Zecken-übertragene Erkrankungen

beim Hund

DR. MED.VET Nikola Pantchev 1, Dr. rer. nat. Silvia Pluta 1, DR. MED.VET Elke Huisinga 1, DR. MED.VET Stephanie Nather 1, DR. MED.VET Miriam Scheufelen 1, DR. MED.VET Majda Globokar Vrhovec 1, DR. MED.VET Andrea Schweinitz 1, DR. MED.VET Herwig Hampel 1, Prof. DR. MED.VET Reinhard K. Straubinger 2

1 IDEXX Laboratories, 2 Ludwig-Maximilians-Universität München

Borreliose, Anaplasmose, Babesiose: Status quo und Überblick zur Verbreitung, Übertragung und Prophylaxe.

Einleitung und Vektoren

In der tierärztlichen Praxis haben durch Zecken übertragene Infektionskrankheiten bei Hunden seit einigen Jahren immer stärker an Bedeutung gewonnen. In Europa ist die weit verbreitete Zeckenart Ixodes ricinus ein wichtiger Vektor für die Spirochäten aus dem Borrelia-burgdorferi-sensu-lato-(Bbsl)-Komplex und Rickettsiales wie Anaplasma phagocytophilum. Die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) ist ein wichtiger Vektor für Babesia canis und die Braune Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) für Babesia vogeli im mediterranen Raum (Tab. 1).

Erreger

Der Erreger der Lyme-Borreliose, „Borrelia burgdorferi“, wurde nach seinem Entdecker Dr. Willy Burgdorfer benannt, dem 1981 erstmals der Nachweis der Bakterien aus Zecken gelang. Es handelt sich um relativ lange, schraubenförmige Bakterien aus der Gruppe der Spirochäten. Zum Bbsl-Komplex gehören mindestens 19 Arten, darunter mindestens fünf humanpathogene Genospezies (Borrelia burgdorferi sensu stricto (Bbss), Borrelia afzelii (Ba), Borrelia garinii (Bg), Borrelia bavariensis und Borrelia spielmanii) (Tijsse-Klasen et al. 2013b).

Anaplasma phagocytophilum ist ein obligat intrazelluläres, gramnegatives Bakterium der Ordnung Rickettsiales. Dieses Bakterium vermehrt sich vorwiegend in neutrophilen Granulozyten (sog. Morulae-bildend) und kann Erkrankungen bei Mensch, Pferd, Hund, Katze und Wiederkäuer verursachen (Huhn et al. 2014). Seit 2001 werden die früheren Arten Ehrlichia equi, Ehrlichia phagocytophila und der Erreger der humanen granulozytären Ehrlichiose (HGE) aufgrund molekularer Daten (Sequenz des 16S rRNA Gens) zur neuen Art A. phagocytophilum zusammengefasst (Dumler et al. 2001). 

Babesien sind Einzeller, die zu den sog. Piroplasmen gehören (Familie Babesiidae, Ordnung Piroplasmida) und die wichtigsten Blutparasiten der Haussäugetiere darstellen. Beschreibungen von intraerythrozytären Parasiten bei Hunden mit Symptomen vereinbar mit Babesiose (Fieber, Anämie, Splenomegalie) erfolgten schon früh, im Jahr 1893, in Südafrika; in Europa zum ersten Mal in Italien 1895, wenige Jahre nach der Erstbeschreibung der bovinen Babesiose durch Victor Babes im Jahr 1888 (Baneth 2013). Noch kürzlich zählten zu den Babesiosen des Hundes drei (Unter-)Arten von großen Babesien (Merozoitengröße 3–5 μm), B. (canis) canis, B. (canis) vogeli und B. (canis) rossi, sowie eine Art von kleinen Babesien (1–3 μm), B. gibsoni (Irwin 2009). In den letzten Jahren sind jedoch aufgrund molekularer Studien weitere Arten hinzugekommen, sodass derzeit mindestens neun genetisch unterschiedliche Arten bekannt sind (u. a. noch Babesia/Theileria annae oder B. conradae; Irwin 2009; Beck et al. 2009; Duscher et al. 2014).

