Osteoarthrose beim geriatrischen Patienten –

Überblick und neue konservative Behandlungsmethoden

Dr. Marlis Wiebogen-Wessely, Dipl. ECVS
Leiterin der chirurgischen Abteilung der Tierklinik St. Pölten

Arthrose und chronische Gelenkserkrankungen sind ein häufiger Grund für Schmerzen bei geriatrischen Patienten. Trotz des Fehlens von genauen epidemiologischen Daten geht man davon aus, dass etwa 20 Prozent der Hunde sowie mehr als 60 Prozent der Katzen betroffen sind.

Da adulter Gelenkknorpel nur eine begrenzte Regenerationsfähigkeit aufweist, gilt Arthrose als fortschreitende, schwer zu behandelnde Krankheit. Im Falle einer schon ausgeprägten Arthrose stehen unterschiedliche Therapieprogramme zur Verfügung, um das Leben der Patienten zu erleichtern und ihnen bestenfalls eine weitgehend schmerzfreie Bewegung zu ermöglichen.

Klassifizierung

Unter dem Begriff der Osteoarthrose bzw. der Arthritis werden diverse sich in den Synovialgelenken abspielende Krankheitsprozesse zusammengefasst. Diese können grob in nicht entzündliche sowie entzündliche Hauptkategorien eingeteilt werden. Weitere Unterkategorien stellen degenerative, immunvermittelte sowie infektiöse Erkrankungen dar (Abb. 1). Da die nicht entzündliche, sekundäre Form bei Hunden und Katzen mit Abstand die häufigste Form der Osteoarthritis darstellt, wird in diesem Artikel in weiterer Folge nur noch auf diesen Krankheitsprozess eingegangen.

Ätiopathogenese

Bei einer Arthrose handelt es sich um eine degenerative Gelenkserkrankung, die im Gegensatz zur Arthritis primär nicht entzündlich ist. Sie entsteht vor allem durch lang-jährige Überbelastung und zeichnet sich durch progrediente Veränderung der Knorpel- und Knochenstruktur aus, die schließlich zur Gelenkdeformierung führen kann. Aktuelle Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass jedes Individuum eine inhärente Anfälligkeit für Arthrose aufweist und weitere Faktoren wie Genetik, Alter sowie Übergewicht eine große Rolle spielen.

Genetik

Während in der Humanmedizin eine klare genetische Prädisposition bekannt ist, steckt die Forschung in der Veterinärmedizin auf diesem Gebiet noch in den Kinderschuhen. Trotz großer Fortschritte bei der Verbesserung unseres Verständnisses der genetischen Grundlagen von Erkrankungen, die sekundäre Arthrosen verursachen (degenerative Ruptur des kranialen Kreuzbandes, Hüftgelenksdysplasie), wurden Gene, welche Arthroseanfälligkeit bei Hunden kontrollieren, noch nicht identifiziert.

Alter

Zunehmendes Alter macht sich hauptsächlich auf ­Zellebene bemerkbar. So synthetisieren Chondrozyten kleinere, weniger einheitliche Aggrecanmoleküle und weniger funktio­nelle Verbindungsproteine, mitotische und synthetische Aktivitäten nehmen ab. Gleiches gilt für ihre Reaktion auf anabole, mechanische Reize und Wachstumsfaktoren. Eine vermehrte Aktivität von Matrix-­Metalloproteinasen führt zur Verkürzung der Aggrecanmoleküle, was wiederum eine verminderte Wasseraufnahme zur Folge hat. Insgesamt kommt es dadurch zu verminderten zellulären Aktivitäten sowie Reparaturmechanismen und somit zu einem Gewebeverlust der Knorpelstruktur.

