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen, ohne jedoch Druck auszuüben. Ich will deshalb auch gerne Ihre Perspektive zum Thema Verkaufen verändern. Beachten Sie bitte: Wenn Sie nicht verkaufen, dann lassen Sie Ihren Kunden wissentlich mit einer schlechteren Alternative zurück!

Wie soll der Tierarzt seine Doppelrolle als medizinischer Fachmann und Verkäufer anlegen?
Im Lichte der bereits angeführten Betrachtung wird schnell klar, dass wir keinesfalls von einer Doppelrolle oder gar von Gegensätzen sprechen! Als medizinischer Fachexperte sind Sie moralisch geradezu verpflichtet, Ihrem Kunden die Entscheidungsfindung zu erleichtern beziehungsweise sinnvollere Alternativen anzubieten. Sie erleben jeden Tag Situationen, in denen Sie aktiv aufgefordert werden, zu verkaufen. Wenn ein Kunde fragt, ob eine Operation an seinem Liebling wirklich sinnvoll ist, dann verkaufen Sie bereits! Sie verkaufen Ihre Meinung und Ihre Fachexpertise mit dem Ziel, das (Ein-)Verständnis Ihres Kunden zu bekommen. Das können und beherrschen Sie sicherlich täglich Dutzende Male. Ungewohnt, aber nicht wirklich schwerer ist es, Themenbereiche anzusprechen, die für den Kunden mindestens ebenso wichtig sind. Themen, an die er aber spontan nicht denkt respektive nicht mit ihnen als Tierarzt in Verbindung bringt. Damit meine ich etwa Futtermittel, Pflegeprodukte oder Ähnliches. 

Wie funktioniert ein gelungenes Verkaufsgespräch?
Zunächst ist es wichtig, den Bedarf Ihres Kunden zu erkennen beziehungsweise diesen gegebenenfalls überhaupt erst zu wecken. Darauf aufbauend kommunizieren Sie dem Kunden Ihre Empfehlung in einer Kombination aus dem Vorschlag mit einer Begründung, um in weiterer Folge eine direkte Handlungsaufforderung zu tätigen. Nehmen wir ein Beispiel: Sie fragen den Besitzer eines Doggenwelpen im Zuge der Anamnese unter anderem, wie er auf diese Rasse gekommen ist, woher er den Hund hat, worauf er bei der Auswahl des Züchters besonders geachtet hat, wie er sich bei ihm zu Hause einlebt und welches Futter er derzeit verwendet. Der Besitzer erzählt stolz, dass er schon immer davon geträumt hat, eine Dogge zu besitzen, er seinen Hund von einem zwar teuren, aber sehr erfahrenen Züchter erstanden hat, die Gesundheit des Tieres für ihn ganz besonders wichtig war, der Hund sich prächtig einlebt und er im Moment die Eigenmarke eines bekannten Tierfutterfachhandels füttert. Jetzt kennen Sie den Kundenbedarf und dessen Motive. Schließen Sie Ihre Behandlung wie gewohnt ab und kommen Sie zu Ihrer Empfehlung. 

Sie sagen also zum Beispiel: „Lieber Herr Muster, ich merke, Ihnen ist die Gesundheit Ihres Hundes Arco besonders wichtig. Gerade große Hunderassen sind im Welpenalter besonders sensibel in Bezug auf die Futterwahl zu behandeln. Fehlende Nährstoffe oder ein Übermaß an Eiweiß/Kohlenhydraten können nachhaltige, gegebenenfalls irreparable Schäden hervorrufen. 

Das optimale Futter gewährleistet ein gesundes Wachstum. Ich empfehle aus meiner Sicht für Ihren Hund „Dogoplus XL“. Dieses ist aufgrund der Nährstoff-zusammensetzung optimal für Doggenwelpen geeignet. Ich habe es in fünf oder zehn Kilo hier. Was halten Sie davon, wenn Sie einfach testen, wie es Ihrem Arco schmeckt?“ Jetzt haben Sie eine klare, unmissverständliche Empfehlung zum Wohl des Hundes ausgesprochen! Der Kunde kann nun selbst entscheiden, wie viel ihm die Gesundheit seines Hundes wert ist.

