ÖTK-Zukunftstalk

Am Puls der Zeit

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Die Covid-19-Krise und ihr ­Bezug zur Berufspolitik der Tierärzte standen an einem Freitag, dem 13. im Mittelpunkt einer virtuellen Livediskussion. VertreterInnen des ÖTK-Vorstands standen gemeinsam mit dem prominenten Virologen Univ.-Prof. Dr. Nowotny für Publikums­fragen zur Verfügung.

An Aktualität nicht zu überbieten war der erste „ÖTK-Zukunftstalk“ zum Thema „Welche Auswirkungen hat die Covid-19-Pandemie auf den Berufsstand der Tierärzte?“, der am Freitag, dem 13. November 2020, live auf der Tierärztekammer-Website übertragen wurde.

Dabei stand einer der derzeit landesweit gefragtesten ­Viro­logen, Univ.-Prof. Dr. Norbert Nowotny von der Veteri­närmedizinischen Universität Wien, seinem Publikum Rede und Antwort und berichtete über ­seine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zum neuartigen Coronavirus. Spezielle Brisanz gewann die virtuelle Livesendung vor allem, weil am Vortag die Ampelkommission getagt hatte und am Tag darauf (Anm. d. Red.: Samstag, 14. 11. 2020) die Verschärfungen der Covid-19-Maßnahmen seitens der Regierung veröffentlicht wurden. Angesichts dieser Aktualität erreichte die ÖTK-Öffentlichkeitsarbeit eine Vielzahl an Publikumsfragen, die der ehemalige ORF-Moderator Gerald Groß aus Zeitgründen nicht alle an Professor Nowotny richten konnte. Dennoch wurde der Großteil beantwortet – besonderes Augenmerk galt auch der Feststellung, dass die Rolle der TierärztInnen in ­dieser Pandemie eine ganz wichtige ist, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Verantwortung, die sie im Rahmen ihres Gesundheitsberufs wahrnehmen. Die gesetzlich ­verankerte Systemrelevanz der TierärztInnen sei zugleich auch ein Stabilitätsfaktor, wenn man die wirtschaftliche Situation in der Tierärzteschaft betrachtet. „Wir durften trotz massiver Einschränkungen in anderen Wirtschaftsbereichen unsere Praxen weitgehend offen halten und konnten damit die tierärztliche Versorgungssicherheit ­gewährleisten“, unterstrich ÖTK-Präsident Mag. Kurt Frühwirth und betonte, dass dies im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien und Portugal sehr positiv sei und die unverzichtbare Position der TierärztInnen in Österreich aufzeige.  

Angesprochen auf die Rolle der Tierärztekammer während der Krise betonte Präsident Frühwirth: „Die Kammer bietet ihren Mitgliedern einen ­vertrauensvollen Rückhalt, sei es zu arbeitsrechtlichen Themen zur Kurzarbeit oder zu Fragen der Quarantäne – wir sind für die Kollegenschaft da und unterstützen sie in dieser Krise individuell und wo wir können!“ Wie auch die rasche Reaktion der Tierärztekammer während des ersten Lockdowns im Frühjahr gezeigt hat, stelle man seitens der Kammer durch beispielsweise angebotene Stundungen oder Maßnahmen im Bereich des Notstandsfonds individuelle Soforthilfepakete für einzelne Mitglieder bereit. „Wir können keine pauschalen Reduk­tionen anbieten, aber wir helfen jenen, die es dringend benötigen“, sagte Frühwirth. Auf die Vorteile der (weiblichen) selbstständigen Tätigkeit ging ÖTK-Vizepräsidentin Dr. Gloria Gerstl-Hejduk ein und sagte: „Ein großer Motivator für die Selbstständigkeit ist die freie Zeiteinteilung.

Diese ist gerade jetzt in der Krisensituation und vor allem auch für Mütter ein ­großer Vorteil. Jungen Tier­ärztinnen rate ich im Besonderen, in einer Gemeinschaftspraxis tätig zu sein.“ Denn wenn man von Work-Life-Balance spreche und auch familiäre Verpflichtungen berücksichtige, dann könne man dies mit KollegInnen gemeinsam besser regeln als in einer Einzelpraxis als EinzelkämpferIn. Kooperation sei das Schlagwort der Stunde – es stellt aus Sicht der Vizepräsidentin das Arbeitsmodell der Zukunft dar. „Leider muss man sagen, dass die Vereinbarkeit von ­Familie und Beruf nach wie vor auf den Schultern der Frauen lastet; dies hat uns diese Krise deutlich gezeigt, und sie hat die Situation durchaus auch verschärft.“ Gerade im Hinblick auf die Schulschließungen und das Homeschooling waren und sind es die Frauen, die unter einer immensen Mehrfachbelastung leiden. Die Gleichstellung zwischen Mann und Frau stehe und falle mit dem Angebot der Kinderbetreuung. Auf die Frage, wie es mit dem Weiter­bildungsangebot der Tierärztekammer im Rahmen der VETAK weitergehe, betonte Dr. Gerstl-Hejduk, dass das Fortbildungsangebot weitreichend von Präsenz- auf Onlineveranstaltungen umgestellt werde. „E-Learning und Webinare sind in Vorbereitung, auch die Bildungsordnung wurde entsprechend geändert, damit diese Onlineveranstaltungen auch vermehrt angerechnet werden können.“