Übergewicht

Übergewicht gilt sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin als Hauptrisikofaktor für die Entwicklung von Osteoarthrose. In einer von R.D. Kealy durchgeführten Studie wurden insgesamt 48 Labrador Retriever im Alter von sechs Wochen entweder einer „Ad-libitum- Fütterungsgruppe“ oder einer „25-Prozent-Diät-Res­triktionsgruppe“ zugeordnet. Beiden Gruppen wurde dasselbe Futtermittel verabreicht, lediglich die verabreichte Menge unterschied sich um 25 Prozent. Die Hunde wurden zeitlebens begleitet und in regelmäßigen Abständen orthopädisch sowie radiologisch untersucht, wobei in dieser Studie das Hauptaugenmerk auf die Entwicklung einer Hüftgelenksarthrose gelegt wurde. Im 14,5-jährigen Fütterungs- und Datenerfassungszeitraum nahmen radiologische Anzeichen einer Coxarthrose linear zu. Im Alter von acht Jahren betrug die Prävalenz von Arthrose bei Hunden der Ad-libitum-Fütterungsgruppe 77 Prozent, wohingegen nur zehn Prozent der Restriktionsgruppe Arthroseanzeichen zeigten. Neben einer durch Über­gewicht bedingten fokalen Überbelastung der Gelenke ist Fettleibigkeit mit einem systemischen, subklinischen, proinflammatorischen Zustand verbunden.

Schmerz und Osteoarthrose

Gelenknerven enthalten Aβ-, Aδ- und C-Fasern. Korpuskuläre Enden von Aβ-Fasern befinden sich in Bändern und in der fibrösen Gelenkkapsel. Freie Nervenenden sind in allen Strukturen des Gelenks vorhanden, mit Ausnahme des normalen Gelenkknorpels. Von allen Gelenkstrukturen, einschließlich Bändern, Faserkapseln, Fettgewebe, Meniskus, Periost und Synovialschicht, jedoch nicht von Knorpel können bewusste Empfindungen hervorgerufen werden. Schmerz bei Osteoarthrose äußert sich zumeist als stumpfer, nicht gut lokalisierbarer und schlecht vorhersehbarer Schmerz.

Konservatives Management der Osteoarthrose – herkömmliche Behandlungsmethoden

Ziel jeglicher Behandlung ist es, Schmerzen zu lindern, die Funktion der Gliedmaßen zu verbessern und gleichzeitig die Lebensqualität zu erhöhen. Übliche konventionelle nicht chirurgische Behandlungsoptionen umfassen neben Physiotherapie und Gewichtsreduktion die Verabreichung von nicht steroidalen entzündungshemmenden Arzneimitteln sowie polysulfatierten ­Glykosaminoglykanen. Wirksamkeit und Wirkdauer dieser herkömmlichen Behandlungsmethoden sind jedoch begrenzt und können mit Nebenwirkungen verbunden sein.  

Konservatives Management der Osteo­arthrose – neue Behandlungsmethoden

Autologes Conditioniertes Plasma – ACP-Therapie
Die Behandlung mit ACP wird in der Humanmedizin schon seit mehr als zehn Jahren mit großem Erfolg zur Therapie von orthopädischen Erkrankungen eingesetzt. Auch in der Veterinärmedizin – vor allem im Bereich der Pferde- und Kleintiermedizin – erfreut sich diese Therapie­form immer größerer Beliebtheit. Durch die Aufbereitung des Blutes erhält man Plasma mit einer zwei- bis dreifachen Thrombozytenkonzentration. Die Thrombozyten werden außerhalb der Blutbahn aktiviert und setzen Proteine, wie zum Beispiel Wachstumsfaktoren, frei. Wachstumsfaktoren wirken durch die Differenzierung von verschiedenen Zelltypen, eine verbesserte Kollagenproduktion sowie die Stimulation der Angiogenese. Neuere Studien belegen einwandfrei, dass dadurch die Regeneration des Gewebes beschleunigt und Schmerzen gelindert werden können. Durch das ACP-Verfahren steht uns somit eine Alternative zu den herkömmlichen Therapien zur Verfügung. Da auf körpereigene Substanzen zurückgegriffen wird, kann in vielen Fällen auf den Einsatz von Kortison oder Hyaluronsäure verzichtet werden.

Art der Anwendung
Mithilfe einer Doppelkammerspritze (Abb. 2) wird unter sterilen Bedingungen und unter Sedierung eine geringe Menge Blut aus der Jugularvene entnommen. Dieses wird mittels spezieller Zentrifuge verarbeitet. Das ­extrahierte Blutplasma enthält nun angereicherte regenerative, ­arthrose- und entzündungshemmende Bestandteile und kann in die betroffenen Körperregionen injiziert werden. Um einen möglichst nachhaltigen Effekt zu erzielen, wird eine dreimalige Anwendung innerhalb von sieben bis zehn Tagen empfohlen.

