Praktischer Einsatz

eines 64-Zeilen-Computertomographen

Alexandra Schmatz

Seit drei Monaten ist in der Tierklinik Sattledt ein 64-Zeilen-CT im Einsatz. Wir haben uns nach Einsatzgebieten und ersten Erfahrungen erkundigt.

Wozu ein 64-Zeilen-CT?

„Die Computertomographie ist mittlerweile Standard in der Kleintiermedizin“, erklärt Dr. Gernot Werner--Tutschku. „Sie kommt hauptsächlich in der Traumatologie, bei orthopädischen Abklärungen und Wirbelsäulenproblemen zum Einsatz. Allerdings spielt sie auch im Weichteilbereich mittlerweile eine bedeutende Rolle.“ Die Tierklinik Sattledt verfügt nunmehr seit fast 15 Jahren über einen Computertomographen – begonnen wurde mit einem Einzeiler, gefolgt von einem 16-Zeiler, der vor Kurzem gegen einen 64-Zeiler getauscht wurde. War der 16-Zeiler nicht mehr ausreichend? „Grundsätzlich ist der 16-Zeiler nach wie vor aktuell und wird von führenden Kliniken eingesetzt. Die Bildqualität ist in der Regel ausgezeichnet, der diagnostische Nutzen für die meisten Fragestellungen völlig ausreichend“, sagt Dr. Peter Modler und ergänzt: „Als wir allerdings die Möglichkeit bekamen, unser Gerät gegen einen 64-Zeiler auszutauschen, war das schon sehr verlockend.“ „Da ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Tätigkeit bekanntermaßen die Kardiologie ist, eröffneten sich in dieser Hinsicht auf einmal neue Möglichkeiten. Abgesehen davon waren für uns neue Module wie das sogenannte Bolus-Tracking vielversprechend für die Diagnostik von Gefäßmissbildungen und bestimmten Tumoren. Wir wussten allerdings initial gar nicht so genau, was auf uns zukommt, unsere Erwartungen waren einfach groß.“ Letztendlich hat sich die Tierklinik Sattledt für den Kauf eines 64-Zeilen-CTs entschieden.

Postoperative Therapie

Nach der Operation wurde die Infusion mit Ringer-Laktat--Lösung während 24 Stunden mit 4 ml/kg KM weitergeführt. Die Analgesie wurde mit Methadon (0,1 mg/kg KM) alle vier Stunden aufrechterhalten. Die intravenöse Antibiose wurde mit Amoxicillin-Clavulansäure in der vorher erwähnten Dosierung zweimal täglich weitergeführt. Der Allgemeinzustand des Hundes besserte sich sehr schnell. Am ersten postoperativen Tag wurde der Hund aus der Klinik entlassen. Die weitere antibiotische Versorgung erfolgte über fünf Tage mit Amoxicillin-Clavulansäure (20 mg/kg KM) zweimal täglich per os. Eine Analgesie wurde mit einmal täglich Carprofen (4 mg/kg) über sieben Tage und zweimal täglich 3 mg/kg KM Tramadol über zwei Tage nach der Operation weitergeführt.

Um eine etwaige Verletzung des Ureters so früh wie möglich zu diagnostizieren, wurden bei Akiro am ersten, dritten, sechsten und zehnten postoperativen Tag Ultraschallkontrollen der rechten Niere und des Nierenbeckens durchgeführt. Zu jedem Zeitpunkt war weder Aszites, eine Stauung des Ureters noch ein gestautes Nierenbecken feststellbar. Klinisch ging es dem Patienten hervorragend und bereits am dritten Tag erklärten die Besitzer, Akiro wäre bereits ganz der Alte. Am zehnten Tag wurden – zusätzlich zur sonographischen Kontrolle – die Fäden gezogen, da die Wunde bereits per primam verheilt war. 

Die pathologische Untersuchung ergab den Verdacht auf ein Seminom. Das histologische Bild zeigte einen hämorrhagisch infarzierten Hoden, und es waren Rundzellen zu erkennen, die zu einem Seminom passen würden. Seminome werden grundsätzlich als maligne angesehen. Metastasierungen (in die regionären Lymphknoten, Lunge) werden in sechs bis elf Prozent der Fälle beobachtet.

 

Diskussion

Meist tritt dieses Krankheitsbild bei kryptorchen Hunden auf. Abdominale Kyptorchide können häufiger betroffen sein als inguinale, da der Hoden sich durch die meist vorhandene tumorös bedingte Größenzunahme leichter um die eigene Achse dreht. Zwischen Gubernaculum testis und Ductus deferens agiert der Hoden wie ein Schwungrad. Auch der Hoden im Leistenkanal kann durch die Bewegung im Leistenkanal verdreht werden. Durch die Torsion werden die venösen Gefäße verschlossen, während die Arterien noch Blut in den Hoden transportieren und somit einen starken Druck aufbauen. Es kann zum Austritt von ödematöser Flüssigkeit kommen und es können vereinzelt Gefäße platzen, was wiederum zu Einblutungen in das Hodengewebe führt. Dieser Zustand verursacht starke, akut auftretende Schmerzen. Wird diese Veränderung zu spät erkannt, kann es bereits nach kurzer Zeit zum Absterben des Hodens kommen. 

