Tierärztliches Wissen und Fähigkeiten

im Einklang mit moderner Labordiagnostik

Dr. Klemens Alton
In Histo – Praxis für Tierpathologie

Pustertaler Sprinzen, Blobe Ziege oder Zackelschaf – noch nie gehört? Sie alle zählen zu den heimischen Nutztierrassen, deren Bestände schon im Verschwinden begriffen waren und die seit einiger Zeit eine Renaissance erleben. Vor allem beim Rind tut sich einiges. 

histologische Resektionsränder

Wem ist es nicht schon passiert, dass ein bereits resezierter Tumor wieder nachgewachsen ist, obwohl laut histologischem Befund die „Resektion im Gesunden“ erfolgt ist? Ein solches Erlebnis lässt sowohl den Tierarzt als auch den Tierbesitzer etwas ratlos zurück, wenn die methodischen Grenzen einer Untersuchung nicht bekannt sind. Diese sollen im Folgenden anhand des histologischen Pro-zederes näher erläutert werden.

Das Problem besteht grundsätzlich darin, dass bei einem beschränkten Kostenrahmen nur eine begrenzte Anzahl von Gewebestückchen aus einer Probe untersucht werden kann (Abb. 1–3). Bei kleineren, gut begrenzten Tumoren von bis zu fünf Zentimeter Durchmesser kommt man mit einem bis drei untersuchten Gewebeteilen noch zu einem aussagekräftigen Ergebnis. Bei größeren, schlecht abgrenzbaren Tumoren wird eine solche Stichprobe allerdings recht klein, was sich zwar kaum in der Diagnosesicherheit, in hohem Ausmaß aber in der Aussagekraft bezüglich der Resektionsränder bemerkbar macht.

Es besteht in dieser Hinsicht ein großer Nachteil gegenüber bildgebenden Verfahren wie der -Computertomo-grafie oder der Magnetresonanztomografie, die ein Untersuchungsgebiet in nahezu beliebig vielen Schichten abtasten können. Dieser Nachteil kann nur teilweise durch eine deutlich höhere Anzahl von entnommenen Gewebeproben ausgeglichen werden. Manche Labors bieten diesen Service zu entsprechend höheren Kosten in Form einer Untersuchung von onkologischen Resektionsflächen an.

Außer der Stichprobengröße, die dem Tierarzt ja meist unbekannt bleibt, sind Breite und Gewebeart der Resektionsränder wichtige Parameter für die Beurteilung einer kompletten Resektion. Die Breite des tumorfreien umgebenden Gewebes sollte in Millimetern im Befund angegeben sein. Auch die Gewebeart ist von großer Bedeutung, da zum Beispiel das subkutane Fettgewebe weit weniger Hindernis für einen infiltrativ wachsenden Tumor darstellt als zum Beispiel eine Muskelschicht oder gar eine Faszie. Somit bieten zehn Millimeter Fettgewebe weit weniger Sicherheit für eine komplette Resektion als eine kaum einen Millimeter breite Faszie.

Fazit: Die Einschätzung der Rezidivneigung eines Tumors gründet sich immer auf die Tumorqualität sowie auf die Breite und die Art des umgebenden tumorfreien Gewebes und bezieht sich immer nur auf die untersuchten Schnitt-ebenen. Mehr Schnitt-ebenen bedeuten daher mehr Beurteilungssicherheit. Eine hundertprozentig sichere Aussage für den gesamten Tumor ist – abhängig von der Stichprobengröße –
nicht möglich. Je kleiner der Tumor, desto sicherer ist die Einschätzung der Rezidivneigung.

 
 
Mitoseindex als Malignitätskriterium

Der Mitoseindex wird üblicherweise als Anzahl der Mitosen pro zehn HPF (zehn High Power Fields = zehn Felder mit 40-facher Vergrößerung) angegeben. Einerseits dient er zur Unterscheidung benigner von malignen -Tumoren (z. B. Melanozytome versus Melanome), andererseits stützt sich die Graduierung von Weichgewebssarkomen und Mastozytomen (Grad 1 bis 3) zum guten Teil auf die Mitoserate. Es handelt sich dabei um eine fixe Zahl, die den Eindruck eines „Hard Fact“ vermittelt, aber dennoch von vielen Parametern wie der Fixiergeschwindigkeit im Formalin, der Größe des Gesichtsfeldes des Mikroskops, von der Dicke des histologischen Schnittes und insbesondere von der Zelldichte des Gewebes abhängt. Es sollten daher verschiedene „Soft Facts“ wie der Gehalt an Blut- und Lymphgefäßen im Tumor, die Verteilung der Tumorzellen sowie die Art der Grundsubstanz, in der die Tumorzellen eingebettet sind, ebenso stark berücksichtigt werden.

