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Hyperthyreose bei der Katze

Bettina Kristof

Hyperthyreose ist die häufigste hormonelle Erkrankung bei Katzen über zehn Jahren. Wenn ältere Katzen aggressiv oder unruhig werden, könnte das an einer Überfunktion der Schilddrüse liegen.

Über Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten der Hyperthyreose sprachen wir mit Dr. Volker Moser von der Tierarztpraxis „Im Fall der Felle“ in Krumpendorf.

Herr Dr. Moser, was ist die Ursache einer Schilddrüsenüberfunktion bei Katzen?
In 70 Prozent der Fälle führt eine benigne adenomatös-multinoduläre Hyperplasie beider Schilddrüsenlappen zu einer Hyperthyreose bei der erwachsenen Katze, etwa 30 Prozent werden durch ein einseitiges solitäres, funktionell aktives Adenom verursacht. ­Schilddrüsenkarzinome sind bei der Katze seltener. Die autonome, gesteigerte Sekretion von Schilddrüsenhormonen unterdrückt über die Rückkopplung die TSH-Sekretion mit der Folge der Atrophie der nicht tumorös entarteten Schilddrüsen­follikel. Es bleibt spekulativ, ob schwankende alimentäre Jodaufnahmen mit zeitweiliger Unterversorgung und anschließenden Jodexzessen an der Entstehung der felinen Hyperthyreose beteiligt sind.

Diese Erkrankung häuft sich bei Katzen in den letzten Jahrzehnten. Woran kann das liegen?
Das stimmt, im Jahr 1978 hatten circa drei Prozent der älteren Katzen eine Schilddrüsenüberfunktion, heute sind in etwa 18 Prozent der zehn Jahre alten Katzen davon betroffen; bei 18-jährigen Katzen leiden sogar 50 Prozent an dieser Erkrankung. Gründe dafür sind zum einen die gesteigerte Lebenserwartung, aber auch ­kommerzielles Futter oder Barf mit Schlund- und Stichfleisch, das Schilddrüsenanteile enthält, kann durch eine damit verbundene Jodüberversorgung zu einer Hyperthyreose führen.

Welche Symptome zeigen Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion?
Die ersten Anzeichen werden von den Katzenbesitzern meist nicht als Krankheit wahrgenommen, sondern im Gegenteil als Zeichen von Gesundheit: Die zunehmend vermehrte Aktivität ihrer alten Katze, verbunden mit dem zunächst sehr guten bis gesteigerten Appetit, erinnert sie an die junge, heranwachsende Katze. Oft wird die Katze erst dann dem Tierarzt vorgestellt, wenn sie bei gleichzeitiger Fressgier an Körpergewicht verliert und andere Anzeichen wie Polyurie und Polydipsie hinzukommen. Daher wird die Diagnose in den meisten Fällen erst ein halbes bis ein Jahr nach dem Auftreten der ersten Symp­tome gestellt. Anzeichen einer Hyperthyreose sind Gewichtsverlust, vermehrter Appetit – unstillbarer Hunger und Durst –, Polyurie, erhöhte Aktivität bis hin zu Unruhe, Nervosität, Aggression; gesteigerte Darmmotilität, Durchfall und Erbrechen, Atemprobleme, struppiges Fell und Muskelschwäche.

Wie diagnostizieren Sie eine Schilddrüsenüberfunktion?
Die Diagnose der felinen Hyperthyreose basiert auf einer umfassenden Anamnese und der klinischen Untersuchung mit Ausschluss aller Differenzialdiagnosen. Folgende Unter­suchungen sind darüber hinaus besonders vor Beginn der Behandlung notwendig: Ein Blutlabor und eine blutchemische Untersuchung mit geriatrischem Profil dienen dem Nachweis von parallel verlaufenden Erkrankungen und zur Abklärung der Differenzialdiagnosen. Ein Herzröntgen und ein Herzultraschall sind indiziert, um Komplikationen, die eine Schilddrüsenerkrankung mit sich bringen kann, abzuklären. Eine Sonografie der Nieren wird vorgenommen, um zu überprüfen, ob eine Niereninsuffizienz vorliegt. Wichtig ist auch das Messen des Blutdrucks, denn ein erhöhter Blutdruck in Verbindung mit einem hohen Schilddrüsenhormonwert kann zu einer Schädigung der Nieren führen. Wenn sich durch diese Untersuchungen der Verdacht auf eine Hyperthyreose erhärtet, geht man zu einer speziellen Diagnostik über. Diese umfasst eine Palpation der Schilddrüse, die Messung von T4/fT4, einen dynamischen Funktionstest – T3-Suppressionstest, TRH-Stimulationstest –, eine Sonografie der Schilddrüse und eine Schild­drüsenszintigrafie.