Mögliche klinische Symptome einer abdominalen Hodentorsion sind Anorexie, Lethargie, Vomitus, Diarrhoe, Schwellung des Skrotums und der inguinalen Gegend, steifes Gangbild und eine schmerzhafte Masse im Abdomen. Die Symptome sind unspezifisch. Mögliche Differenzialdiagnosen für ein akutes Abdomen wären Ileus, Pankreatitis, Peritonitis, Prostatitis, Prostatakarzinom, Prostatazyste, Milzdrehung, Urethraobstruktion, akute Pyelonephritis, Hodendrehung, Hodentumor und Tumor an der Harnblase. Beim Menschen ist die intraskrotale Hodentorsion immer ein Notfall, der mit großen Schmerzen verbunden ist. Es sollte innerhalb von sechs Stunden operiert werden, sonst kann die Blutversorgung des Hodens irreversibel gestört sein. Hunde scheinen dagegen nur leichte Palpationsschmerzhaftigkeit zu haben. Beim Hund ist intraskrotale Drehung noch deutlich seltener anzutreffen als die – an sich schon rar vorkommende – intraabdominale Hodentorsion, welche beim Hund fast immer mit einer neoplastischen Entartung des Hodengewebes verbunden ist. Die Erkrankung kann chronisch oder akut verlaufen.  

Kryptorchismus ist ein genetischer Defekt und scheint bei einigen Rassen häufiger vorzukommen als bei anderen. Zwergpudel, Pomeranians, Yorkshire Terrier, Dackel und Cairn Terrier scheinen besonders häufig vertreten zu sein. Kryptorchismus ist ein Zuchtausschlussgrund. Unilateral kryptorche Hunde sind im Vergleich zu beidseitig kryptorchen Rüden nicht steril und können damit den Defekt der nächsten Generation weitervererben. Das Risiko eines Hodentumors ist bei kryptorchen Hunden bis zu 13-mal größer als bei Hunden mit physiologischem Hodenabstieg. Am häufigsten bei abdominal kryptorchen Hoden sind Sertolizelltumore. Die erhöhte Temperatur bewirkt einen Verlust aller tubulären, germinativen Epithelien und der endokrinen Funktion. Nur Sertolizellen und interstitielle Zellen können bei diesen Temperaturen überleben. Mögliche Symptome bei Sertollizelltumoren sind auf die Überproduktion von Östrogenen bzw. Steroiden zurückzuführen. Dazu zählen bilateral Alopezie, die zuerst in der Genitalgegend beginnt und sich dann über das ventrale Abdomen ausbreitet, Hyperpigmentation, Verweiblichung, Panzytopenie und Knochenmarkshypoplasie. 

Bei allen kryptorchen Hunden mit abdominalen Schmerzen sollte demnach die Hodentorsion als mögliche Diagnose in Betracht gezogen werden und auf die Differenzialdiagnosenliste gesetzt werden.

Wo liegt nun der tatsächliche Nutzen?

 „Die Bildqualität war auch schon bei unserem 16-Zeiler sehr gut. Ein großer Vorteil für den Klinikbetrieb ist, dass das Gerät extrem schnell arbeitet. Gerade umfangreiche Untersuchungen mehrerer Regionen haben bis zur vollständigen Bildrekonstruktion manchmal eineinhalb Stunden in Anspruch genommen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Patienten so lang in Narkose waren, die Akquisition der Bilder war sehr schnell. Allerdings konnten wir natürlich nicht befunden, solange nicht alle Bilder fertig waren“, erinnert sich Dr. Werner-Tutschku. Jetzt ist der Arbeitsprozess beschleunigt und das Team kann wesentlich mehr Untersuchungen in kürzerer Zeit anbieten. Flexiblere Abläufe bieten mehr Spielraum für Notfälle, sodass auch, wenn während einer Erstuntersuchung der Bedarf auftritt, sofort und ohne Wartezeit die erforderliche Computertomographie möglich ist. 

