Zukunft:

Schlachttier- und Fleischuntersuchung

Dr. Thomas Hain
Landesveterinärdirektor OÖ

Betrug oder doch nur Trickserei? Der Konsument ist im Lebensmittelbereich mittlerweile mit beidem konfrontiert.

Bevor man über die mögliche Zukunft nachdenkt, scheint mir ein Blick auf die Entwicklung der heute (noch) üblichen Praxis der Schlachttier- und Fleischuntersuchung in Oberösterreich angebracht, die dem Konzept nach noch immer dem von den Vätern der SFU rund um Robert von Ostertag festgelegten Ablauf und Inhalt entspricht. 

Eine Untersuchung von Schlachttieren und von Fleisch (oder von beidem) gibt es zum Teil schon seit sehr langer Zeit, wobei allerdings die Zielsetzungen und damit auch das dafür eingesetzte Personal den jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst war. So gab es bspw. Kontrollen zur Verhinderung des Aufblasens von Lungen oder Fleisch, um das Gewicht oder Aussehen zu vergrößern, oder zur Verhinderung des Wässerns oder Färbens von (minderwertigem) Fleisch. Auch gab es vereinzelt Bestimmungen, wonach nur lebende Tiere in die Stadt zur Schlachtung verbracht werden durften und diese dann erst nach dreitägigem Aufenthalt geschlachtet werden durften, wodurch die Schlachtung kranker Tiere deutlich reduziert wurde. Motivation für die Entwicklung der systematisierten tierärztlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung waren das epidemieartige Auftreten von Zoonosen wie Trichinellose oder Tuberkulose sowie die wissenschaftliche Erforschung der zugrunde liegenden Zusammenhänge bei diesen Erkrankungen. Im Deutschen Reich wurde 1900 das Reichsfleischbeschaugesetz eingeführt und damit die SFU dem Veterinärwesen zugeordnet. Inhaltlich wurde darin so wie im 1892 erschienenen Lehrbuch von Ostertag der Grundstein für Lebenduntersuchung durch einen Tierarzt, Fleischuntersuchung mittels Adspektion, Palpation und Inzision sowie Hilfsuntersuchungen gelegt.

Als weitere Hilfsuntersuchungen kamen Mitte der 20er-Jahre die bakteriologische Fleischuntersuchung und ab den 70er-Jahren mit Einführung von Hemmstoff- und Rückstandsuntersuchungen Monitoringproben hinzu.

Das ab 2006 in Kraft getretene Hygienepaket der Europäischen Gemeinschaft brachte dem Papier nach wesentliche Neuerungen, nämlich die ganzheitliche Betrachtung der Lebensmittelkette, die Einbeziehung von Tierschutz­aspekten in den lebensmittelrechtlichen Vollzug sowie die risikobasierte Herangehensweise. Während die Ziele der SFU jahrzehntelang gleich geblieben sind, haben sich die Beurteilungsmöglichkeiten im Lauf der Zeit schrittweise verringert: Gab es im 19. Jhdt. noch 1., 2., 3. Qualität und Freibank, so reduzierte sich dies auf „tauglich – bedingt tauglich – tauglich nach Brauchbarmachung und untauglich“. Die bedingte Tauglichkeit (Freibank) wurde in Österreich Mitte der 90er-Jahre weggelassen, es blieb aber eine Unterscheidung zwischen rund gestempeltem Fleisch für den rein innerösterreichischen Verkehr und oval gestempeltem für den EG-weiten Verkehr. Erst seit etwa drei Jahren gibt es nur mehr oval gestempeltes Fleisch. Beim tauglichen Fleisch ist die Differenzierung hinsichtlich weiterer Verwendung weggefallen, beim untauglichen wurde diese eingeführt durch Unterscheidung in Material der Kategorien I, II und III, wobei im Falle der Kategorie III dann noch hinsichtlich der Verwendung für Tierfutter oder für andere Zwecke unterschieden werden kann.

Status Quo

Das EG-Hygienepaket hat mit zusätzlichen Zielen auch zusätzliche Aufgaben für die am Schlachthof tätigen Aufsichtsorgane gebracht und neue Formen der Zusammenarbeit in der Untersuchung zwischen Betriebsmitarbeitern, Fachassistenten und amtlichen Tierärzten ermöglicht. Auch die Pflichten des Betriebs hinsichtlich Prüfung der LM-Ketteninformation, Evaluierung des Wohlbefindens der Tiere, Eigenkontrollen in Belangen der Betriebs­hygiene, der Fleischhygiene (z. B. Salmonellenkratzproben) und des Tierschutzes sind nun gesetzlich verankert als Vorbedingung, um überhaupt schlachten und danach amtlich untersuchen zu können. Was den Untersuchungsgang selbst anlangt, so hat es in jüngster Zeit – vor allem die Schweine betreffend – einen richtungsweisenden Wechsel gegeben: War die Untersuchung mit Adspektion, Palpation und Inzision bis vor Kurzem noch der „Goldstandard“, zu dem es als Ausnahme die rein visuelle Untersuchung gab, so hat sich dies mittlerweile umgekehrt und die rein visuelle Untersuchung ist der rechtliche Standard, von dem bei Verdacht abgewichen wird. Für die Trichinen besteht die Möglichkeit der Anerkennung trichinenfreier Betriebe oder Regionen sowie der Reduktion auf stichprobenartige Untersuchung.

