Jubiläum! 10. ÖTT-Tagung

Über die Lebensqualität von Tieren

Dr. Marie Schwanda

Ende 2018 erschienen in der Zeitschrift „Amtstierärztlicher Dienst“ zwei Artikel, in denen die Autoren ihre Rechtsauffassung zur Genehmigung von Langzeittransporten ausführlich darlegten. Diese Artikel setzten sowohl eine fachliche als auch eine öffentliche Diskussion in Gang. Mit dieser gekürzten Zusammenfassung beider Artikel soll das Thema einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht werden. Für die umfassenden Ausführungen sei ausdrücklich auf die Erstveröffentlichungen verwiesen – Infos hierzu am Ende des Beitrags. 

Am 2. Mai 2019 fand im Festsaal der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Tagung der Österreichischen Tierärztinnen und Tierärzte für Tierschutz (ÖTT) statt, und das bereits zum zehnten Mal. Das diesjährige Motto „Über die Lebensqualität von Tieren“ lockte fast doppelt so viele Besucher wie in den letzten Jahren an. Rund 200 Tierärztinnen und Tierärzte kamen zusammen, um sich über die Lebensqualität von Tieren auszutauschen und zu diskutieren. 

Die Tagung wurde von den ÖTT-Mitgliedern wie immer sehr abwechslungsreich gestaltet. Von aktuellen Informationen aus dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz über die Frage, was die Lebensqualität von Tieren überhaupt ausmacht, bis hin zu konkreten, praxisrelevanten Verbesserungsvorschlägen im Umgang mit Tieren war für jeden etwas dabei. 

Die ReferentInnen (Dr. Gabriele Damoser, Prof. Dr. Gerhard Oechtering, Prof. Dr. Adrian Steiner, Dr. Constanze Zach) kamen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Es waren ExpertInnen (Prof. Dr. Christoph Winckler, Dr. Christine Leeb) von der Universität für Bodenkultur und der Veterinär­medizinischen Universität Wien (MMag. Kerstin Weich, DDr. Regina Binder, Dr. Christine Unterweger, ­Ass.-Prof. Dr. Johannes Baumgartner, Dr. Christine Arhant) anwesend. Sogar ein Experte der Kriminalprävention (Dr. Martin Eichhorn) wurde eingeladen.

Die Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität, Ao. Univ.-Prof. Dr. Petra Winter, begrüßte die Gäste zum zehnjährigen Jubiläum und betonte, dass es trotz strenger Regelungen in Österreich bezüglich der Lebensqualität von Tieren noch viel zu tun gebe. Deshalb versucht die Universität, ihr Weiterbildungsangebot zu verbreitern, um Tierärztinnen und Tierärzte als BotschafterInnen für Tierschutz in der Öffentlichkeit zu stärken.

Mag. Kurt Frühwirth, Präsident der Österreichischen Tierärztekammer, gab seine Begeisterung über die restlos ausgebuchte Tagung und das rege Interesse der Tierärzte­schaft kund. Er nannte als Beispiel für Tierschutz die schmerzfreie Ferkelkastration, ein Thema, das ihm ­sichtlich sehr am Herzen liegt. Diesbezüglich rief er zur Forderung nach Immunokastration oder modifizierter Ebermast auf, da sich der Druck auf Österreich in den nächsten Jahren möglicherweise erhöhen werde.

Nach Glückwünschen und Dankesworten von Univ.-Prof. Jean-Loup Rault, Professor am Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung, ging der Sprecher der ÖTT, Dr. Rudolf Winkelmayer, auf die Schizophrenie der Tierliebe im Kleintier- und Nutztierbereich ein. Er sieht mit dem massiven Anstieg in der Fleischproduktion den Klimawandel und die Ressourcenknappheit einhergehen.

Vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz nahm Dr. Gabri­ele Damoser teil und präsentierte aktuelle Informationen zum Thema Tiertransporte. Hier gibt es einige Verbesserungsvorschläge: Zum Beispiel wolle man die Anzahl der Tiere bei Tiertransporten außerhalb der EU vermindern, die Schlachtung außerhalb der EU, so weit möglich, verhindern und die EU-Präsidentschaftswahl nutzen, um die Standards anderer EU-Staaten an die österreichischen anzupassen. 90.000 Schweine werden pro Woche in ­Österreich geschlachtet. Damit untermauerte Damoser die Dringlichkeit der Lage.

