Im Blickpunkt:

Innere Medizin bei Nagetieren

Bettina Kristof

Gesundheit von Nagetieren: Die Ansprüche der beliebten Haustiere werden oftmals unterschätzt. Dr. Gertrude König von der Nagetierambulanz gibt Einblick in ihre tägliche Arbeit mit Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und Degus.

In jüngster Zeit erfreuen sich Nagetiere wie ­Kaninchen, Hamster und Co steigender Beliebtheit. Was ­vielen nicht bewusst ist: Die kuscheligen Vierbeiner brauchen mehr Pflege und Aufmerksamkeit als beispielsweise Hunde oder Katzen und sind sehr anspruchsvoll, was die Fütterung ­betrifft. Auch wenn sie krank sind, macht sich das anders bemerkbar als bei „Kollegen“ im Kleintierbereich. Wir interviewten dazu Dr. Gertrude ­König, die die Nagetierambulanz in Inzersdorf leitet.

Frau Doktorin König, Sie haben sich auf die Behand­lung von Nagetieren spezialisiert. Wie kam es dazu?
Ich hatte bereits während meines Studiums Laborkaninchen, welche von der Uni an Studenten abgegeben wurden, sobald sie nicht mehr benötigt wurden. Damals gab es noch kaum Tierärzte, die sich mit Nagern wirklich gut auskannten. Diese Spezies spielte damals eine untergeordnete Rolle. Um die eigenen Kaninchen besser behandeln zu können, habe ich mir amerikanische Fachliteratur ­schicken lassen und mich immer mehr in das Thema vertieft. In den USA war man in der tierärztlichen Betreuung der Nager und Hasenartigen schon wesentlich weiter als wir in Europa. Ich bin also durch die eigenen Kaninchen in die Sache hineingewachsen und habe vor 15 Jahren mit der Nagerambulanz begonnen, in der ich ausschließlich Nagetiere und Hasenartige betreue. Selber besitze ich ­zahlreiche Kaninchen und übernehme immer wieder welche aus unterschiedlichen Projekten, die ich an geeignete Halter weitergebe, die ich persönlich kenne.

Welche Erkrankungen der inneren Organe treten Ihrer Erfahrung nach bei Nagetieren besonders häufig auf?
Die häufigsten inneren Erkrankungen sind Harnblasenentzündungen durch Harnblasengrieß und -steine oder Nierengrieß und -steine. Die Ursache dafür liegt in mehreren Komponenten: Einerseits ist es oft ein Ernährungsfehler, wenn zu viel kalziumreiches Futter angeboten wird, etwa Trockenkräuter oder luzernehaltige Futtermittel. Dazu kommt, dass Nager einen anderen Stoffwechsel als Fleischfresser haben – das überschüssige Kalzium wird über die Niere und die Blase abgebaut, sodass diese Tiere aufgrund ihrer Physiologie immer einen leicht trüben Harn haben, mit einem geringen Anteil an Kristallen. Andererseits liegt auch eine gewisse genetische Komponente vor, respektive trinken manche auch zu wenig; es gibt richtige Trinkmuffel unter den Nagetieren. Nach Harnwegs­erkrankungen folgen Lungenerkrankungen, wobei da das Symptom Niesen im Vordergrund steht. Dem liegen Lungeninfektionen, allergische Reaktionen auf Heu, Einstreu oder chemische Umweltreize – etwa allzu scharfe und stark riechende Putz- und Desinfektionsmittel –, aber auch oftmals Zahnerkrankungen zugrunde.

Gibt es bei Nagern auch „Zivilisationserkran­kun­gen“ wie Diabetes, Adipositas oder Bluthochdruck?
Adipositas schon – wenn die Nager zu viel oder falsch gefüttert werden und dadurch verfetten und gleichzeitig zu wenig Bewegung machen. Bluthochdruck wird bei Nage­tieren kaum diagnostiziert. Diabetes kommt selten vor, und wenn, dann in einer familiären Häufung. Da liegt also dann eher eine genetische Disposition vor.

