Neue Erkenntnisse zur Therapie von Hunden

mit kongestivem Herzversagen und zugrunde liegender Mitralklappendokardiose

Gerhard Wess, Jan-Gerd Kresken, Ralph Wendt, Juliane Gaugele, Markus Killich, Lisa Keller, Julia Simak, Peter Holler, Alexander Bauer, Helmut Küchenhof, Tony Glaus

Im Juli 2020 wurde im „Journal of Veterinary Internal ­Medicine“ eine Studie im Open Access veröffentlicht, die in Zusammenarbeit aus der Forschung des Leiters der kardio­logischen Abteilung der medizinischen Kleintier­klinik der LMU München, Prof. Gerhard Wess, und des Leiters der kardiologischen Abteilung der Klinik für Kleintiermedizin der UZH (Universität Zürich), Prof. Tony Glaus, entstand. Ziel dieser sogenannten Valve-­Studie war es, herauszufinden, ob die Zugabe von Ramipril zur Kombi­nationstherapie bestehend aus Furosemid und Pimo­bendan bei Hunden mit ­Mitralklappenendokardiose einen Unterschied im Hinblick auf die Mortalität und die Prognose macht.


Die Mitralklappenendokardiose – eine häufige Erkrankung mit schwerwiegenden Folgen

Die Mitralklappenendokardiose ist bekanntlich die häufigste Herzerkrankung bei kleinen Hunden; mit ­steigendem Alter steigt auch das Risiko dieser Erkrankung. In ihrem Endstadium entwickelt sich ein kongestives Herzversagen, die Hunde zeigen Symptome eines Lungenödems, und die meisten Tiere sterben trotz Therapie innerhalb eines Jahres nach der ersten Episode. Unklar bleibt, welches Therapieprotokoll der optimalen Behandlungsstrategie entspricht. Es gab bereits Studien, welche gezeigt haben, dass die Kombination aus dem kontraktilitäts­fördernden und blutdrucksenkenden Wirkstoff Pimobendan und dem entwässernden ­Furosemid der Kombination aus dem blutdrucksenkenden Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer) und Furosemid bei der Behandlung von Hunden mit Mitralklappen­endokardiose und kongestivem Herzver­sagen überlegen ist. Die aktuellen Guide­lines des American College of Veterinary Internal Medicine (ACVIM) empfehlen für die Therapie der Mitralklappen­endokardiose die Gabe einer Triple-Therapie, bestehend aus ­Diuretika, Pimobendan und ACE-Hemmern. Allerdings gab es bisher keine Studien, welche untersucht haben, ob die Zugabe eines ACE-Hemmers zu Pimobendan und Furosemid einen zusätzlichen Benefit bringen könnte. Das Ziel dieser Studie war es nun also, herauszufinden, ob die Zugabe des ACE-Hemmers Ramipril zur Dual-Therapie mit Pimobendan und Furosemid einen positiven Effekt im Hinblick auf die Mortalität und die Prognose von Hunden mit Mitralklappen­endokardiose und kongestivem Herzversagen hat.

Der Studienaufbau

Es nahmen insgesamt 156 Hunde an der Studie teil, ­welche zwischen 2005 und 2015 an vier Tierkliniken mit spezialisierten Veterinärkardiologen in Deutschland bzw. der Schweiz vorgestellt worden waren. Alle zeigten eine ­Mitralklappenendokardiose, die erste Episode eines Lungenödems, ein Herzgeräusch und klinische ­Symptome eines dekompensierten kongestiven Herzversagens (­Tachypnoe, Dyspnoe). Prospektiv – im Vorhinein – ­wurde jeder Hund nach dem Zufallsprinzip einer der zwei Behandlungs­gruppen zugeordnet: Entweder bekam der Patient eine Triple-Therapie, bestehend aus Furosemid, Pimobendan und Ramipril, oder er erhielt eine Dual-Therapie, bestehend aus Furosemid und Pimobendan. Die Untersucher waren verblindet; sie wussten nicht, in welcher Gruppe das jeweilige Tier war. Nach der Erst­untersuchung wurden die Tiere an Tag sieben, Tag 28 und dann alle drei Monate wieder untersucht. Die primären Endpunkte der Studie waren durch den Tod (spontan oder durch Euthanasie aufgrund eines Herzversagens) oder ein Therapieversagen (Symptome eines kongestiven Herzversagens trotz hoher Dosen von Diuretika) definiert.

Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie

Von den 156 Hunden erhielten 77 Hunde die Dual-Therapie und 79 die Triple-Therapie. 136 Hunde (87,2 %) erreichten den Endpunkt der Studie: 52,6 % wurden aufgrund eines Herzversagens euthanasiert, 30,1 % starben aufgrund eines Herzversagens spontan, 4,5 % erreichten den Endpunkt wegen Therapieversagens. Das mediane Zeitintervall zwischen der Erstvorstellung und dem Endpunkt war 214 Tage. Die restlichen 20 Hunde (12,8 %) waren entweder bei der Beendigung der Studie noch am Leben, wurden aufgrund nicht kardialer Ursachen euthanasiert oder wegen Noncompliance der Besitzer von der Studie ausgeschlossen. Das wichtigste Ergebnis der Studie war, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Therapiegruppen im Hinblick auf das Erreichen der Endpunkte festgestellt wurden. Sowohl die Anzahl der Tiere, die die verschiedenen Endpunkte erreicht haben, als auch die mediane Zeitspanne bis zum Erreichen ­ebendieser zeigten im Vergleich keine signifikanten Unterschiede (­siehe Tabelle 3, Abb. 1).

Das mediane Zeitintervall bis zum Erreichen eines primären Endpunkts war in der Dual-Therapie-Gruppe sogar etwa zwei Monate länger, die Hunde hatten also eine höhere Lebenserwartung, wobei dieser Unterschied nicht statistisch signifikant war. Ramipril ­wurde in der Studie in einer Dosierung verwendet, welche ­höher als die vom Hersteller empfohlene Dosierung war, der Einfluss einer Unter­dosierung des Medikaments auf die Studienergebnisse ist somit unwahrscheinlich. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass die zusätzliche Gabe eines ACE-Hemmers zur Kombinationstherapie von Diuretika und ­Pimobendan – so, wie es in den ACVIM Guidelines empfohlen wird – wohl ­keine positiven Effekte bezüglich der durchschnittlichen Überlebenszeit von Hunden mit kongestivem Herzversagen aufgrund einer ­Mitralklappenendokardiose hat. Eine Triple-Therapie als Standardbehandlung scheint somit nicht medizinisch begründbar zu sein.

Ins Deutsche übersetzt von Vetjournal-Redakteurin
Mag. med. vet. Elisabeth Reinbacher.