Die Universität für Bodenkultur präsentierte sich in Person von Prof. Dr. Christoph Winckler, der eine Definition von Lebensqualität in den Raum stellte: Es ­sollte bei der Nutztierhaltung nicht nur um die Vermeidung von Schaden und Schmerz gehen, sondern darüber hinaus auch um eine Bewegung in Richtung eines „­guten Lebens“. Denn genauso wie bei uns Menschen sei ein ­lebenswertes Leben auch bei Tieren von Gesundheit, emotionalem Wohlbefinden und positiven Erfahrungen abhängig. Genauso wenig sollten wir, so die Tierethikerin des Messerli Forschungsinstituts MMag. Kerstin Weich, eine Kluft zwischen Klein- und Nutztier entstehen lassen, um so eine Zweiklassenmedizin zu verhindern.

Auch das Thema Qualzucht kam bei der Tagung zur Sprache, durch Prof. Dr. Gerhard Oechtering: Anhand von 15.000 Jahren Erfolg und 150 Jahren Misserfolg in der Hundezucht erklärte er die Problematik von Qualzuchtrassen. Als erschreckendes Beispiel führte er an, dass es für die Hälfte aller Mopspatienten im Sommer nicht möglich ist, sich mehr als zehn Minuten zu bewegen. Die Hundezucht heutzutage sei von Schönheitszucht und Reinheitswahn geleitet und es gehe nicht um das Wohl des Tieres.

Ein spannender Vergleich zwischen dem Tierversuchsgesetz und dem Nutztierschutz wurde von DDr. Regina Binder in ihrem Vortrag durchgeführt. Dabei kam sie nicht umhin, die Ressourcenverschwendung und -knappheit anhand von Zahlen zu konkretisieren: 40 Prozent der globalen Getreideernte werden von Nutztieren gefressen. Die Fleischproduktion verbraucht die doppelte Menge Wasser, die zur Produktion pflanzlicher Produkte benötigt wird. 760.000 Tonnen Lebensmittel landen in Österreich jährlich im Müll. DDr. Regina Binder rief zu einem Verbot von Langzeittransporten, einer Verhinderung von Transporten in Drittstaaten und einer Reduzierung von Lebendtiertransporten auf. Dies sei nötig, um diese ­Themen in den Griff zu bekommen. 

Dr. Christine Unterweger und Dr. Christine Leeb präsentierten praxisrelevante Verbesserungsvorschläge für die Schweinepraxis, z. B. eine vermehrte Zusammenarbeit von TierärztInnen und LandwirtInnen und ein vielfältiges Angebot an Beschäftigungsmaterialien für Schweine.

Eine Ultraschallmethode zur Feststellung von verbotenen Manipulationen des Euters bei Ausstellungskühen wurde von Prof. Dr. Adrian Steiner vorgestellt. Ein wichtiger Input für Konfliktsituationen kam von Dr. Martin Eichhorn: Anhand von Beispielen und Demonstrationen ­zeigte er Deeskalierungsstrategien bei Kontrollsituationen.

Um eine Zuchtsau zu betreuen, investiert ein gut organisierter Betrieb weniger als zehn Stunden im Jahr.

Ass.-Prof. Dr. Johannes Baumgartner präsentierte smarte Hilfsmittel wie PLF (Precision Livestock Farming), die dabei helfen können, einen möglichst individuellen Einblick in die Gesundheit und das Wohl des Tieres zu bekommen. Durch Echtzeitkontrollen wie PLF kommt es zur Früherkennung von Krankheiten und dadurch zu vermindertem Arzneimitteleinsatz. Die digitale Tierhaltung sei eine Schlüsseltechnologie, die man in Zukunft mehr nutzen könne.

Auch Pferde kamen bei der Tagung nicht zu kurz. Da diese in der heutigen Zeit schon an die 35 Jahre alt werden können, sei der Tierschutz beim alternden Pferd nicht mehr wegzudenken, sagte Dr. Constanze Zach, Pferdetierärztin in Wien.

Dr. Christine Arhant betrachtete die Maulkorbpflicht für Hunde unter dem Tierschutzaspekt und präsentierte dazu die neueste Studie der Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz. Acht bis 19 Menschen pro 1.000 Personen werden pro Jahr von Hunden gebissen, 62 Prozent im nicht öffentlichen Bereich, und am häufigsten Ein- bis Vierjährige. Eine Schlussfolgerung war: Wir wissen noch sehr wenig über Maulkorbnutzung. Sicher sei aber, dass eine permanente Nutzung des Maulkorbs nicht ohne Konsequenzen beim Tier sei. 

Die 10. ÖTT-Tagung war eine gelungene und inter­essante Veranstaltung, die zu neuen Inputs, regen Diskussionen und Anregungen führte. Die nächste ÖTT-Tagung kommt bestimmt – die Themen werden nicht ausgehen. Und um es mit den Abschlussworten von O. Univ.-Prof. Dr. Josef Troxler auszudrücken: „Wir dürfen nicht wegschauen, wir müssen zum Wohle der Tiere immer wieder hinschauen.“