Überraschendes Studienergebnis:

Überimitation bei Hunden möglich

Bettina Kristof

Menschen kopieren aufgrund gesellschaftlicher Gepflogenheiten oder sozialer Rollen Handlungen, die keine besondere Funktion haben. Erstaunlich, dass dies Hunde auch tun – so das Ergebnis einer neuen Studie des Messerli Forschungsinstituts.

 

Hunde sind dem Menschen in ihrem sozialen Verhalten ähnlicher, als wir dachten. Dass die Vierbeiner gute Beobachter und sozial lernfähig sind, ist hinreichend bekannt. Hunde sind auch in der Lage, Handlungen nachzuahmen. Bisher ging man davon aus, dass die Vierbeiner das nur tun, wenn es sich um zielgerichtete Aktionen handelt. Doch eine brandneue Studie am Messerli Forschungs­institut in Wien hat hier für Überraschung gesorgt.

Um Näheres darüber zu erfahren, sprachen wir mit ­Univ.-Prof. Dr. Ludwig Huber, Leiter der Vergleichenden Kognitionsforschung am Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Vienna. 

Herr Professor Huber, an Ihrem Institut wurde eine Studie über Überimitation bei Hunden veröffentlicht, die die Fachwelt erstaunt hat. Können Sie uns mehr darüber verraten?

In dieser Studie haben wir untersucht, ob Hunde das Verhalten des Menschen nur dann nachahmen, wenn eine zielgerichtete Handlung dahintersteckt, oder ob sie es auch tun, wenn die Aktion irrelevant ist. 

Menschen kopieren gelegentlich Handlungen, die keine besondere Funktion haben. Hintergrund dafür sind gesellschaftliche Gepflogenheiten, eine soziale Rolle – oder nennen wir es ein soziales Spiel. Bei Tieren kannte man das bisher nicht. Es gab Studien mit Schimpansen und Bonobos zu diesem Thema, die verliefen aber negativ. 

Die Affen imitierten Handlungen ausschließlich dann, wenn ein sinnvolles Ergebnis damit verbunden war. Sinnlose Handlungen ahmten sie nicht nach. Nachdem es aber ungefähr eine Million unterschiedliche Tierarten gibt, lag es für uns nahe, bei anderen Tieren zu überprüfen, ob dieses Verhalten tatsächlich eine menschliche Eigenart ist. Nachdem Hunde den Menschen in vielen Bereichen des sozialen Verhaltens ähnlich sind, besonders aber zu ihren Haltern eine starke Beziehung aufbauen können, war für uns naheliegend, die Studie mit dieser Tierart durchzuführen. 

Wie sind denn die Experimente abgelaufen?

Wir haben dazu 60 Hunde ausgewählt, die in vier ­Gruppen zu je 15 Hunden eingeteilt wurden und mit ihren Besitzern an der Studie teilnahmen. Austragungsort war unser Clever Dog Lab Vienna. Der jeweilige Hundehalter hat eine sinnvolle Aktion – Öffnen eines Schiebetürchens, Entnahme eines Würstchens, essen – und eine irrelevante Handlung – Berühren eines roten und eines grünen Punktes an der Wand – ausgeführt. Diese Aktionen wurden in vier unterschiedlichen Varianten absolviert, der jeweilige Hund hat immer zugesehen. Das Ergebnis hat unsere Hypothese bestätigt: Die Hälfte der Tiere hat das Verhalten ihrer Bezugsperson imitiert, egal, in welcher Reihenfolge und ob relevant oder nicht. Das ist der Nachweis, dass Hunde offensichtlich zu Überimitation neigen und den Menschen darin ähnlich sind. 

Haben die Hunde die irrelevanten Handlungen von beliebigen Personen kopiert?

Nein, eine noch laufende Studie scheint unsere Vermutung zu bestätigen, dass Hunde die irrelevanten Handlungen nur von ihren menschlichen Bezugspersonen ­kopieren. Bei fremden Personen scheint das nicht der Fall zu sein.

 

Haben Sie weitere Studien zu diesem Thema in Planung?

Ja, wir planen eine Nachfolgestudie, bei der wir weiter überprüfen wollen, was Hunde von den menschlichen Aktionen verstehen und unter welchen Umständen sie zur Nachahmung bereit sind. In früheren Studien haben wir herausgefunden, dass Hunde die Umstände, unter welchen ein anderer Hund eine Aktion vorzeigt – zum Beispiel, ob er eine umständliche Handlung vorzeigt, weil die übliche Aktion gerade nicht möglich ist –, in ihre nachfolgenden Handlungen einbeziehen.

Auch diese Art der selektiven Imitation war davor nur von Menschen bekannt. Wichtig ist bei der komplexen Frage der Mensch-Hund-Interaktion, dass die Tests mit entsprechenden Kontrollen durchgeführt werden, um das Verhalten der Hunde eindeutig interpretieren zu können und um Alternativhypothesen ausschließen zu können.

Wir erwarten uns von den Folgestudien weitere Erkenntnisse, wie die kognitiven und sozialen Fähigkeiten des Hundes zusammenspielen, um das Zusammenleben mit Menschen zu gestalten.