Wie in einem Betrieb aber konkret untersucht wird, hängt neben diesen rechtlichen Vorgaben auch noch vom Wunsch des Betriebs ab, um bspw. am Export teilnehmen zu können. Eine nicht unerhebliche Neuerung stellt am Ende der Untersuchung die Form der Dokumentation und Mitteilung der Befunde dar. Bis zur Einführung der elektronischen Befunderfassung und damit automatisierten Rückmeldung der SFU-Befunde an Schlachtbetrieb, Herkunftsbetrieb und Behörde waren die bereits in der Vieh- und Fleischbeschauverordnung 1924 festgelegten Vormerkbücher und Beschauscheine beinahe unverändert über Jahrzehnte in Verwendung. Neben den klassischen Aufgaben der SFU kommen Aufgaben der allgemeinen Tierseuchen- und Zoonosenüberwachung sowie vor allem die Überwachung des Tierschutzes beim Transport und bei der Schlachtung ins Aufgabenportfolio.

 

Ein kritischer Vergleich zwischen den Zielen und Aufgaben der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung und der tatsächlichen Durchführung und Organisation zeigt nachdenklich stimmende Differenzen auf:

 
Resümee

Vielleicht hinkten Gesetzgebung und Durchführung den tatsächlichen Anforderungen und Gegebenheiten in der Vergangenheit manchmal hinterher. Heutzutage sind die rechtlich vorgesehenen Möglichkeiten den tatsächlichen Gegebenheiten der Produktion und der SFU weit voraus.


Ausblick

In der Produktion tierischer Lebensmittel ist eine weitere Differenzierung zwischen spezialisierten Produktionsrichtungen zu erwarten, wie dies etwa am Sektor Geflügelfleisch längst geschehen ist: Auf einer Schlacht-anlage für Masthähnchen können keine Suppenhühner geschlachtet werden, und in einer technisch spezialisierten Schlachtlinie für Mastschweine haben Zuchtschweine keinen Platz. 

Diese Spezialisierung wird auch vor der amtlichen Untersuchung nicht haltmachen: Die Untersuchung von Mastpartien (Hähnchen, Schweine, Stiere, Kälber …) aus integrierten Produktionssystemen wird andere Unter-suchungsmodalitäten ergeben als die Einzeltierunter-suchung in Kleinstbetrieben. 

Deswegen wird es vor allem in den auf solche Mastpartien spezialisierten Schlachthöfen zu einer Differenzierung der amtlichen Tätigkeiten und ev. auch des amtlichen Personals kommen: amtliche Tierärzte im Bereich der Tierschutz- überwachung, der Evaluierung der LM-Ketten-Information und der Lebenduntersuchung am Herkunfts-ort sowie für gezielte Probenahmen (Tierkrankheiten, Zoonosen …)
am Flaschenhals Schlachthof. Am Schlachtkörper selbst werden sich in diesen Betrieben stichprobenartige und laborgestützte Untersuchungsverfahren auf Zoonosen, Rückstände etc. durchsetzen, wobei die Aufgabe des amtlichen Tierarztes nicht so sehr die Probenahme am Schlachtband als vielmehr die Beurteilung (für die gesamte Schlachtpartie in toto) sein wird. 

Überwachungsaufgaben im gesamtstaatlichen Interesse (Tierschutz, Tierseuchen …) werden staatlich bleiben, Qualitätsüberwachungen am Schlachtkörper und an den Organen mit geringer gesundheitlicher Relevanz werden durch IT-gestützte maschinelle Verfahren oder betriebliche Mitarbeiter durchgeführt werden (ein Bluterguss oder eine fäkale Verunreinigung kann problemlos durch eine Kamera erkannt und durch ein IT-gesteuertes Robotermesser entfernt werden).

Das Eintreten dieser Vision würde aus tierärztlicher oder standespolitischer Sicht zwar mitunter in Summe eine Verringerung der tierärztlichen Verdienstmöglichkeiten auf den Schlachthöfen bedeuten, aber einhergehend mit einer qualitativen Aufwertung und Steigerung der Wertschätzung der tierärztlichen Tätigkeiten am Schlacht-hof, was für den einzelnen dort tätigen Tierarzt auch eine höhere Wertschöpfung je Zeiteinheit bringen kann.