Erfahrungen aus der Nutztierpraxis

Wie es den PraktikerInnen aus dem Nutztierbereich bisher ergangen ist, erläuterte ÖTK-Vizepräsident Mag. ­Dietmar Gerstner, der selbst aus einer vom Corona­virus schwer betroffenen Region im Salzburger Pongau kommt. Der Vizepräsident dazu: „Die Arbeits­situation in den Ställen ist mit ausreichend vorgenommenen Schutzvorkehrungen durchaus mit einem Normal­betrieb vergleichbar. Wir können uns als systemrelevanter Beruf frei bewegen und daher auch entsprechend unserer Arbeit nachgehen.“

Angesprochen auf die europäische Situation der Tier­ärztInnen antwortete Mag. Gerstner – der auch Delegierter der Federation of Veterinarians of Europe (FVE) ist –, dass die Grundstimmung derzeit besser sei als während des ­ersten Lockdowns im Frühjahr, wo die Umsatzeinbußen katastrophal gewesen seien. Die derzeit geltenden Lockdowns in den einzelnen Ländern seien diesmal auch nicht so strikt wie zuvor. Auch die Akzeptanz der TierärztInnen als systemrelevanter Beruf habe durchaus Anerkennung gefunden. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern haben österreichische TierärztInnen mit ihrem streng regulierten Beruf, der auch gesetzlich verankert ist, eine Sonderstellung, so Gerstner.

ÖTK-Vizepräsidentin Dr. Andrea Wüstenhagen, die als Pferdetierärztin tätig ist, konstatierte, dass sich die Auswirkungen des ersten Lockdowns und auch der Pandemie allgemein aus ihrer beruflichen Sicht kaum auf die Pferdepraxis niedergeschlagen haben. „Generell ist die Nachfrage sehr groß – sei es, weil sich die Leute mehr Tiere anschaffen oder aber auch mehr Zeit für ihre Pferde haben“, so Wüstenhagen.

Wie es den angestellten TierärztInnen während der ­Coronakrise bisher ergangen ist, berichtete ÖTK-Vizepräsidentin Mag. Sabine Eigelsreiter-Scharl, die auch Angestelltenvertreterin ist: „Man hat deutlich gemerkt, dass viele Kolleginnen und Kollegen Angst um ihren Arbeitsplatz hatten oder haben, es kam auch zu Kündigungen und Kollegen wurden auch in Kurzarbeit geschickt – diese Anspannung ist nach wie vor spürbar.“ Dennoch stelle sich ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, zuletzt auch, weil man festgestellt habe, dass die tierärztliche Arbeit dennoch gemacht werden muss; man sei dadurch auch bei den Angestellten wieder positiver gestimmt. Auch das neue Kurzarbeitsmodell der Regierung stoße auf Zuspruch, da der Zeitraum auf sechs Monate verlängert wurde und das Modell auch durchaus in Anspruch genommen wird.

In der Schlussrunde des ÖTK-Zukunftstalks ­wurde Präsident Mag. Frühwirth auf das Thema Pensionierungen angesprochen, die womöglich durch die derzeitige Krise hintangestellt werden müssen, und antwortete: „In dem einen oder anderen Bereich wie etwa der Fleischuntersuchung am Schlachthof kann man es vermutlich nicht ausschließen, dass bereits pensionierte Kolleginnen und Kollegen noch oder wieder tätig werden müssen. Ich kann mir vorstellen, dass es hier regional unterschiedliche Engpässe gibt und die Kolleginnen und Kollegen nochmals einspringen werden müssen. Ich nehme an, dass sie dies auch gerne tun werden.“  

Im Hinblick auf die Digitalisierung in der Veterinär­medizin und im Speziellen auf die neuen digitalen Kommunikationsformen stellte der ÖTK-Präsident fest, dass abseits der bereits gängigen Kommunikationsmittel wie E-Mail oder WhatsApp auch die Telemedizin bzw. die Telekonsultation einen Schub bekommen könnte – dennoch warnte er vor Euphorie: „Es gibt hier rechtliche Grenzen, es gilt das Fernbehandlungs- und auch das Ferntherapieverbot“ – beides schränke die Entwicklung solcher Formate deutlich ein. Nur eine entsprechende Gesetzesanpassung könne die Tierärzte vor Haftungs- oder Datenschutzproblemen bewahren – doch Erstere müsse man zuvor umsetzen.

In seinen Abschlussworten sprach der ÖTK-Präsident ­seiner Kollegenschaft Mut und Zuversicht für die Zukunft zu, erinnerte an die Verantwortung und Kompetenz, die jede Tierärztin, jeder Tierarzt aufgrund seines Berufes habe, und appellierte an den Optimismus und die Kreativität eines jeden Einzelnen sowie auch an den Zusammenhalt in der Kollegenschaft.

Zur Freude der ÖTK-Öffentlichkeitsarbeit berichteten auch einige österreichische Medien und Tageszeitungen über den ÖTK-Zukunftstalk!