Leiden Nagetiere an Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten häufiger auf als ­Diabetes, aber nicht sehr oft. Wenn mir ein Nagetier mit dieser Problematik vorgestellt wird, dann schicke ich es zur Abklärung zum Herzultraschall.

Gibt es sonst noch spezifische interne Erkrankungen bei Nagern?
Gynäkologische Probleme wie Gebärmutterveränderungen und bösartige Gebärmuttertumoren treten beim weiblichen Kaninchen recht oft auf. Kaninchen leiden auch ­häufiger an Hämometra, Mucometra und ­Pyometra. Wenn man die weiblichen Kaninchen jung kastrieren lässt, kann man diesen Erkrankungen vorbeugen. Deshalb empfehle ich meinen Klienten die präventive Kastration, wenn die Kaninchen circa ein halbes Jahr alt sind. Dadurch kommen diese Krankheitsbilder in meiner Ordination kaum vor, höchstens bei Tieren, die erst später zu mir kommen und noch nicht kastriert sind. Es gibt auch Studien, denen zufolge 80 Prozent der über zweijährigen weiblichen Kaninchen an Tumoren erkranken, wenn sie nicht kastriert sind. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen von früher, als die Kastration der weiblichen Kaninchen noch nicht so gängig war.

Welche Nager behandeln Sie hauptsächlichin der Nagerambulanz?
80 Prozent sind Kaninchen, 15 Prozent Meerschweinchen; der Rest setzt sich aus Ratten und Degus zusammen. Bei den Meerschweinchen sind Eierstock­zysten ein Thema – wenn sie nicht sehr groß sind, kann man sie in Ruhe lassen, wenn sie allerdings so groß wie ein Semmelknödel sind, dann kastriere ich das Tier. Ratten haben häufig respiratorische Probleme wie Lungenentzündungen, gefolgt von Mammatumoren. Bei den Degus sehen wir hauptsächlich massive Zahnprobleme, gefolgt von gelegentlichen Lungenproblemen.

Worauf sollten Tierbesitzer aufpassen? Wie können sie rechtzeitig erkennen, ob ihr Tier eine Krankheit ausbrütet?
Tierhalter sollten auf das Fressverhalten achten, es spiegelt den Gesundheitszustand des Nagers wider. Nagetiere sind grundsätzlich am Futter interessiert; normalerweise kommen sie, wenn man etwas Fressbares bringt. Wenn sie desinteressiert sind, nicht fressen oder ruhiger sind und sich zurückziehen, dann brüten sie etwas aus. Wenn ein Nager nicht frisst, sollte man zum Tierarzt gehen. Sie haben einen heiklen Stoffwechsel und müssen ständig fressen. Wenn sie kein Futter mehr zu sich nehmen, kommen sie schnell in einen lebensbedrohlichen Zustand.

Haben Sie eine Empfehlung, worauf Tierärzte bei Nagetieren achten sollten?
Meiner langjährigen Erfahrung nach sind die Zähne der größte Schwachpunkt der Nager. Das ist auch bei Feldhasen und Wildkaninchen so. Daher kann man nicht von einer Zivilisationskrankheit sprechen – das Zahnthema ist auch stark genetisch bedingt, jedoch spielt die richtige Ernährung auch eine wesentliche Rolle. Wenn ein Kaninchen nicht frisst, liegt es häufig an einem Zahnproblem. Ich schaue mir immer das Fell an: Wenn es darin „Zopferl“ und kleine Filze gibt, dann kommt das oft vom Speichel, der durch diverse Zahnprobleme vermehrt gebildet und beim Putzen dann über das Fell verteilt wird. Ebenso wichtig ist meiner Meinung nach ein kurzer Blick auf die Schneidezähne, dieser ist oft schon recht aufschlussreich. Die regelmäßige Gewichtskontrolle ist ebenfalls sehr wichtig: Wenn ein Kaninchen zum Beispiel 200 Gramm weniger hat als beim letzten Termin, dann gehe ich auf Fehler­suche. Meistens liegt es an den Zähnen, die zweithäufigste Ursache ist ein Blasen- oder Nierenproblem, gefolgt von der Lunge.