Geht’s dem Bauern gut, geht’s den Tieren gut –

und umgekehrt!

Dr. Karl Bauer
TGD-Geschäftsführer Steiermark und FTA für Tierzucht

Soziale und gesellschaftliche Veränderungen, die Öffentlichkeit sowie das Konsumentenverhalten haben unmittelbare Auswirkungen auf landwirtschaftliche Betriebe. Die TGD-BetreuungstierärztInnen tragen dabei eine hohe Verantwortung.

Unter Gesundheit versteht man heute das allgemeine Wohlbefinden und die Freiheit von Schmerzen, Leiden, Schäden und Angst. Dies gilt für Mensch und Tier gleichermaßen, kann aber nicht immer gewährleistet werden. Auf die ­tierische Materie nimmt das Bundestierschutz­gesetz (BTschG 2004) Bezug, das die gültigen Mindestnormen definiert und schützt. Die Ursachen von bekannt gewordenen Tierschutzfällen liegen bei Nutztieren ­heute – abgesehen von vorsätzlichem (Nicht-)Handeln – oft in menschlichem Versagen oder Überforderung. Die TGD-BetreuungstierärztInnen sind dabei als mitverantwortliche ExpertInnen ein wichtiges Bindeglied, wenn an den Tieren Schäden sichtbar werden und es um eine vertrauensvolle Beratung geht. Wenn der Amtstierarzt / die Amtstierärztin beigezogen wird und den Sachverhalt aufnimmt, kann er oder sie als Sachverständige/r nur die momentane Ist-Situation der Tiere erfassen und beurteilen. Seine/ihre Ergebnisse werden dann von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft juristisch beurteilt und eventuell weiterverfolgt. Die Bearbeitung des Falles hält sich dabei streng an die gültigen Gesetze.
Für manch ältere oder alleinstehende Bauern und Bäuerinnen sind Tiere oft die einzigen Lebewesen, zu denen sie noch einen ­intensiven Sozialkontakt ­haben. Nimmt man ihnen diese amtlich ab, scheint das bis ­dahin geführte ­Leben noch eintöniger zu werden, wenn es dazu keine Alternativen gibt.

Ingredienzien moderner Tierschutzfälle

Am Hof lebten früher zumeist mehrere Generationen, wo immer jemand auch außerhalb der Fütterungszeiten die Tiere versorgt, gepflegt und betreut hat. Heute sind die Bestände größer geworden und werden nur von wenigen Personen betreut, die bereits bei nur geringen Veränderungen an ihre Leistungsgrenzen stoßen und überfordert sind. Vieles kann zwar mit technischen Hilfsmitteln ausgeglichen werden, sie verhindern aber oft den direkten Blick auf das tatsächliche Geschehen. Es kann jeden Betrieb treffen! Dies gilt auch für Spitzenbetriebe, wenn sich durch Zeitmangel, Verschlechterung des Managements, Ausfall von Personal oder Technik der Arbeitsanfall bzw. der Gesundheits­zustand verschlechtert. Meist sinkt damit auch die Betreuungszeit je Tier ab, die Tieranzahl oder der Arbeitsumfang ist bzw. wird umgekehrt für die gegebenen ­Voraussetzungen zu hoch. Nach einigen Tagen/Wochen kann sich daraus ­bereits eine prekäre Situation entwickeln, die sich über das normale Maß gängiger Krankheiten und täglicher Ausfälle hinaus entwickelt.

Managementfaktoren entwickeln sich negativ

Dort, wo notwendige Investitionen in die moderne Tierhaltung fehlen oder nicht getätigt werden können, ­erhöhen sich die Risiken für die Tiere, darunter zu leiden oder Schäden zu entwickeln. Dieser größte Kostenfaktor steht zunehmend in der öffentlichen Diskussion, wenn es um Forderungen nach mehr Tierwohl geht und andererseits der Tierhalter / die Tierhalterin wirtschaftlich dazu alleine nicht in der Lage ist. Öffentliche Förderungen für Tierhaltungen zu gewähren ist heute eine politisch-gesellschaftliche Frage, die sich zunehmend an vielfältigen Ansprüchen orientiert, da die Schere zwischen laufenden Kosten und Erlös für die Produkte immer größer wird. Je nach Jahr kann es witterungsbedingt auch an Futter fehlen bzw. ist es teils qualitativ schlecht, da der Beruf des Bauern bzw. der Bäuerin immer noch eng mit der Natur verbunden ist.

