Covid-19

und Verhaltensstörungen bei Kleintieren

Bettina Kristof

Eine aktuelle Studie bestätigt, dass die Auswirkungen der anhaltenden Coronapandemie das Verhalten von Hunden und Katzen beeinflusst und vorhandenes Problemverhalten verstärkt haben.

Covid-19 und der Lockdown haben sich in unterschiedlicher Form auf uns ausgewirkt. In Zeiten des Verlustes von sozialen Kontakten wird die Beziehung des Menschen zum eigenen Tier noch wichtiger. Doch wie gehen Hund und Katze mit der erhöhten emotionalen Nähe und den Veränderungen durch Corona um? Wir befragten dazu Dr. med. vet. Nadja Affenzeller, Dip. ECAWBM (BM), die sich an der Universitätsklinik für Kleintiere, Klinische ­Abteilung für Interne Medizin Kleintiere, mit Verhaltensmedizin bei Hunden und Katzen beschäftigt.

Frau Doktorin Affenzeller, Covid-19 hat unser Leben massiv verändert. Gibt es schon eine Studie darüber, welche Auswirkungen diese Krise und der Lockdown auf uns Menschen und unsere Tiere haben?
Das völlig Neue an Covid-19 ist ja, dass diese Gefahr in Wahrheit uns alle betrifft. Zum ersten Mal wurde daher nicht eine Teilgruppe, sondern eine große Menschengruppe quer durch alle Bevölkerungsschichten untersucht. Es gibt zu dem Thema eine Studie aus Spanien, die drei Wochen nach Beginn des Lockdowns ebendort gemacht wurde. Die Studie heißt „The effects of the Spanish Covid-19 lockdown on people, their pets and the ­human-animal bond“ und wurde von Jonathan Bowen, Elena García, Patricia Darder, Juan Argüelles und Jaume Fatjó durchgeführt. An dieser Studie nahmen 794 ­Hunde- und 503 Katzenbesitzer teil. Es wurde vor allem untersucht, welche Auswirkungen das Vorhandensein von Haustieren auf die Lebensqualität ihrer Besitzer hat und welche Veränderungen bei den Tieren aufgetreten sind.

Diese Studie wurde in Spanien gemacht. Inwieweit ist sie mit der Situation in Österreich vergleichbar?
Spanien hatte ähnliche Lockdown-Bestimmungen wie wir: Die Restaurants, Kulturbetriebe und Geschäfte waren so wie bei uns geschlossen, nur die zur Abdeckung des täglichen Bedarfs nötigen waren geöffnet. Man musste zu Hause bleiben; nur Menschen, die essenzielle Arbeiten zu verrichten hatten, durften an ihre Arbeitsstätten. Für Hundebesitzer waren die Maßnahmen strenger als bei uns: In Spanien durfte nur eine Person mit dem Hund hinaus, es herrschte generelle Leinenpflicht, und Kontakte zu anderen Personen und Hunden mussten vermieden werden. Die Studie wurde mittels Onlinefragebogen durchgeführt.

Welche Ergebnisse hat die Studie in Bezug auf die Mensch-Tier-Beziehung gebracht?
Für mich wenig verwunderlich hat die Studie gezeigt, dass die Menschen mehr Interaktionen mit ihren Tieren hatten sowie eine intensivere emotionale Nähe verspürten. Ungefähr die Hälfte der Befragten gab zudem an, dass ihnen das Tier wesentlich dabei hilft, die Situation des Lockdowns besser zu bewältigen. Die Tierbesitzer wurden auch befragt, welche Konsequenzen der Lockdown für sie als Tierhalter hat. Die Hundebesitzer haben an erster Stelle von der Einschränkung beim Spazierengehen berichtet, die Katzenbesitzer waren wegen der tierärztlichen Versorgung und benötigter Medikationen verunsichert. 40 % der Tierhalter gaben an, dass sie sich Sorgen darüber machen, dass sich das Tier nicht an das Leben nach dem Lockdown anpassen wird, dass die tägliche Routine beeinflusst wird und dass sich die Situation auf die Gesundheit des Tieres auswirken könnte.

Sehen Sie diese Sorge als begründet an? Haben Sie diesbezüglich eine Botschaft an die Tierärzte?
Ich denke, in Österreich sind die Tiere auch in Covid-Zeiten gut versorgt. Es wäre allerdings gut, wenn die Tierärzte dies den Tierhaltern proaktiv kommunizierten. Die Botschaft an die Tierbesitzer sollte sein, dass die Tierärzte auch in Krisenzeiten für die Tiere da sind, unter Einhaltung aller verpflichtenden Maßnahmen. Bei uns in Österreich ist die Versorgung auf jeden Fall gegeben, und diese Sicherheit sollte den Tierhaltern kommuniziert werden.