Welche anderen Erkrankungen treten bei Katzen oft in Kombination mit der Hyperthyreose auf?
Bei einer Schilddrüsenüberfunktion muss man besonders die Nieren im Auge behalten, denn parallel zur Hyper­thyreose vorliegende Nierenerkrankungen werden durch den hyperthyreoten Zustand eventuell maskiert, da der erhöhte Blutdruck und die gesteigerte GFR die Azotämie verringern. Die medikamentöse Behandlung senkt den Blutdruck und die GFR mit der Folge einer Verschlechterung der Niereninsuffizienz; steigende Werte von Harnstoff und Kreatinin zeigen die Gefahr einer Urämie. Bei einer therapiebedingten Verschlechterung der Azotämie sollte die Dosierung des Thyreostatikums so weit reduziert werden, bis T4 im oberen Normbereich liegt. Die Nierenparameter müssen unter der medikamentösen Therapie wiederholt kontrolliert werden.

Wie wird eine Schilddrüsenüberfunktion bei Katzen behandelt?
Die erste Stufe der Behandlung sollte immer eine ­Therapie mit Thyreostatika sein, auch wenn als erfolgreichere ­Therapie zur dauerhaften Behebung der ­Hyperthyreose eine Thyroidektomie oder Radiojodtherapie (wird an der Vetmeduni Vienna angeboten, Anm.) geplant ist. Unter der medikamentösen Therapie kann der Verlauf besser beobachtet werden, und bei einer negativen Entwicklung ist im Gegensatz zu operativen Maßnahmen durch einen Therapieabbruch der Zustand reversibel. Thyreostatika blockieren die Peroxidase-Aktionen und damit die weitere Synthese von T3 und T4. Sie inaktivieren nicht im Kolloid vorhandenes T3/T4, auch nicht oral oder intravenös injiziertes Schilddrüsenhormon. Thyreostatika verhindern nicht das Wachstum der adenomatösen Schilddrüse, weil sie nicht zytotoxisch wirken. Unter der Langzeitbehandlung kommt es zur weiteren Hyperplasie der Schilddrüse wegen des Wegfalls der Rückkopplung zum TSH.
Die Langzeittherapie mit Thiamazol erhöht nicht das ­Risiko eines malignen Schilddrüsenkarzinoms. Das früher häufig verordnete Propylthiouracil wird wegen der sehr schweren Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen. Am gebräuchlichsten sind Thiamazol und Carbimazol. Schilddrüsenkarzinome sprechen erfahrungsgemäß nicht auf Thyreostatika an, sie werden besser chirurgisch entfernt. Thiamazol wird über die Nieren ausgeschieden; schwangere Frauen sollten bei der Entsorgung der Katzentoilette besondere Hygiene beachten. Die meisten ­hyperthyreoten Katzen können lebenslang medikamentös behandelt ­werden, dennoch muss die Dosierung immer individuell erfolgen und richtet sich nach den Nierenwerten, der klinischen Reaktion und den fT4/T4-Werten.
Sehr selten kommt es unter der medikamentösen Therapie zu einer ­Hypothyreose, ohne Tablettengabe haben die Schild­drüsenhormone aber innerhalb von 24 bis 72 Stunden wieder ihre Ausgangswerte vor der Therapie erreicht. Für eine gute medikamentöse Kontrolle der Hyper­thyreose ist jedenfalls die tägliche Tablettengabe erforderlich. Die Gabe der Tagesdosis von Thiamazol einmal täglich ist weniger effektiv zum Erreichen des euthyreoten Status als die Aufteilung der Tagesdosis in zwei Gaben alle zwölf Stunden.

Welche Kontraindikationen gibt es?
Katzen mit parallel bestehenden Erkrankungen wie abdominalen Neoplasien, Diabetes mellitus oder ­primären Lebererkrankungen sowie trächtige oder laktierende Katzen­mütter sind von der Behandlung mit Thiamazol auszuschließen.

