Start-up-Boom

erreicht die Tierwelt

Mag. Angelika Kramer
Redakteurin Wirtschaftsmagazin „trend“

Im Schatten der menschlichen Gründerszene hat sich einiges im Umfeld der Tiere getan. Der Großteil dieser Start-ups serviciert Tierhalter, wobei zwei davon aus dem Umfeld der Veterinärmedizin entstanden sind. 

Als Mensch hat man sich ja bereits daran gewöhnt: Für nahezu alles im täglichen Bedarf, für das es bisher keine oder nur eine unzureichende Lösung gab, oder von dem man nicht einmal wusste, dass es einem fehlt, wird seit einigen Jahren Abhilfe geschaffen. Überall auf der Welt entstehen mehr oder weniger sinnvolle Start-ups. Von der App, die alle Körperfunktionen misst, über neuartige Speisen, die natürlich per Knopfdruck ins Haus geliefert werden, bis hin zu neuartigen Dating-Portalen. Start-ups, also junge, meist technologiebasierte Unternehmen, boomen in allen Bereichen des Lebens. Im Schatten der menschlichen Gründerszene hat sich aber auch einiges für bzw. im Umfeld der Tiere getan. Das Vetjournal hat sich zehn dieser erfolgversprechenden Start-ups angesehen. Der Großteil dieser tierischen Neugründungen serviciert Tierhalter, etwa beim Einkauf, dem Urlaub oder der Erziehung des Lieblings, manche haben vor allem die Gesundheit von Katze, Hund oder Pferd im Blick und zwei sind zwar aus dem Umfeld der Veterinärmedizin entstanden, kommen nun aber dem Menschen zugute. Ein Überblick.

Ausgefallene Menüs

Ganz den Gourmets unter den Haustieren hat sich das deutsche Start-up PetsDeli verschrieben. Der 2013 in Berlin gegründete Onlinehändler verfügt mittlerweile auch über zwei Läden in der deutschen Bundeshauptstadt. Menüs mit Kängurufleisch oder Wasserbüffel, gemixt mit Ananas oder Papayas können den verwöhnten Vierbeinern dort kredenzt werden. Alles ohne Zusatzstoffe, versteht sich. Und zu einem mehr als stolzen Preis. Drei Euro zahlt man für 250 Gramm Fleisch, sechs Euro sind für eine Trockenfuttertüte zu berappen. Dennoch scheint das Konzept zu funktionieren. 30.000 Kunden zählt das Unternehmen vier Jahre nach der Gründung, der Jahresumsatz liegt im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Neben den Märkten Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande und Frankreich geht das Unternehmen, das auch die Zalando-­Gründer als Investoren an Bord hat, nun auch den riesigen US-Markt an. 

Bedarfsgerechte Ernährung

Etwas mehr die Gesundheit der Vierbeiner im Auge hat das ebenfalls deutsche Start-up Futalis. Futalis wurde von der Tierärztin Stefanie Schmidt in Kooperation mit der Universität Leipzig gegründet und widmet sich in erster Linie Tieren, die an Fettleibigkeit, Diabetes oder Allergien leiden. Für diese bietet Futalis maßgeschneiderte Esserlebnisse. Schmidt ist auch überzeugt davon, dass Tiere je nach Rasse völlig unterschiedliche Nahrungsbedürfnisse haben. Der Zwergpinscher soll also anderes im Napf vorfinden als die Dogge. Gemeinsam mit Tierärzten und Betriebswirten wird das Nahrungskonzept ständig weiterentwickelt. Das 2011 gegründete Unternehmen soll nach eigenen Angaben knapp zehn Millionen Euro einbringen. Als prominenter Investor konnte die schwerreiche deutsche Cewe-Stiftung gewonnen werden.

Unterstützung des Immunsystems

Um Nahrung, allerdings um Futtermittelzusatzstoffe für Nutztiere, geht es auch bei dem Berliner Start-up PerformaNat. Dabei handelt es sich um ein Spin-off des Instituts für Veterinärphysiologie der Freien Universität Berlin. PerformaNat konnte Anfang des Jahres sogar eine siebenstellige Investitionssumme an Land ziehen, auch das deutsche Wirtschaftsministerium ist mit Förderungen mit dabei. Was ist aber so besonders an PerformaNat, dass Investoren bereit sind, so viel Geld springen zu lassen? Im Fokus stehen die Entwicklung und Vermarktung von Produkten, die die natürliche Stoffwechselsituation und die Stärkung des Immunsystems der Tiere unterstützen. Die Gründer testen penibelst, welche Auswirkungen welche Stoffe auf die Tiergesundheit haben. Die Ergebnisse dieser Forschung kommen dem lieben Vieh zugute. Ein erstes Produkt von PerformaNat ist bereits am Markt erhältlich. 