Aus dem Leid des Menschen …

Menschliches Leid als Ursache des Übels, das die ­Tiere meist erst anhand der Auswirkungen betrifft, kann eine ­lange Vorgeschichte haben: Der Bauer lebt mit seinen ­Tieren allein, die Bäuerin ist aus sozialen Ursachen (Haushalt, Kinder, Pflege etc.) überfordert; nicht einmal die eigenen Familienangehörigen (können) unterstützen, sie arbeiten auswärts im Nebenerwerb oder sind erkrankt usw. – Nachbarn, Verwandte und Gemeinde schauen weg, da es heute nicht mehr überall den Zusammenhalt gibt wie seiner­zeit. Die Beiziehung von Sozialarbeitern, Ärzten oder Kriseninterventionsexperten könnte in dieser Lage zur Verbesserung der menschlichen Situation beitragen. Dabei kann auch der Betreuungstierarzt als Vertrauensperson aktiv werden – er ist oft eine wichtige persönliche Bezugs­gestalt. Das Bauernkrisentelefon ist dann eine gute Erfindung, solange man noch in der Lage ist, als Betroffener seine Lage realistisch einzuschätzen, und sich traut, sie aktiv zu artikulieren. Kurzfristige Arbeitsaushilfen werden von Vereinen und über die Maschinenringe angeboten.

… entsteht das Leid der Tiere

Zunehmende Betriebsblindheit führt zu einem Abstumpfen der Sinne, selektiver Wahrnehmung und mangelndem Erkennen kritischer Situationen. Der Betreuungstierarzt / die -tierärztin stellt bei den Betriebserhebungen schon seit Langem Mängel fest und redet jahrelang für diverse Verbesserungen, wird aber leider zumeist nicht gehört. Eine anonyme Anzeige oder ein Stalleinbruch (illegaler Zutritt!) bringt die Geschichte ins Rollen, Datenmaterial (Bilder, Filme …) gelangt an die Öffentlichkeit. Der/die zuständige Amtstierarzt/Amtstierärztin als Sachverständige/r stellt objektiv evtl. Tierschutzmängel gem. BTSchG/1.THVO fest, die Behörde kann einen unmittelbaren Mandatsbescheid erlassen. Sie hat auch die Möglichkeit, ein Verwaltungsstrafverfahren zu eröffnen oder den Fall an die Staatsanwaltschaft (StA) weiterzugeben. Eine mögliche Schlachtung der Nutztiere ist aus tierethischen Gründen oft nicht möglich, die Tiere müssen deshalb amtlich abgenommen, anderswo versorgt und gegen hohe öffentliche Kosten am Leben gehalten werden. Rechtsfreundliche Vertreter des Betroffenen können das Verfahren eventuell noch in die Länge ziehen.

Die Rolle des TGDs und seiner Betreuungs­tierärzte bzw. -tierärztinnen

Ähnlich der Gründerzeit des TGDs, der zu Beginn aus einem Arzneimittelskandal entstanden ist, steht heute der Tierschutz im emotionalen Zentrum der ­öffentlichen Aufmerksamkeit. Mit der Einbindung von tierspezifischen Indikatoren in die Betriebserhebungen hat der TGD auf diese Herausforderungen reagiert. Damit hat der Betreuungstierarzt / die Betreuungstierärztin ein Mittel zur Prozessoptimierung, das er bzw. sie mit dem Tierhalter respektive der Tierhalterin beraten kann. Gemäß der TGD-VO 2009 sind Fälle dann zu dokumentieren, wenn sich an den Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden zeigen oder Eingriffe nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Wird die Situation nach einem Fristenlauf nicht besser, ist der Fall an die Geschäftsstelle zu melden, die dann weitere Veranlassungen vornehmen kann. Im Rahmen der internen Weiterbearbeitung gibt es dazu die Möglichkeit, den Fall weiterzuverfolgen und Weiterbildungen bzw. externe Beratungen anzubieten. Als gern gesehener „Anwalt der Tiere“ kann der Betreuungstierarzt bzw. die Betreuungstierärztin nur wiederholt auf Abweichungen hinweisen, da er bzw. sie kein Amtsorgan, sondern eine vertrauensvolle Bezugs- und Beratungsperson ist, die auch in einer wirtschaftlichen Beziehung zum Tierhalter oder zur Tierhalterin steht.