Verbreitung und Vorkommenshäufigkeit

Für die Vorkommenshäufigkeit von A. phagocytophilum und Bbsl beim Hund in Österreich wurden Daten aus der Routinediagnostik des Labors des Erstautors retro-spektiv ausgewertet. Mittels Anaplasma-spezifischer PCR (real time; msp2-Gen) wurden im Zeitraum April/Mai 2011 insgesamt 50 EDTA-Blutproben untersucht, die mit einer Anforderung dieser Untersuchung von Tierärzten aus Österreich eingeschickt wurden (es handelte sich daher vermutlich um klinisch verdächtige Hunde). Acht von 50 Proben (16 %; 95 % CI: 7,1–29,1) wurden positiv getestet. Im Vergleich dazu wurden im gleichen Zeitraum 2010 insgesamt 30 Proben getestet, von denen fünf positiv reagierten (16,7 %; 95 % CI: 5,5–34,7). 

Untersuchungen von Antikörpern gegen Borrelia-C6-Antigen (SNAP® 4Dx® Test) wurden im Zeitraum April/Mail 2011 bei 164 Hunden vorgenommen (Serumproben; ebenfalls mit einer Anforderung dieses Tests durch österreichische Tierärzte), hier waren sieben positiv (4,3 %; 95 % CI: 1,7–8,6). 

Im Vergleich dazu wurden im gleichen Zeitraum 2010 insgesamt 90 Proben getestet (5 positiv; 5,6 %; 95 % CI: 1,8–12,5). Es fällt auf, dass 2011 für beide Untersuchungen deutlich mehr Proben eingeschickt wurden (im Vergleich zu 2010 eine Steigerung von 67 % bzw. 83 %). Die Unterschiede im positiven Anteil beider Jahre waren jedoch nicht statistisch signifikant. 

Bei der Verteilung positiver Proben gab es sowohl Bundesländer, in denen sich das Vorkommen beider Erreger überschnitten hat (Wien, Nieder-/Oberösterreich, Kärnten), als auch Gebiete, in denen entweder nur Anaplasma-DNA (Vorarlberg, Steiermark, Burgenland) oder nur Borrelia-spezifische Antikörper (Tirol) nachgewiesen wurden (Abb. 2).

Die Vorkommenshäufigkeit und Verbreitung von B.-canis-Infektionen bei Hunden in Österreich wurde anhand von Probeneinsendungen an das Labor des Erstautors mithilfe eines B.-canis-ELISA-Tests auf Antikörper untersucht (Pantchev 2012a). 

Die Serumproben wurden von Tierärzten aus Österreich im Zeitraum 2012 bis 2013 eingesendet. Es handelte sich um 259 Proben (Gruppe 1), entweder mit einer direkten Anforderung für einen serologischen Babesien-Test (n=70; 27 %) oder im Rahmen eines serologischen „Zeckenprofils“ (n=189; 73 %). 

Im Vergleich dazu wurde eine zweite Gruppe im gleichen Zeitraum ausgewertet (Gruppe 2; n=172), die vermutlich eine Reiseanamnese aufwies, weil die Serumproben von Tierärzten im Rahmen eines Reisekrankheiten-Profils eingesendet wurden. In der Gruppe 1 (mehrheitlich „Zeckenprofil“) wurden 28 Proben als positiv befundet (10,8 %; 95 % CI: 7,3–15,2; rot in Abb. 3) und sechs Proben wurden als grenzwertig eingestuft (2,3 %). 

Im Rahmen der Reisekrankheiten-Profile wurden dagegen „nur“ acht Hunde (4,7 %; 95 % CI: 2–9; blau in Abb. 3) positiv getestet, was im Vergleich zu Gruppe 1 signifikant weniger war. Weitere sechs Proben in Gruppe 2 reagierten grenzwertig im Test (3,5 %). Wie man in Abb. 3 unschwer erkennen kann, scheint eine Häufung seropositiver Hunde im Osten des Landes vorzuliegen.

 

Prophylaxe
Grundsätzlich existieren vier Prophylaxe-Bausteine: Vektorprophylaxe (richtet sich gegen die erregerübertragenden Zecken), Chemoprophylaxe (direkt gegen den Erreger gerichtet), Immunprophylaxe (durch erregerspezifische Impfungen) sowie Verhaltensprophylaxe (Vektorexposition reduzieren, indem man z. B. Risikogebiete während der Vektor-Aktivitätszeiten meidet) (Pantchev 2013). 