Die Studie hat sich ja auch mit dem Problemverhalten von Hunden und Katzen beschäftigt. Zu welchen Ergebnissen ist man da gekommen?
Bei Hunden war Problemverhalten, das zugenommen hat, hauptsächlich vermehrtes Vokalisieren, Angst vor lauten und unerwarteten Geräuschen, trennungsbasierte Pro­bleme, Harn- und Kotabsatz im Haus oder auch Aggression gegenüber anderen Hunden während des Spazierengehens. Interessant ist, dass bei Hunden, die eine Verschlechterung ihrer Probleme gezeigt hatten, eine fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit gegeben war, dass alle Familienmitglieder zu Hause waren. Wenn sich die emotionale Nähe zum Tier während des Lockdowns verändert hat, dann ergab sich eine zweifach erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Problemverhalten verschlechterte.
Was allgemeine Verhaltensänderungen betrifft, haben 30 % der Befragten bei ihrem Tier keine Veränderungen festgestellt, aber 42 % haben bemerkt, dass sich bei ihren Tieren das Aufmerksamkeit suchende Verhalten erhöht hat. 25 % der Tiere waren nervöser, 21 % leichter erregbar, 18 % frustrierter, 16 % gestresster; insgesamt betrachtet eher beunruhigende Veränderungen. Nur 11 % wurden als entspannter und 8 % als ruhiger beschrieben.

Und wie hat sich das Problemverhalten bei Katzen verändert?
Katzen kommen mit den Veränderungen durch den Lockdown offenbar besser zurecht: 57 % der Katzenbesitzer gaben an, dass sich die Lebensqualität der Katzen verbessert hat, nur bei 8 % hat sie sich verschlechtert. 50 % meinten, dass sich die Beziehung zur Katze nicht verändert hat, 46 % bemerkten eine Verbesserung, 2 % eine Verschlechterung. 6 % der Katzen reagierten mehr als sonst auf laute Geräusche, 3 % versteckten sich mehr beziehungsweise mieden den Kontakt zu Menschen verstärkt. Das heißt aber nicht, dass kein Problemverhalten vorhanden war: 71 % der Katzen fürchten sich vor Geräuschen und 50 % verstecken sich häufig beziehungsweise meiden Menschen – die Verschlechterungen im Lockdown waren jedoch nur marginal.

Bei den allgemeinen Verhaltensänderungen war nur das Aufmerksamkeit suchende Verhalten mit 36 % deutlich vermehrt. Interessant ist, dass, wenn die Tierhalter die emotionale Nähe zum Tier erhöht haben, sich die allgemeinen Verhaltensweisen bei manchen Katzen signifikant verschlechtert haben. Dies zeigt, dass einige Katzen keinen engen beziehungsweise vermehrten Sozialkontakt mit Menschen wollen.

Was sind nun die zentralen Erkenntnisse, die die Studie gebracht hat?
Verhaltensänderungen waren bereits nach drei Wochen Lockdown bei Hund und Katze sichtbar und auch relativ häufig. Durch den Lockdown wurde von keinem neuen Problemverhalten berichtet, bereits vorhandenes hat sich jedoch bei einigen Tieren, vor allem Hunden, verschlechtert. Es gab aber zum Teil deutliche Veränderungen im allgemeinen Verhalten. TierhalterInnen sollten diese im Auge behalten, weil sich daraus über die Zeit durchaus ein Problemverhalten entwickeln kann. Besonders hervorzuheben ist, dass Stresssymptome der Katze oftmals durch eine Reduktion und nicht durch eine Zunahme von Verhaltensweisen ausgedrückt werden, was Besitzer erfahrungsgemäß oft weniger wahrnehmen. Es gibt einige Katzen, die nicht viele Sozialkontakte wollen – während des Lockdowns gab es weniger Besuche, das kann sich durchwegs positiv auf diese Katzen auswirken.

Weiters zeigte sich bei der Studie, dass die Situation bei Hunden und Katzen dann am dramatischsten war, wenn alle Familienmitglieder zu Hause waren und keiner im Homeoffice gearbeitet hat. Ursächlich werden vor allem die reduzierte Lebensqualität der TierbesitzerInnen und dadurch mehr Konflikte und Spannungen im Haushalt vermutet. Es gab aber auch mehr Zeit, um mit dem Tier zu interagieren. Vor allem taktiles Verhalten bewirkt beim Menschen eine messbare Stressreduzierung. Dem Menschen tut das Streicheln seines Tieres gut, es hilft ihm bei der Stressbewältigung. Vermehrte emotionale Nähe kann aber auch zu einer Verschlechterung von Problemverhalten führen, hier muss man auf die Bedürfnisse seines Haustiers Rücksicht nehmen. Ein weiteres Thema ist Einsamkeit: Diese Studie hat erneut bestätigt, dass Tierhalter sich weniger einsam fühlen und Tiere eine wichtige Quelle emotionaler Unterstützung sind. Die Beziehung zu seinem Tier kann beim Menschen die Auswirkungen der Reduktion von sozialen Kontakten während des Lockdowns kompensieren und dadurch die mentale Gesundheit fördern.