Aus dieser Sicht ist bei einem gut differenzierten, aber diffus wachsenden Mastozytom mit vielen -Lymphgefäßen und muzinreicher ödematöser Grundsubstanz die Metastasierungsgefahr höher einzuschätzen als bei einem Mastozytom mit wenigen Lymphgefäßen und kollagenreicher Grundsubstanz, in der die Tumorzellen quasi eingebacken sind.

Diese Parameter werden allerdings in den üblichen Graduierungen nach Patnaik und nach Kiupel nicht berücksichtigt. Es kommt daher immer wieder vor, dass ein gut differenziertes Mastozytom, das bereits die lokalen Lymphgefäße besiedelt, als Grad 1 oder „Low Grade“ (gering maligne) eingestuft werden müsste, wenn man sich streng an die Graduierungsschemata hält (Abb. 4). Die Graduierung ist daher besonders bei gut differenziert erscheinenden Mastozytomen kritisch zu betrachten, insbesondere deshalb, weil ja der Tumorgrad die weitere Behandlungsstrategie stark beeinflusst.

Fazit: Die Mitoserate in einem Tumor kann aus technischen und gewebespezifischen Gründen unabhängig vom Malignitätsgrad stark variieren. Die Tumorgraduierung auf Basis der Mitoserate sollte daher nur als grober Anhaltspunkt verwendet werden. Bei der Wahl der Therapie-strategie sollte das Augenmerk auch auf andere Parameter wie Tumorlokalisation, Resezierbarkeit, Resektionsränder und histologische Tumorarchitektur gelegt werden.

Spindelzellen in der Zytologie

Bei einer zytologischen Untersuchung wird meist der Verdacht eines Sarkoms geäußert, wenn Spindelzellen nachgewiesen werden. Nach Resektion des „Tumors“ wird histologisch in manchen derartigen Fällen anstelle des vermeintlichen Neoplasmas eine reaktive Veränderung wie z. B. ein fibroblastisch demarkiertes Hämatom, eine Fettgewebsnekrose oder Panniculitis festgestellt. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?

Spindelzellen sind eine sehr häufig zytologisch beschriebene Zellgruppe, die durch plump spindelige oder auch zipfelige Zellform charakterisiert ist. Üblicherweise werden Spindelzellen als mesenchymale Zellen betrachtet. Es handelt sich dabei aber um eine sehr heterogene Zell-population, die neben Fibroblasten, Myofibroblasten und Angioblasten auch spindelförmige Basalzellen beinhaltet.

Erschwerend kommt bei der Interpretation der Zellen noch hinzu, dass Spindelzellen aus Granulationsgewebe weit atypischer erscheinen können als neoplastische Spindelzellen z. B. aus einem Felinen Fibrosarkom (Abb. 5–6). Es werden daher zusätzliche Kriterien wie Riesenzellen (bei pleomorphen Varianten von Felinen Fibrosarkomen), ein hoher Gehalt an Leukozyten (bei Panniculitis) und allfällige Pigmentierung der Zellen (bei pigmentierten Basaliomen) benötigt, um mögliche Diagnosen -einzugrenzen.

Fazit: Beim zytologischen Nachweis von Spindelzellen allein bleibt neben der Möglichkeit eines Sarkoms oder Basalioms immer die Differenzialdiagnose eines reaktiven fibroblastischen Prozesses offen. Diese kritische Betrachtung hilft sowohl bei der eigenen zytologischen Befundung als auch beim Beurteilen eines extern verfassten zytologischen Befundes. Anhand dieser drei Beispiele wird offensichtlich, dass beim Lesen von Laborbefunden ein entsprechendes Hintergrundwissen hilfreich ist, um zu erkennen, was NICHT im Befund steht, und um ein wenig zwischen den Zeilen lesen zu können – vereinzelte kritische Rückfragen an das Labor sind dann nicht aus-geschlossen!

 
 
 
Literatur  

Kiupel et al. (2011): Proposal of a 2-tier histologic grading system for canine cutaneous mast cell tumors to more accurately predict biological behavior.
Vet. Pathol. 48(1): 147–155.

Patnaik et al. (1984): Canine cutaneous mast cell tumor: morphologic grading and survival time in 83 dogs. Vet Pathol. 21(5): 469–474.