Akarizide
Beim Hund in Europa verursachen Zecken kaum eine direkte Schädigung ihrer Wirte. Vielmehr besteht die Gefahr hauptsächlich in der Erregerübertragung und der ggf. daraus resultierenden Erkrankung. Wichtig ist daher, dass die Prophylaxe vor der ersten Exposition anfängt. Die angewendeten Wirkstoffe zeigen unterschiedliche Effekte auf Zecken (repellierend, anti-feeding, expellierend, abtötend). 

Das Ziel ist, durch geeignete Akarizide eine möglichst schnelle Abtötung der Zecken zu erreichen, und zwar noch bevor die Erreger abgegeben werden. Noch besser ist die Verhinderung des Anheftens der Zecken (Repellenz-wirksamkeit; Halos et al. 2012). Wie ausgewählte Studien zeigen, können Wirkstoffe mit repellierender Wirkung effizienter eine zeckenübertragene Infektion verhindern als Wirkstoffe, die ausschließlich über eine abtötende Wirkung verfügen (Blagburn et al. 2005; Jongejan et al. 2016). Für den behandelnden Tierarzt ist es daher wichtig, auf die Angaben in den jeweiligen Produktinformationen zu achten.

Immunprophylaxe
Ektoparasitika werden in kontrollierten Zulassungsstudien am Hund üblicherweise mit 50 adulten Zecken getestet (EMEA/CVMP/005/00-Rev.2). Ein hundertprozentiger Schutz kann daher nicht in allen Fällen garantiert werden, insbesondere bei einer hohen Zeckenexposition (z. B. Jagdhunde). Man kann in solchen Fällen, sofern verfügbar, auch Immunprophylaxe in Erwägung ziehen. Die Immunprophylaxe sollte allerdings nicht als Ersatz für Zeckenprophylaxe, sondern als Ergänzung verstanden werden.

 

Lyme-Borreliose-Impfung
Diese Vakzinierung wurde in den letzten Jahren kontrovers diskutiert (Littman et al. 2006; Straubinger & Pantchev 2010; Pantchev 2013). Eine der Ursachen ist darin zu suchen, dass klinische Borreliose beim Hund selten ist; weiterhin darin, dass verschiedene Impfstoffe auf dem Markt verfügbar waren: eine Impfung etwa, die nur Bbss enthält (ein Isolat aus einer I.-ricinus-Zecke aus Frankreich; Wiedemann & Milward 1999), oder ein Impfstoff, der nur Bg und Ba enthält. „Kontrovers“ ist in diesem Zusammenhang, dass Bg und Ba in verschiedenen Teilen Europas zwar häufig in Zecken gefunden werden (Piesman & Gern 2004), aber deren pathogene Bedeutung für den Hund bisher nicht zweifelsfrei belegt worden ist (u. a. Hovius et al. 2000; Liebisch and Liebisch 2003a; Skotarczak 2014). Neu ist Merilym® 3 (inaktivierter Bbsl-Impfstoff), der drei wichtige Genospezies (Bbss, Bg und Ba) enthält. Die Frage, die sich stellt, ist, ob dieser Impfstoff Vorteile gegenüber den reinen Bbss-basierten Mitteln bringt. Bei natürlich infizierten Hunden mit klinischen Veränderungen einer Lyme-Borreliose wurden auch Co-Infektionen von Bbss mit anderen Genospezies (v. a. Bg) gefunden (Hovius et al. 2000). Obwohl Effekte bei Co-Infektionen von Bbss mit anderen Borrelien beim Hund bisher im experimentellen Modell nicht studiert wurden, zeigt sich im Mausmodell bei einer Co-Infektion von Bbss mit Bg u. a. ein schwererer klinischer Verlauf als mit Bbss allein (Hovius et al. 2007). Da davon ausgegangen wird, dass OspA-Antikörper (Basis der Impfung) nicht kreuzprotektiv zwischen Borrelien-Arten sind (Töpfer 2005), wäre tatsächlich zu überlegen, ob das Impfregime zusätzlich zu Bbss auch andere Spezies (Bg/Ba) enthalten sollte. Basierend auf dem Wirkprinzip verhindert die Impfung eine zukünftige Infektion, indem beim Saugakt aufgenommene spezifische OspA-Antikörper die Borrelien direkt im Zeckendarm immobilisieren (Straubinger & Pantchev 2010). Vor der Impfung ist eine Untersuchung adulter und möglicherweise bereits infizierter Hunde daher wichtig. Zum einen hat die Impfung keinen therapeutischen Einfluss auf eine bereits bestehende Borrelien-Infektion, und zum anderen wiesen Hunde mit hoher C6-Antikörperkonzentration im Zuge einer Lysat-Impfung auch die höchsten Mengen an zirkulierenden Immunkomplexen auf (Greene et al. 2012). Hebert & Eschner (2010) etwa haben nur Hunde in ihr Impfprogramm aufgenommen, die eine C6-Antikörperkonzentration unter 30 U/ml sowie normale Blut- und Urinwerte aufwiesen. Hunde mit einer C6-Antikörperkonzentration über 30 U/ml dagegen wurden behandelt (Doxycylcin 10 mg/kg KM/Tag für 28 Tage), 30 Tage danach kontrolliert (Laborwerte und klinische Untersuchung), und wenn keine abnormalen Befunde erhoben wurden, ins Impfprogramm aufgenommen. Sechs Monate danach wurde der Quant C6 ELISA wiederholt (s. auch zweiten Teil des Artikels, der in der nächsten Ausgabe erschient). Bei Hunden mit Glomerulonephritis und Verdacht auf eine LN kann auch eine längere Gabe von Doxycyclin notwendig sein. Bei bestätigter Proteinurie (UPC > 0.5) sind spezifische Empfehlungen für die Therapie und Monitoring bei Goldstein et al. (2013) zu finden.

