Antwort von VR Dr. Erich Karasek

auf den Leserbrief von Dr. Wiebogen-Wessely

(Ausgabe 4-2020, S. 48-49)

Sehr geehrter Herr Kollege,

mit großem Interesse habe ich Ihre Meinung und die Meinungen der anderen Leserbriefschreiber zur vorgesehenen Veränderung des TÄG gelesen.

Ich bin seit zehn Jahren Gesellschafter einer Veterinär-­GmbH. Unsere mittlerweile zum Betrieb ­gewordene tierärztliche Ordination hat derzeit vier Tierärzte, sechs Angestellte und einen Tierpfleger als Mitarbeiter. Die fachlichen Leistungen werden durch spezialisierte Fachkräfte (Chirurgie, Interne, Labor) und Mitarbeiter (Administration, Salon) erbracht. Die entsprechende Entlohnung der tierärztlichen Leistungen wird durch die den betrieblichen Erfordernissen angepassten Honorare von den Klienten und Kunden gewährleistet. Dies trägt zu einer soliden wirtschaftlichen Basis unseres Betriebs bei.

Ich kann auf Erkenntnisse dreier Tierärztegenerationen zurückgreifen. Mein Vater hatte in den 1940er-Jahren als Einzelkämpfer relativ leichtes Spiel – die Versorgung mit Tierärzten war in der Nachkriegszeit Notwendigkeit der Stunde. Ich selbst habe anfangs mit meinem Vater eine Gemeinschaftspraxis geführt und diese, als er in den Ruhe­stand ging, mit mehreren jungen Assistenten bis zum Eintritt meines Sohnes in die Praxis und Ordination weitergeführt.

2011 übernahm mein Sohn die GmbH als mehrheitlicher Gesellschafter und Geschäftsführer. Ich könnte eine Vielfalt von Veränderungen (Ausstattung, Patienten, ­Klienten, EU etc.) anführen, was jedoch den Rahmen ­dieses Leserbriefes sprengen würde.

Sie können jedoch aus diesen wenigen Zeilen lesen, dass der tierärztliche Berufsstand sich in den letzten 70 Jahren wesentlich geändert hat, und diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen. Das Einzelkämpfertum der Kolleginnen und Kollegen wird immer mehr verschwinden.

Schon während meiner Berufszeit habe ich immer wieder darauf hingewiesen, wie sehr sich die Ansprüche der Kunden, aber auch der Kolleginnen und Kollegen ändern werden. Die junge Generation will geregelte Dienst­zeiten, sie will das überaus große Freizeitangebot annehmen und sich und ihrer Familie gemeinsame und erholsame Stunden ermöglichen. Den Stress, den mein Vater und anfangs auch ich durch tierärztlichen Einsatz Tag und Nacht (bis zu dreimal in einer Nacht) hatten, will die Nachfolgegeneration nicht mehr – wie ich meine, ­absolut verständlich.

Es entstanden immer mehr Kliniken, Großordinationen, Personengesellschaften und letztlich die Form der „Veterinär-GmbH“; eine grundsätzlich positive Entwicklung, wie ich meine. Zu dieser strukturellen Veränderung der tierärztlichen Betriebsformen trug die Kollegenschaft mit

gezielter fachlicher Weiterbildung, aber leider auch mit einem jahrzehntelang praktizierten Niedrigpreisniveau bei. Durch die niedrigen Honorare konnten plötzlich die betriebswirtschaftlichen Ansprüche der mittlerweile vereinzelt entstandenen Kliniken und Großordinationen kaum mehr erfüllt werden.

Die steigenden Unkosten für Ausstattung und Gehalt der Fachtierärzte brachten diese in finanzielle Schwierigkeiten. Das ist wohl die Kehrseite der Medaille. Niedrigpreise, Spezialisierung, fehlende Zeit zur Weiterbildung und dadurch bedingt auch unzureichendes Verständnis der Tierärztinnen und Tierärzte für Management trugen bei einigen zur wirtschaftlichen Misere noch bei.