Mit welchen Nebenwirkungen muss man rechnen?
Mögliche Nebenwirkungen wie gastrointestinale Störungen, hämatologische Veränderungen wie Leukopenie, Thrombozytopenie, Agranulozytose, hämorrhagische Diathese, Gelbsucht, Hepatopathie, Juckreiz, Exkoriationen treten eher bei der höheren Dosierung von zehn bis 15 Milligramm und meist nur in den ersten drei Monaten auf. Auch lebensbedrohliche Nebenwirkungen – Blutungen und Agranulozytose – sind mit Abbruch der Behandlung reversibel. Wegen der möglichen hämatologischen Veränderungen müssen während der Behandlungen hämatologische und blutchemische Kontrollen durchgeführt werden.

Wie oft werden die Kontrollen durchgeführt?
Bei einer Hyperthyreose ist die Verlaufskontrolle ganz wichtig. Neben der Messung der Schilddrüsenwerte ist die klinische Symptomatik von großer Bedeutung. Die Kontrolle der Schilddrüsenwerte sollte am besten vier bis sechs Stunden nach der letzten Tablettengabe durchgeführt werden. Eine erste Kontrolle nimmt man drei Wochen nach Beginn der Behandlung vor. Dabei werden fT4/T4 und hämatologische und biochemische Parameter, insbesondere Kreatinin und Harnstoff, kontrolliert sowie eine Urinanalyse vorgenommen. Liegen die Schilddrüsenwerte weiterhin im oberen Bereich (> 5 µg/dl, Anm.) und sind die Nierenwerte gleichbleibend normal, sollte die Dosis auf zehn bis 15 Milligramm täglich in zwei bis drei Einzeldosen erhöht werden. Dosen von mehr als 20 Milligramm sollten möglichst vermieden und dann eventuell eine andere Behandlungsform gewählt werden. Es sollte aber sicher sein, dass die Katze die Medikamente auch wirklich regelmäßig einnimmt. Wenn die Schilddrüsenwerte in den normal niedrigen Bereich gesunken sind, die Nierenparameter sich jedoch deutlich verschlechtert haben, sollte die Therapie zunächst abgebrochen und die zusätzliche Behandlung der Niereninsuffizienz forciert werden. Eine zweite Kontrolle führt man nach sechs Wochen durch, um zu sehen, ob die Dosierung passt oder nach oben oder unten korrigiert werden muss. Danach kontrolliert man etwa alle drei bis sechs Monate alle Parameter zur Dosisanpassung. Wenn die Katze mit der Gabe von Thiamazol gut eingestellt ist und die Nierenwerte nicht ansteigen, ist es möglich, eine Radiojodtherapie durchzuführen. Jod ist einer der wichtigsten Bestandteile des Schilddrüsenhormons. Durch die Gabe von radioaktivem Jod wird dieses in die Schilddrüse aufgenommen und zerstört die umliegenden Zellen, sodass eine Schilddrüsenüberfunktion dauerhaft behoben werden kann. Die Radiojodtherapie muss in speziellen Einrichtungen durchgeführt werden, und die Katze muss einige Zeit stationär aufgenommen werden. Die Vorteile einer Radiojodtherapie sind, dass sie schnell wirkt und ohne Narkose durchgeführt werden kann, man muss anschließend keine Tabletten mehr eingeben. Nachteile sind der hohe Preis und der lange stationäre Aufenthalt (mehrere Tage bis Wochen) zur Durchführung der Therapie. Eine weitere Option ist eine operative Entfernung der veränderten Schilddrüse, vor allem, wenn nur eine Seite betroffen ist. Die gesunde Seite ist dann in der Lage, die Arbeit der fehlenden Hälfte zu übernehmen.

Was sollte der Tierhalter beachten, wenn seine Katze eine Schilddrüsenüberfunktion hat?
Bei Katzen, die nur im Haus gehalten werden, kann ein Futter gegeben werden, welches kein Jod enthält. Dieses gibt es nur beim Tierarzt. Katzen ohne Schilddrüsenüberfunktion sollten dieses Futter nicht fressen. Dabei muss ­sichergestellt sein, dass die Katze ausschließlich dieses Futter frisst, daher ist diese Therapiemöglichkeit für Frei­gänger nicht geeignet. Der Tierhalter sollte seine Katze gut beobachten und eventuelle Veränderungen im Verhalten dem Tierarzt melden. Es muss sichergestellt sein, dass die Katze die Medikamente zu den vorgegebenen Intervallen sicher einnimmt. Die Termine der Nachkontrollen sollten unbedingt eingehalten werden.