Und wie kann man seinen Verkaufserfolg steigern?
Just do it! Jedes neue Verhalten braucht Übung. Legen Sie sich die Latte ganz bewusst nicht zu hoch. Setzen Sie jede Woche ein anderes Produkt auf Ihre Agenda und sprechen Sie dieses im Zuge der Ordination an. Leichter machen Sie es sich, wenn Sie auch das Schaufenster oder den Schaukasten dazu dekorieren. Die Hersteller unterstützen Sie sicherlich gerne mit Material zur Gestaltung. Vielleicht gewinnen Sie das Unternehmen auch für eine kurzfristige Aktion, die Ihren Kunden das Zugreifen noch schmackhafter machen kann.

Kritik am Preis: Wie reagiere ich darauf?
Auch hier gilt: als Erstes die Einstellung zum Gewinn ändern. Denn ein schlechtes Gewissen erstickt jede verkäuferische Ambition im Keim. Gehen Sie daher ganz bewusst offensiv mit dieser Thematik um! Das gilt für Ihre Ordinationspreise gleichermaßen wie für alle Zusatzleistungen, die Sie anbieten. Bedenken Sie, dass der Preis einer Leistung immer mit dem Wert in Beziehung gebracht wird. Wollen Sie wirklich der „billige“ Tierarzt sein? Oder der, über den die Leute sagen: „Hmm, der hat ordentliche Preise, aber für mich kommt kein anderer infrage!“ Wenn Kunden Sie mit dem Vorwurf konfrontieren, dass eine Leistung oder ein Produkt (zu) teuer ist, dann können Sie zum Beispiel antworten:

• Offensiv: „Sie haben recht, das Produkt/die Behandlung
ist hochpreisig. Genau deshalb empfehle ich es. Es ist
einfach die beste Qualität/Behandlungsform!“

• Die Gegenüberstellung: „Ich verstehe, dass der Preis
ein Thema ist. Jetzt mal abgesehen davon: Wie wichtig
ist Ihnen die Gesundheit Ihres Tieres?“

• Der Vergleich: „Genau, es ist teurer als herkömmli-
che Produkte. Wenn Sie es allerdings hochrechnen, dann
bekommt Ihr Hund für eine Differenz von 50 Cent pro
Tag das qualitativ hochwertigste Futter am Markt.“

Gibt es das viel zitierte Verkaufs-Naturtalent oder lässt sich verkaufen erlernen?
Natürlich gibt es Naturtalente. Allerdings ist meine Erfahrung, dass wirklich jeder verkaufen lernen kann, wenn der Wille da ist. Wenn ich mit Menschen umgehen kann, Einfühlungsvermögen und Sachverstand besitze, dann steht dem verkäuferischen Erfolg nichts mehr im Weg.

Was bedeutet für Sie guter Kundenservice?
Guter Kundenservice bedeutet für mich: Die Kunden-erwartung wurde erfüllt oder zumindest nicht enttäuscht. Das resultiert in einem guten Kundenstamm, also Kunden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederkommen – vielleicht aber auch nicht. Wenn Sie es jedoch schaffen, die Kundenerwartung klar zu übertreffen oder gar Ihre Kunden zu verblüffen, dann haben Sie Stammkunden gewonnen, die Sie bei jeder Gelegenheit begeistert weiterempfehlen werden. 

Hier ein paar Ideen von mir, ganz sicher fallen Ihnen bei einem guten Glas Wein noch viel bessere ein …

• Geburtstagskarten für die Tiere – das Datum kennen Sie
ja und über ein Ableben wissen Sie bei Stammpatienten
auch Bescheid.

• Anruf im Abstand von etwa einer Woche nach der
Behandlung, wie es dem Tier geht (kann ggf. auch die
Assistenz machen).

• Eventuell in Kombination mit obigem Vorschlag eine
Karte „Gute Besserung“.

• Sie drucken auf die „Gute Besserung“-Karte einen --klei-
nen Fragebogen, wie zufrieden der Besitzer und/
oder das Tier mit der Behandlung war, mit der Bitte um
Feedback.

• Regelmäßige Newsletter mit wichtigen saisonalen
Informationen.

• Erinnerung an wichtige Impfungen/Checks per Post-
karte mit schönem Motiv, sodass die Karte beim
Kunden an die Pinnwand kommt.

• Eine Kolumne in einer regionalen Zeitung. 

Hier gilt: Wenn Sie es schaffen, Ihre Kunden zu verblüffen, dann löst sich zukünftig jede Preis- und Honorar-diskussion in Luft auf!