Die Ausgaben übertrafen plötzlich die Einnahmen. Aus dem Preis-Leistungs-Dilemma ist offensichtlich so ­mancher größeren Ordination ein finanzielles Problem entstanden.

Als Folge davon haben sich Firmen angeboten, diese Kliniken und Großpraxen finanziell zu unterstützen (sprich: aufzukaufen) und somit die wirtschaftliche Misere für die Tierärztinnen und Tierärzte durch betriebswirtschaftlich ausgebildete Spezialisten und finanzielle Absicherung zu beheben. Verständlicherweise sehen diese Firmen auch für sich einen finanziellen Vorteil. Diese Vorgangsweise, so meine ich, ist durchaus legitim und aus meiner Sicht auch nicht schlecht – eine brauchbare Alternative für den einen oder anderen Kollegen, den Fachtierarzt oder einfach für den Spezialisten auf einem besonderen Gebiet, der angestellt sein will, der nach wie vor entscheiden will, wie er den jeweiligen Patienten behandelt, der sein Monatseinkommen gesichert und zudem Zeit für seine Familie haben will.

Meine langjährige Erfahrung im tierärztlichen Beruf zeigt mir, dass diese neue Anstellungsmöglichkeit in einer ­Veterinär-GmbH oder dergleichen heute schon für viele, vor allem für die Kolleginnen im Kleintierbereich, eine durchaus brauchbare Form der Berufsausübung ist und in Zukunft für den Großteil der Kollegenschaft sein wird.

Diese derzeitige Entwicklung war voraussehbar. So wie in unserem Berufsstand leider immer, wurde jahrelang dagegen erfolglos angekämpft. Es wäre besser gewesen, sich damit positiv auseinanderzusetzen, anstatt nur das Negative darin zu sehen, um letztlich von anderer Seite vor Tatsachen gestellt zu werden, denen man gedanklich hinterherhinkt, auf die man nicht vorbereitet ist und keine entsprechenden Antworten hat.

Ich verstehe Ihre Bedenken, dass die Bedeutung des Tierarztes und dadurch die Handlungs­fähigkeit in gewissen Bereichen eingeschränkt wird, wenn ein finanzstarker Unternehmer eine wie auch immer geartete Tierärzte­gemeinschaft betriebswirtschaftlich beeinflussen kann.

Gleichzeitig muss man aber die Entlastung für die Tier­ärztin / den Tierarzt durch die Abgabe betriebswirtschaftlicher Agenden an dafür ausgebildetes Personal als Positivum erkennen. Ich sehe weniger eine Gefahr für die freie Berufsausübung der Tierärztinnen und Tierärzte, bedenklicher erscheinen mir wenige große Tierärzte­gesellschaften und Zweigstellen, die Preis und Leistung bestimmen werden. Dann ist die Tierärzteschaft gefordert – sie muss sich nur vorausblickend entsprechend einbringen, Lösungen finden und mitgestalten.

Einen Verlust des freien Berufs Tierärztin / Tierarzt, wie Sie schreiben, kann ich in der Gesetzesänderung nicht erkennen, und solange wir die Mehrheitsanteile und die veterinärmedizinische Betreuung in tierärztlichen Händen haben, brauchen wir auch nicht sorgenvoll in die Zukunft blicken. Und der „Einzelkämpfer“ kann mit persönlichem Einsatz und Freude an der Berufung der derzeitigen Entwicklung zum Trotz nach wie vor seine veterinärmedizinischen Möglichkeiten freiberuflich ausschöpfen.

Zusammenfassend sehe ich die diesbezügliche ­Änderung des TÄG grundsätzlich positiv. Es kann damit für ­viele Tierärztinnen und Tierärzte eine zeitgemäße, ohne Imageverlust einhergehende, brauchbare und schon längst ­fällige strukturelle Änderung der Berufsausübung ­entstehen.

Mit kollegialen Grüßen
VR Dr. Erich Karasek
Fachtierarzt für Lebensmittel-und Klinische Laboratoriumsdiagnostik
Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Veterinärmedizin