Schocktherapie

Ein Update

Dr. Elena Russold
Vetmeduni Vienna

Schock ist ein Symptomen­komplex, der zu einer Unterversorgung und damit progressiven Verschlechterung der Sauerstoffversorgung der Gewebe führt. Unbehandelt hat dies ein Multiorganversagen und den potenziellen Tod zur Folge.

Der Sinn, Schock aufgrund des Ursprungs einzuteilen, liegt in den unterschiedlichen Therapieansätzen. Die am häufigsten auftretende Form in der Veterinärmedizin ist der hypovolämische Schock – hier kommt es zu einer Hypoperfusion der Gewebe als Folge verringerten Blutvolumens. Ursachen sind entweder Blutverlust oder hochgradiger Flüssigkeitsverlust (Magen-Darm-Trakt, Niere, Third Space, Hecheln). Beim distributiven Schock kommt es zu einer Umverteilung des Blutvolumens aufgrund übermäßiger Vasodilatation. Die Ursachen des distributiven Schocks sind vor allem Entzündungsmediatoren, die z. B. während SIRS und Sepsis massiv freigesetzt werden, aber auch durch Toxine oder Anaphylaxie. Im ­kardiogenen Schock kommt es zu einem tatsächlichen Versagen des Herzens. Eine verringerte Pumpleistung resultiert aus verschiedenen Herzerkrankungen (End-Stage-Kardiomyopathien, Klappeninsuffizienzen und schwerwiegende Arrhythmien).
Wichtig ist, zu wissen, dass Patienten in der Veterinär­medizin eher mit Atemnot und Zeichen kongestiven Herzversagens vorgestellt werden als mit einem kardiogenen Schock. Die vierte Form des Schocks in der Veterinärmedizin ist der obstruktive Schock. Diese Form tritt selten auf; die Ursachen sind massive Unterbrechungen/Behinderungen des Blutflusses, wie im Falle einer hochgradigen perikardialen Tamponade oder einer massiven Pulmonalthrombose.

Diagnose von Schock

Die Diagnose von Schock beruht auf den Veränderungen des Körpers und den auftretenden kompensatorischen Mechanismen. Initial versucht der Organismus durch Erhöhung der Herzfrequenz und Vasokonstriktion, das zirkulierende Blutvolumen aufrechtzuerhalten (kompensierter Schock). Bei weiterem Fortschreiten (Flüssigkeitsverlust oder Vasodilatation z. B.) wird der kritische Punkt überschritten, die Kompensationsmechanismen reichen nicht mehr aus, eine Abwärtsspirale beginnt (dekompensierter Schock). Die Diagnose von Schock beruht auf einer klinischen Untersuchung mit Hauptaugenmerk auf den Kreislauf- und Perfusionsparametern (Herzfrequenz, Pulsfrequenz und -qualität, Blutdruck, Schleimhautfarbe, kapilläre Füllungszeit) sowie dem Allgemeinverhalten. ­Diese Veränderungen für den Hund, die in den häufigsten Schockformen (hypovoläm und distributiv) vorkommen, sind in Tabelle 1 dargestellt. Achtung: Katzen entwickeln im Schock neben einer Tachykardie gelegentlich auch eine Bradykardie! Besserung tritt mit normaler Schocktherapie ein. Anpassungen sind für den distributiven Schock (Schleimhautfarbe vermehrt gerötet, hgr. Tachykardie) und den kardiogenen Schock (zusätzliches Auftreten von Dyspnoe) vorzunehmen.

Therapiemöglichkeiten und No-Gos

Die intravenöse Flüssigkeitstherapie und Sauerstoff­therapie sind die Therapien der Wahl aufgrund der Pathogenese: Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff durch Hypovolämie. Die Flüssigkeitstherapie wird in Form von Boli intravenös verabreicht. Im moderaten bis hochgradigen Schockgeschehen werden Boli von 20–40 ml/kg über 15 bis 30 Minuten verabreicht. Nach Überprüfen der klinischen Parameter werden die Boli so oft wiederholt, bis eine deutliche Besserung (Normalisierung des Allgemeinverhaltens und Normotension z. B.) eingetreten ist. Im Falle einer schweren Hypotension kann eine kolloidale Flüssigkeit (z. B. Voluven) mit 1–2 ml/kg verabreicht werden. Diese kolloidale Therapie ist im septischen Patienten diskutiert, da in der Humanmedizin akute Nieren­schäden aufgetreten sind, beim Tier ist dies aber noch nicht beschrieben. Im Falle einer Volumenüberladung (sehr selten) kann ­Dyspnoe auftreten, vor allem bei Herzpatienten. Neben dem kardiogenen Schock ist eine Hypothermie bei der ­Katze die einzig andere Kontraindikation für hohe Flüssig­keitsraten – diese dürfen erst nach dem Aufwärmen des felinen Patienten verabreicht werden.

Zu den unterstützenden Therapien bei Schock zählt der Sauerstoff, z. B. mittels Flow-by oder über die Maske verabreicht. Neben der Minderperfusion erhöhen Stress und Schmerz den Sauerstoffbedarf des Patienten zusätzlich. Daher ist im schmerzhaften Geschehen auch der Einsatz von Schmerzmitteln der Klasse der Opioide empfohlen (z. B. Methadon 0,1 mg/kg IV). Kontraindiziert im akuten Schockgeschehen sind Medikamente, die aufgrund der Hypotension und Minderdurchblutung der Organe zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen – allen voran Kortison und nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs). Auch Antibiotika sollten erst nach Stabilisierung des Kreislaufs eingesetzt werden. Der Einsatz von Sedativa ist meist nicht nötig; er erschwert die Bestimmung des Therapieendpunktes (verbessertes Allgemeinverhalten) und belastet den Kreislauf potenziell. Eine Ausnahme ist der anaphylaktische Schock – hier wird Kortison als Therapie unterstützend eingesetzt, die Nebenwirkungen werden in Kauf genommen.
Im kardiogenen Schock zeigen die Tiere meist Atemnot in Zusammenhang mit kongestivem Herzversagen. Die Therapie ist abhängig von der Grunderkrankung, Flüssig­keitstherapie ist eher kontraindiziert. Die Therapie der Wahl im selten auftretenden obstruktiven Schock ist die Behandlung der Grunderkrankung, z. B. Perikardiozentese. Alle Medikamente werden intravenös über einen Venenkatheter verabreicht – intramuskuläre und subkutane Gabe sind aufgrund der Zentralisierung des Kreislaufs und der daraus resultierenden Minderdurchblutung der peripheren Gewebe keine verlässlichen und für die Therapie des Schocks zielführenden Methoden.

 

LITERATUR

Boag, A., 2015. Shock Assessment and Treatment (Basic). In: 40th WSAVA Conference. [online] Available at: <https://www.vin.com/apputil/content/defaultadv1.aspx?pId=14365&catId=73680&id=7259218> [Accessed 9 November 2020].