In den letzten Jahren nehmen tier- und konsumenten­orientierte NGOs, Markenprogramme und Güte­siegel darüber hinaus immer mehr Tierwohlkomponenten in ihre Kampagnen auf. Ein derzeit laufendes Volksbegehren versucht, allgemein höhere Tierschutzstandards zu erreichen.

Tierleid wird öffentlich und subjektiv

Nutztiere weiden öffentlich, sind auf idyllischen Almen anzutreffen, werden transportiert, geschlachtet und in (Offen-)Stallungen gehalten. Überall dort bekommt man als Laie einen direkten Einblick in die näheren Umstände, die oft weit weg von pseudoromantischen Vorstellungen alter Zeiten und eher dem vorherrschenden Posthumanismus geschuldet sind. Eine objektiv-rechtliche Aussage zu vermeintlichen Tierschutzübertretungen kann weder ein Verein noch eine Privatperson, sondern nur der Amtstierarzt / die Amtstierärztin als Sachverständige/r treffen. ­Medien und NGOs greifen mögliche Tierschutzfälle ­gerne auf und skandalisieren sie oft als mangelndes Tierwohl in der Öffentlichkeit über das Maß hinaus. In einem tatsächlich schweren Tierschutzfall bezahlen die Tiere die Rechnung letzten Endes oft mit Schmerzen, Leiden, Schäden und eventuell dem Tod. Der Konsument lehnt folglich das herrschende landwirtschaftliche System ab, die gesamte Bauernschaft gerät wegen einiger „schwarzer Schafe“ in Verruf und das Image der gesamten Branche wird nachhaltig geschädigt.

Seuchen stehen vor der Tür!

Auch bei amtlich angeordneten Keulungen ganzer Bestände – wie sie uns eventuell bei Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest, der Geflügelpest oder anderer Seuchen bald wieder drohen könnten – ist eine tierschutzgerechte Vorgehensweise einzuhalten. Und auch an eine soziale oder psychische Betreuung der angehörigen Bauernfamilien ist – neben den wirtschaftlichen Entschädigungen – zu denken. Erfahrungen aus England zeigen, dass es während der Schweinepest- bzw. der BSE-Seuche trotz finanzieller Abgeltungen zu deutlich erhöhten Selbstmordraten in den betroffenen Bauernfamilien kam.

Prävention und Auswege

Um es erst gar nicht zu prekären Situationen kommen zu lassen, ist die Einhaltung der aktuell gültigen Normen und Gesetze wesentlich. Trotzdem kann es in der Praxis zu Momenten kommen, die von den TierhalterInnen Maßnahmen verlangen. Unheilbar kranke, therapieresistente Tiere müssen tierschutzgerecht notgetötet werden, um weiteres Leiden zu verhindern. Dazu gibt es genaue Vorschriften zu Betäubung, Tötung und Entsorgung, die man in TGD-Kursen erlernen kann (LFI-Broschüre!), da man als verantwortliche/r TierhalterIn jederzeit dazu in der Lage sein und die Techniken beherrschen sollte. Tatsächlich ist die qualifizierte Beobachtungs- und Betreuungszeit in Bezug zur Tieranzahl kurzfristig ein ­wichtiges Kriterium, um die Situation überhaupt erkennen zu können und aktiv zu werden. Wirtschaftliche, soziale und menschliche Gründe zeichnen sich meist längerfristig ab und könnten präventiv und unter Beiziehung externer ­Hilfestellungen bearbeitet werden. Besteht Gefahr für die Tiere, ist rasches Handeln angesagt, um Schmerzen, Leiden, Schäden, eine Abnahme oder Nottötung bzw. die Einleitung eines Strafverfahrens zu verhindern.