Immun- und Chemoprophylaxe bei Babesien
Der homologe (stammabhängige) Impfschutz von Pirodog (Einsatz in Österreich mit Sonderimport möglich) in französischen Endemiegebieten betrug etwa 80–90 %. Der Schutz gegen heterologe Isolate in anderen Gebieten ist jedoch geringer (Schetters et al. 1995; Schetters 2005). Dieser Impfstoff enthält lösliche Antigene von B. canis (sog. „soluble parasite antigen“ oder SPA) eines französischen Isolats und ein positiver Antikörper-Titer (> 1:160) soll bei etwa 75 % der Tiere nach der Impfung entstehen (Quelle: Produktinformation). Der Wirkstoff Imidocarb wird für die Chemoprophylaxe großer Babesien wegen der potenziell starken Nebenwirkungen sowie aufgrund der variablen prophylaktischen Wirkungsdauer entweder nicht (Ayoob et al. 2010) oder nur für Hunde unter einem Jahr Lebensalter empfohlen (Tenter & Deplazes 2006). Die Nebenwirkungen umfassen eine Hemmung der Cholinesterasen, anaphylaktoide Reaktionen sowie Leber- und Nierenschädigung (Ayoob et al. 2010, Dyachenko et al. 2012). Die Angaben zur Schutzwirkung schwanken zwischen 2 und 6 Wochen bei einer Dosierung von 3–6 mg/kg KM (Deplazes et al. 2006). In einem experimentellen Modell (6 mg/kg KM, 2 bis 5 Wo. vor Infektion) konnte sogar gar keine Schutzwirkung festgestellt werden (Uilenberg et al. 1981).

Literatur
Die Zitierungen (in Klammern) repräsentieren nur eine Auswahl; die vollständige Literaturliste ist im Originalartikel (siehe unten) zu finden.

Folgender Artikel wurde ergänzt:
Jongejan F, Crafford D, Erasmus H, Fourie JJ, Schunack B. Comparative efficacy of oral administrated afoxolaner (NexGard™) and fluralaner (Bravecto™) with topically applied permethrin/imidacloprid (Advantix®) against transmission of Ehrlichia canis by infected Rhipicephalus sanguineus ticks to dogs. Parasit Vectors. 2016, Jun 17; 9(1):348

Abgekürzte Übersetzung der folgenden Originalarbeit mit Fokus auf Österreich:
Pantchev N, Pluta S, Huisinga E, Nather S, Scheufelen M, Globokar Vrhovec M, Schweinitz A, Hampel H, Straubinger RK (2015): Tick-borne Diseases (Borreliosis, Anaplasmosis, Babesiosis) in German and Austrian Dogs: Status quo and Review of Distribution, Transmission, Clinical Findings, Diagnostics and Prophylaxis. Parasitol Res. 114 Suppl 1: S 19–54

Der Originalartikel ist frei zugänglich unter dem Link:

link.springer.com/article/10.1007%2Fs00436-015-4513-0

 

Korrespondierender Autor Dr. med. vet. Nikola Pantchev
FTA für Parasitologie
nikola-pantchev@idexx.com