Gerhard Wess, Jan-Gerd Kresken, Ralph Wendt, Juliane Gaugele, Markus Killich, Lisa Keller, Julia Simak, Peter Holler, Alexander Bauer, Helmut Küchenhof, Tony Glaus
Ausgabe 12/2020 – 01/2021
Im Juli 2020 wurde im „Journal of Veterinary Internal Medicine“ eine Studie im Open Access veröffentlicht, die in Zusammenarbeit aus der Forschung des Leiters der kardiologischen Abteilung der medizinischen Kleintierklinik der LMU München, Prof. Gerhard Wess, und des Leiters der kardiologischen Abteilung der Klinik für Kleintiermedizin der UZH (Universität Zürich), Prof. Tony Glaus, entstand. Ziel dieser sogenannten Valve-Studie war es, herauszufinden, ob die Zugabe von Ramipril zur Kombinationstherapie bestehend aus Furosemid und Pimobendan bei Hunden mit Mitralklappenendokardiose einen Unterschied im Hinblick auf die Mortalität und die Prognose macht.
Die Mitralklappenendokardiose ist bekanntlich die häufigste Herzerkrankung bei kleinen Hunden; mit steigendem Alter steigt auch das Risiko dieser Erkrankung. In ihrem Endstadium entwickelt sich ein kongestives Herzversagen, die Hunde zeigen Symptome eines Lungenödems, und die meisten Tiere sterben trotz Therapie innerhalb eines Jahres nach der ersten Episode. Unklar bleibt, welches Therapieprotokoll der optimalen Behandlungsstrategie entspricht. Es gab bereits Studien, welche gezeigt haben, dass die Kombination aus dem kontraktilitätsfördernden und blutdrucksenkenden Wirkstoff Pimobendan und dem entwässernden Furosemid der Kombination aus dem blutdrucksenkenden Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer) und Furosemid bei der Behandlung von Hunden mit Mitralklappenendokardiose und kongestivem Herzversagen überlegen ist. Die aktuellen Guidelines des American College of Veterinary Internal Medicine (ACVIM) empfehlen für die Therapie der Mitralklappenendokardiose die Gabe einer Triple-Therapie, bestehend aus Diuretika, Pimobendan und ACE-Hemmern. Allerdings gab es bisher keine Studien, welche untersucht haben, ob die Zugabe eines ACE-Hemmers zu Pimobendan und Furosemid einen zusätzlichen Benefit bringen könnte. Das Ziel dieser Studie war es nun also, herauszufinden, ob die Zugabe des ACE-Hemmers Ramipril zur Dual-Therapie mit Pimobendan und Furosemid einen positiven Effekt im Hinblick auf die Mortalität und die Prognose von Hunden mit Mitralklappenendokardiose und kongestivem Herzversagen hat.
Es nahmen insgesamt 156 Hunde an der Studie teil, welche zwischen 2005 und 2015 an vier Tierkliniken mit spezialisierten Veterinärkardiologen in Deutschland bzw. der Schweiz vorgestellt worden waren. Alle zeigten eine Mitralklappenendokardiose, die erste Episode eines Lungenödems, ein Herzgeräusch und klinische Symptome eines dekompensierten kongestiven Herzversagens (Tachypnoe, Dyspnoe). Prospektiv – im Vorhinein – wurde jeder Hund nach dem Zufallsprinzip einer der zwei Behandlungsgruppen zugeordnet: Entweder bekam der Patient eine Triple-Therapie, bestehend aus Furosemid, Pimobendan und Ramipril, oder er erhielt eine Dual-Therapie, bestehend aus Furosemid und Pimobendan. Die Untersucher waren verblindet; sie wussten nicht, in welcher Gruppe das jeweilige Tier war. Nach der Erstuntersuchung wurden die Tiere an Tag sieben, Tag 28 und dann alle drei Monate wieder untersucht. Die primären Endpunkte der Studie waren durch den Tod (spontan oder durch Euthanasie aufgrund eines Herzversagens) oder ein Therapieversagen (Symptome eines kongestiven Herzversagens trotz hoher Dosen von Diuretika) definiert.
Von den 156 Hunden erhielten 77 Hunde die Dual-Therapie und 79 die Triple-Therapie. 136 Hunde (87,2 %) erreichten den Endpunkt der Studie: 52,6 % wurden aufgrund eines Herzversagens euthanasiert, 30,1 % starben aufgrund eines Herzversagens spontan, 4,5 % erreichten den Endpunkt wegen Therapieversagens. Das mediane Zeitintervall zwischen der Erstvorstellung und dem Endpunkt war 214 Tage. Die restlichen 20 Hunde (12,8 %) waren entweder bei der Beendigung der Studie noch am Leben, wurden aufgrund nicht kardialer Ursachen euthanasiert oder wegen Noncompliance der Besitzer von der Studie ausgeschlossen. Das wichtigste Ergebnis der Studie war, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Therapiegruppen im Hinblick auf das Erreichen der Endpunkte festgestellt wurden. Sowohl die Anzahl der Tiere, die die verschiedenen Endpunkte erreicht haben, als auch die mediane Zeitspanne bis zum Erreichen ebendieser zeigten im Vergleich keine signifikanten Unterschiede (siehe Tabelle 3, Abb. 1).
Das mediane Zeitintervall bis zum Erreichen eines primären Endpunkts war in der Dual-Therapie-Gruppe sogar etwa zwei Monate länger, die Hunde hatten also eine höhere Lebenserwartung, wobei dieser Unterschied nicht statistisch signifikant war. Ramipril wurde in der Studie in einer Dosierung verwendet, welche höher als die vom Hersteller empfohlene Dosierung war, der Einfluss einer Unterdosierung des Medikaments auf die Studienergebnisse ist somit unwahrscheinlich. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass die zusätzliche Gabe eines ACE-Hemmers zur Kombinationstherapie von Diuretika und Pimobendan – so, wie es in den ACVIM Guidelines empfohlen wird – wohl keine positiven Effekte bezüglich der durchschnittlichen Überlebenszeit von Hunden mit kongestivem Herzversagen aufgrund einer Mitralklappenendokardiose hat. Eine Triple-Therapie als Standardbehandlung scheint somit nicht medizinisch begründbar zu sein.
Ins Deutsche übersetzt von Vetjournal-Redakteurin
Mag. med. vet. Elisabeth Reinbacher.