Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 12/2020 – 01/2021
Wer hätte gedacht, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Pandemie und einer weitreichenden Digitalisierung in der Tierärzteschaft geben könnte? Das Jahr 2020 und im Speziellen der diesjährige bpt-Kongress haben uns dies vor Augen geführt und praktisch ein neues Zeitalter eröffnet: Für 2.200 angemeldete Tierärztinnen und Tierärzte hieß es zu Beginn am Donnerstag, dem 19. November 2020, „Pforten auf!“ zu Europas erstem digitalem Praktikerkongress. Auf der Kongressplattform eingeloggt konnte man direkt die Hallen der Fach- und Jobmesse besuchen sowie die On-Demand-Vorträge auf den Fortbildungs- und Berufspolitik-Bühnen abrufen. Schon die ersten Live-Fortbildungen zur Kleintieranästhesie zählten mehr als 400 BesucherInnen, und die virtuelle Veranstaltung zum Controlling im Rahmen der Praxisführung besuchten rund 100 TeilnehmerInnen. „Mit dieser hohen Besucherzahl zum Auftakt unserer Live-Webinar-Reihe haben wir überhaupt nicht gerechnet. Das hat uns wirklich überrascht und natürlich sehr gefreut“, kommentierte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder den unerwarteten Erfolg. „Bei einer Präsenzveranstaltung hätten so viele Besucher gar keinen Platz in den Vortragsräumen gefunden. Die digitale Welt bietet ganz offensichtlich auch eine Menge Vorteile – sosehr sich viele auch eine Präsenzveranstaltung gewünscht hatten“, so Moder weiter.
Offiziell eröffnete der bpt-Präsident den einwöchigen Kongress abends am Donnerstag, dem 19. November 2020, live aus dem Studio in der bpt-Geschäftsstelle in Frankfurt mit der Begrüßung der europäischen und nationalen Ehrengäste und einem kurzen Statement zu den wesentlichen Aktivitäten des bpt insbesondere im Zuge der Coronakrise. Der Präsident des Europäischen Tierärzteverbandes, Dr. Rens van Dobbenburgh, überbrachte live zugeschaltet die besten Grüße und Wünsche im Namen der europäischen Tierärzte. In der anschließenden berufspolitischen Diskussionsrunde widmete man sich dem Thema, wie die PraktikerInnen durch die Coronakrise gekommen sind und was sich aus dem Lockdown für die Zukunft lernen lässt. Eingebunden waren die KongressteilnehmerInnen per Chat, sodass die Diskussion tatsächlich wie eine Präsenzveranstaltung funktioniert hat. Und auch das war eine Überraschung: Durchschnittlich nahmen rund 700 Tierärztinnen und Tierärzte an der Veranstaltung am ersten Kongressabend teil.
Die Erfahrungen der deutschen KollegInnen, wie sie mit ihren Praxen durch den ersten Lockdown gekommen sind und was sie für die kommende Zeit erwarten, deckten sich mit den Ergebnissen der bpt-Frühjahrsumfragen: Für rund zwei Drittel lief es 2020 gut oder sogar besser als im Vorjahr. Etwa die Hälfte der Befragten ist optimistisch, dass sie gut durch die Krise kommen werden, sie erwarten sogar weiteres Wachstum; rund 45 Prozent dagegen eine längere, aber nicht bedrohliche Phase der Stagnation. Diese Ergebnisse ließen sich auch aus österreichischer Sicht bestätigen – ÖTK-Präsident Mag. Kurt Frühwirth dazu: „Die Umfrage, die die Österreichische Tierärztekammer im Frühjahr 2020 durchgeführt hat, belegt ebenso, dass auch die österreichischen TierärztInnen einigermaßen glimpflich durch die Krise gekommen sind. Zu unserem Vorteil wirkte sich aus, dass Tierarztordinationen und Kliniken von Schließungen nicht betroffen waren.“ Anders dürfte es in den europäischen Nachbarländern, insbesondere in Großbritannien, aussehen: Die Praxen in anderen Ländern durften nur die Notfallversorgung durchführen und mussten hohe Umsatzeinbußen hinnehmen. Gefragt nach besserer Vorbereitung auf ähnlich einschneidende Situationen in der Zukunft wurde u. a. vorgeschlagen, die Praxisstrukturen zu überdenken, die Hygienevorkehrungen zu verbessern und die Kommunikationswege auf digitale Kanäle umzustellen. Letzteres führte sogleich zum Thema Telemedizin, das auch ÖTK-Präsident Mag. Frühwirth in seiner digitalen Sprechstunde im Rahmen des Standprogramms der Österreichischen Tierärztekammer aufgriff: „Wir müssen hier klar zwischen den vielfältigen Möglichkeiten der Telekommunikation und einem rechtlich abgesicherten Reglement im Hinblick auf telemedizinische Behandlungen unterscheiden. Schließlich geht es auch immer um die Frage der tierärztlichen Haftung – hier möchten wir für österreichische TierärztInnen juristische Sicherheit erlangen und prüfen auch derzeit die entsprechenden Möglichkeiten. Aber eines steht fest: Die Telemedizin muss in tierärztlicher Hand bleiben und darf auf keinen Fall von Wirtschaftsinteressen der Industrie oder gar von Berufsfremden überlagert werden. Dafür setzen wir uns ein.“
Das digitale Programm der Tierärztekammer umfasste Live-Videochats mit dem Vorstand, dem Kammeramt und den Wohlfahrtseinrichtungen der ÖTK, den VETART-Kunstdialog mit Dr. Karl Bauer, das Webinar „Lokalanästhesie beim Großtier“ in Kooperation mit Richter Pharma, das Webinar „Mentale Gesundheit“ mit Gesundheitscoach Claudia Haas und den Livestream des „ÖTK-Zukunftstalks. Zur Zufriedenheit des Veranstalters zählte der erste digitale bpt-Kongress insgesamt 3.070 TeilnehmerInnen.