Stammzellen und regenerative Medizin

Unter dem Begriff der regenerativen Medizin versteht man ein noch relativ junges Wissenschaftsfach der Medizin, welches genauer genommen in den Bereich der Biomedizin einzuordnen ist. Hauptziel ist die Wiederherstellung und Reparatur von beschädigtem oder gänzlich zerstörtem Biomaterial wie Zellen, Gewebe, Knochen oder Organen. Die Stammzelltransplantation gilt vor allem in der Humanmedizin als Wegbereiter der modernen regenerativen Medizin. Die Entwicklung geht von der Nutzung einzelner Zellen zum Tissue Engineering – der Nachzucht ganzer Zellverbände, Gewebe und sogar ­Organe – bis zur Gentherapie, bei der beschädigte Erbinformation ausgetauscht werden soll.

Stammzellen und Osteoarthrose

Während der genaue Wirkungsmechanismus mesenchymaler Stammzellen unbekannt ist, wird die therapeutische Wirkung hauptsächlich auf ihre entzündungshemmenden Eigenschaften zurückgeführt. Derzeit kommt in der ­Veterinärmedizin hauptsächlich die autologe Stammzellen­therapie zum Einsatz – daher ist ein mehrstufiger Prozess zur Gewinnung der Stammzellen erforderlich, der zusätzlich eine Operation erfordert. Dies ist mit erhöhter Morbidität und zusätzlichen Kosten verbunden. Vielversprechender wäre die Gewinnung von Stammzellen aus der Nabelschnur – hierbei könnten jüngere Zelltypen mit höherer Proliferationskapazität und mehr Differenzierungspotenzial gewonnen werden. Allerdings überwiegen hierbei derzeit die theoretischen Vorteile – mögliche Risiken sowie das Ansprechen im Rahmen einer Osteoarthrosetherapie sind bei Hunden derzeit noch nicht bekannt.
Die derzeit existierenden evidenzbasierten klinischen Studien weisen leider mehrere Limitationen – wie ­fehlende Randomisierung oder Kontrollgruppe, geringe Stichprobengröße und/oder nur subjektive Ergebnismaße – auf. Eine aktuelle prospektive, randomisierte, ­placebokontrollierte, klinische Doppelblindstudie konnte keine klare Verbesserung (Ganganalyse, Peak Vertical Force) durch die Stammzellentherapie beweisen.

Fazit

Die Therapie von Osteoarthrose ist in den meisten ­Fällen als multimodal anzusehen, wobei die Gewichtsreduktion einen hohen Stellenwert einnehmen sollte. ­Aktuelle Forschungsergebnisse lassen darauf schließen, dass die ACP-Therapie derzeit erfolgversprechender als die Stammzellentherapie zu sein scheint. Das große Feld der regenerativen Medizin steckt jedoch gerade erst in den Anfängen – neue wissenschaftliche Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

 

Literatur und Quellen

Johnston & Tobias, Veterinary surgery small animal second edition, 2018.
S. E. Kim, A. Pozzi, J. Yeh et al.: Intra-articular umbilical cord derived mesenchymal stem cell therapy for chronic elbow osteoarthrosis in dogs: a double-blinded, placebo-controlled clinical trial. Front. Vet. Sci. 6: 474.doi: 10.3389/fvets.2019.00474.
B. J. Carr, S. O. Jr Canapp, DR Mason et al.: Canine platelet-rich plasma systems: a prospective analysis. Front. Vet. Sci. 2015; 2: 73. doi: 10.3389/fvets.2015.00073.
M. Stief, J. Gottschalk, J. C. Ionita et al.: Concentration of platelets and growth factors in canine autologous conditioned plasma. Vet Comp Orthop Traumatol. 2011; 24: 122–125. doi:10.3415/VCOT-10- 04-0064.
S. P. Franklin, J. L. Cook: Autologous conditioned plasma versus hyaluronan plus corticosteroid for chronic elbow osteoarthritis in dogs. Can Vet J. 2013; 54: 881–884.

www.arthrexvetsystems.com/de/vet-orthobiologie