Postoperative Therapie
Nach der Operation wurde die Infusion mit Ringer-Laktat--Lösung während 24 Stunden mit 4 ml/kg KM weitergeführt. Die Analgesie wurde mit Methadon (0,1 mg/kg KM) alle vier Stunden aufrechterhalten. Die intravenöse Antibiose wurde mit Amoxicillin-Clavulansäure in der vorher erwähnten Dosierung zweimal täglich weitergeführt. Der Allgemeinzustand des Hundes besserte sich sehr schnell. Am ersten postoperativen Tag wurde der Hund aus der Klinik entlassen. Die weitere antibiotische Versorgung erfolgte über fünf Tage mit Amoxicillin-Clavulansäure (20 mg/kg KM) zweimal täglich per os. Eine Analgesie wurde mit einmal täglich Carprofen (4 mg/kg) über sieben Tage und zweimal täglich 3 mg/kg KM Tramadol über zwei Tage nach der Operation weitergeführt.
Um eine etwaige Verletzung des Ureters so früh wie möglich zu diagnostizieren, wurden bei Akiro am ersten, dritten, sechsten und zehnten postoperativen Tag Ultraschallkontrollen der rechten Niere und des Nierenbeckens durchgeführt. Zu jedem Zeitpunkt war weder Aszites, eine Stauung des Ureters noch ein gestautes Nierenbecken feststellbar. Klinisch ging es dem Patienten hervorragend und bereits am dritten Tag erklärten die Besitzer, Akiro wäre bereits ganz der Alte. Am zehnten Tag wurden – zusätzlich zur sonographischen Kontrolle – die Fäden gezogen, da die Wunde bereits per primam verheilt war.
Die pathologische Untersuchung ergab den Verdacht auf ein Seminom. Das histologische Bild zeigte einen hämorrhagisch infarzierten Hoden, und es waren Rundzellen zu erkennen, die zu einem Seminom passen würden. Seminome werden grundsätzlich als maligne angesehen. Metastasierungen (in die regionären Lymphknoten, Lunge) werden in sechs bis elf Prozent der Fälle beobachtet.
Diskussion
Meist tritt dieses Krankheitsbild bei kryptorchen Hunden auf. Abdominale Kyptorchide können häufiger betroffen sein als inguinale, da der Hoden sich durch die meist vorhandene tumorös bedingte Größenzunahme leichter um die eigene Achse dreht. Zwischen Gubernaculum testis und Ductus deferens agiert der Hoden wie ein Schwungrad. Auch der Hoden im Leistenkanal kann durch die Bewegung im Leistenkanal verdreht werden. Durch die Torsion werden die venösen Gefäße verschlossen, während die Arterien noch Blut in den Hoden transportieren und somit einen starken Druck aufbauen. Es kann zum Austritt von ödematöser Flüssigkeit kommen und es können vereinzelt Gefäße platzen, was wiederum zu Einblutungen in das Hodengewebe führt. Dieser Zustand verursacht starke, akut auftretende Schmerzen. Wird diese Veränderung zu spät erkannt, kann es bereits nach kurzer Zeit zum Absterben des Hodens kommen.
Mögliche klinische Symptome einer abdominalen Hodentorsion sind Anorexie, Lethargie, Vomitus, Diarrhoe, Schwellung des Skrotums und der inguinalen Gegend, steifes Gangbild und eine schmerzhafte Masse im Abdomen. Die Symptome sind unspezifisch. Mögliche Differenzialdiagnosen für ein akutes Abdomen wären Ileus, Pankreatitis, Peritonitis, Prostatitis, Prostatakarzinom, Prostatazyste, Milzdrehung, Urethraobstruktion, akute Pyelonephritis, Hodendrehung, Hodentumor und Tumor an der Harnblase. Beim Menschen ist die intraskrotale Hodentorsion immer ein Notfall, der mit großen Schmerzen verbunden ist. Es sollte innerhalb von sechs Stunden operiert werden, sonst kann die Blutversorgung des Hodens irreversibel gestört sein. Hunde scheinen dagegen nur leichte Palpationsschmerzhaftigkeit zu haben. Beim Hund ist intraskrotale Drehung noch deutlich seltener anzutreffen als die – an sich schon rar vorkommende – intraabdominale Hodentorsion, welche beim Hund fast immer mit einer neoplastischen Entartung des Hodengewebes verbunden ist. Die Erkrankung kann chronisch oder akut verlaufen.
Kryptorchismus ist ein genetischer Defekt und scheint bei einigen Rassen häufiger vorzukommen als bei anderen. Zwergpudel, Pomeranians, Yorkshire Terrier, Dackel und Cairn Terrier scheinen besonders häufig vertreten zu sein. Kryptorchismus ist ein Zuchtausschlussgrund. Unilateral kryptorche Hunde sind im Vergleich zu beidseitig kryptorchen Rüden nicht steril und können damit den Defekt der nächsten Generation weitervererben. Das Risiko eines Hodentumors ist bei kryptorchen Hunden bis zu 13-mal größer als bei Hunden mit physiologischem Hodenabstieg. Am häufigsten bei abdominal kryptorchen Hoden sind Sertolizelltumore. Die erhöhte Temperatur bewirkt einen Verlust aller tubulären, germinativen Epithelien und der endokrinen Funktion. Nur Sertolizellen und interstitielle Zellen können bei diesen Temperaturen überleben. Mögliche Symptome bei Sertollizelltumoren sind auf die Überproduktion von Östrogenen bzw. Steroiden zurückzuführen. Dazu zählen bilateral Alopezie, die zuerst in der Genitalgegend beginnt und sich dann über das ventrale Abdomen ausbreitet, Hyperpigmentation, Verweiblichung, Panzytopenie und Knochenmarkshypoplasie.
Bei allen kryptorchen Hunden mit abdominalen Schmerzen sollte demnach die Hodentorsion als mögliche Diagnose in Betracht gezogen werden und auf die Differenzialdiagnosenliste gesetzt werden.