„Ein wesentlicher Vorteil unseres 64-Zeilers ist die völlig scharfe Abbildung kardialer Strukturen. Dadurch, dass die Bildrekonstruktion vom Computer in Zusammenhang mit den parallel aufgenommenen EKGs erfolgt, treten keine Bewegungsartefakte auf. So können wir nun bei manchen angeborenen Herzerkrankungen einige anatomische Details herausarbeiten, die wir im Ultraschall nicht genau sehen können. Dazu gehören zum Beispiel Missbildungen der Koronargefäße. Gerade im Rahmen der interventionellen Therapie einer Pulmonalstenose können wir den Tieren damit grundsätzlich einen zusätzlichen Linksherzkatheter ersparen“, beschreibt Dr. Modler, Herzspezialist in der Tierklinik Sattledt, weitere Vorteile. Zusätzliche morphologische Informationen, die aus der Computertomographie gewonnen werden, sind derzeit aus seiner Sicht noch Teil der Lernkurve: „Vieles, was wir sehen, können wir noch nicht direkt in den Alltag einfließen lassen. Wir wissen aber, dass unser diagnostisches Spektrum damit erweitert wird und wir mit Sicherheit auch unser Wissen und damit die Effektivität von Untersuchungen erhöhen. Vieles gelingt bereits, an manchen Sachen arbeiten wir und werden tagtäglich besser“, so Dr. Modler. „Die 3-D-Rekonstruktionen in der Kardiologie sind für Besitzer sehr eindrucksvoll und können zur verständlichen Aufklärung beitragen. Auch die Darstellung von Gefäßmissbildungen wie etwa Portosystemischen Shunts ist nun deutlich leichter“, erklärt Dr. Modler. „Der Computertomograph erkennt selbstständig, dass das Kontrastmittel den zu untersuchenden Bereich – das heißt, das zu untersuchende Gefäß – erreicht, und startet dann von alleine mit der Bildakquisition. Das ist auch für die Diagnostik mancher Tumoren, welche nur in der arteriellen Phase der Kontrastmitteluntersuchung erkennbar sind, enorm hilfreich. Dazu gehört klassischerweise das Insulinom.“

Zunehmender Stellenwert der computer-tomographie in der Tiermedizin

Die bildgebende Diagnostik hat in der Tiermedizin in den letzten Jahren einen unglaublichen Aufschwung erlebt. Durch die röntgenbasierte Technik kann die Interpretation von CT-Bildern bei entsprechendem Interesse und Motivation auch berufsbegleitend erlernt werden. Für spezielle Fragestellungen bzw. bei fraglichen Befunden können diplomierte Radiologen telemedizinisch involviert werden. „So etabliert sich die Computer-tomographie zunehmend als Standardverfahren in der bild-gebenden Diagnostik. Komplizierte und aufwendige Lagerungstechniken, welche für manche Röntgenaufnahmen notwendig sind, kann man sich manchmal ersparen. In der Regel ist die CT komplementär zur Röntgenuntersuchung zu sehen beziehungsweise wird die Indikation aufgrund von Röntgenaufnahmen gestellt. Gerade im Weichteilbereich wird die CT immer häufiger eingesetzt“, beschreibt Dr. Modler die Einsatz-gebiete. Dr. Werner-Tutschku zeigt sich überaus zufrieden mit der Entscheidung, das neue Gerät anzuschaffen: „Schneller gehen kann es natürlich immer, doch jetzt müssen wir erst einmal all das ausnutzen, was die -Technik heute schon bieten kann, und arbeiten uns neben der Kardiologie schrittweise in andere Spezialgebiete vor.“ Dabei wird die Klinikleitung vom Geräteanbieter tatkräftig unterstützt: „Die Einschulung war extrem effizient, das Team ist ausgesprochen hilfsbereit. Bei akuten Fragen kann ich jederzeit anrufen und erhalte immer rasch, kompetent und ausgesprochen freundlich Auskunft“, betont Dr. Modler – ein Umstand, der gerade im Klinikbetrieb von großer Bedeutung ist, denn das Gerät kann nur dann seine Vorteile ausspielen, wenn es auch im Einsatz ist!

Ein Herz auch für den Nachwuchs

Neben der klinischen Tätigkeit gibt das engagierte Team der Tierklinik Sattledt das Wissen und die Erfahrung in Seminaren, Kursen und Kongressen in Österreich, dem europäischen Ausland sowie in den USA und Kanada weiter. Die wissenschaftliche Arbeit ist durch zahlreiche Beiträge und Publikationen für nationale und internationale Zeitschriften sowie Buchbeiträge dokumentiert. Für Studenten werden spezielle Fortbildungstage veranstaltet,  denn das Interesse des Nachwuchses an moderner Bildgebung ist groß. Die Aus- und Weiterbildung liegt den Tierärzten der Tierklinik Sattledt sichtlich am Herzen: „Wir bemühen uns, jeden Morgen eine Röntgen-visite abzuhalten, in deren Rahmen CT- und Röntgenbilder besprochen werden. So haben auch Kollegen oder Praktikanten, die noch nicht so viel Erfahrung haben, die Chance, Fälle zu sehen und ihr Wissen zu erweitern“, erzählt Dr. Werner-Tutschku. Gerade im Bereich der Kardiologie ist das Interesse an einem Austausch im In- und Ausland sehr groß. „Unsere Vernetzung mit anderen Kardiologen ermöglicht uns, Erfahrungen auszutauschen und unser Wissen zu erweitern. Gerade an den neuen Kardio-CT-Bildern besteht gegenwärtig großes Interesse“, erklärt Dr. Modler abschließend.