Dem Haustier auf der Spur

Aus Oberösterreich stammt das wohl bekannteste tierische Start-up, Tractive, das seit 2012 am Markt ist und bereits einen Unternehmenswert von 17 Millionen Euro erreicht hat. Den weltweit leichtesten GPS-Tracker, der den Vierbeiner binnen Sekunden ortet, bietet Tractive an. Von der App bis hin zur Warnweste mit GPS-Tasche oder einer eigenen Jagdedition der App, die auch Jagdreviere kennzeichnet – die Produktpalette für den freiheitsliebenden Hund wird immer größer. Mehrere internationale Auszeichnungen und Geldgeber konnte das oberösterreichische Unternehmen damit schon gewinnen. Zuletzt konnte auch Harold Primat, schwerreicher Schweizer Erdöl-Millionär, überzeugt werden. Er steckte zwei Millionen Euro in Tractive. Damit sollen nun Marketing und Vertrieb in Amerika vorangetrieben werden.

Gesundheitsüberwachung

Um Überwachung ganz anderer Art handelt es sich bei Eartag Life, einem Ortungsprodukt des österreichischen Start-ups Smartbow. Das Eartag Life ist eine völlig neu­artige Rinder-Ohrmarke, die zur offiziellen Tierkennzeichnung und zum Verhaltensmonitoring der Kuh verwendet werden kann. Hauptziel dieser Marke, die seit 2014 auf dem Markt ist, ist neben der Ortung auch die Gesundheitsüberwachung des Tieres. Auch aufkeimende Krankheiten und Paarungsbereitschaft der Kuh können über das Eartag ausgemacht werden. Die Marke ist mit einer Batterie und einer LED-Leuchte ausgestattet, wiegt nur 20 Gramm und kostet zwischen 100 und 200 Euro. Zuletzt gelang
es Smartbow, mit dem US-Konzern Zoetis, dem weltweiten Marktführer in Sachen Tiergesundheit, eine vielversprechende Vertriebskooperation abzuschließen und gleichzeitig fünf Millionen Euro an Land zu ziehen. Als Dealmaker fungierte der bekannte Investmentberater ­
i5invest. 

Tierischer Urlaub

Doch das liebe Tier will ja nicht nur fressen und Gassi gehen. Urlaube und soziale Kontakte der Vierbeiner sind weitere Schwerpunkte, denen sich Start-ups weltweit widmen. Wo verbringe ich mit meinem Liebling am besten den nächsten Urlaub? Welche Länder gelten als tierfreundlich, wo darf mein Hund am Strand herumtollen, welche Quartiere erlauben mir, gleich mehrere Tiere mitzunehmen, wo darf Bello mit ins Restaurant? All diesen Fragen widmet sich das deutsche Start-up Vawidoo (Vacation with dogs). Nach über 25 hundespezifischen Kriterien könne man sein Urlaubsquartier auswählen, versprechen die Gründerinnen. Und ähnlich Airbnb können sich auch Tierliebhaber als Unterkunftgeber auf Vawidoo anmelden. Der Vollstart soll in Kürze erfolgen.

Um adäquate Erziehung und Beschäftigung für den Hund geht es bei der App mydog365. Die App bietet von Hunde­trainern zusammengestellte Tipps für Herrchen und Frauchen. Denn, so ist man bei mydog365 überzeugt, der durchschnittliche Hund ist chronisch unterfordert. Also gibt es auf dieser App täglich eine Aufgabe, die man mit seinem treuen Begleiter absolvieren kann. Neben so einfachen Übungen wie „Sitz“, „Platz“ oder „Aus“ können die Nutzer auch Befehle wie „Flaschendrehen“ an das Tier weitergeben. Sogar in der deutschen Fernsehshow „Die Höhle des Löwen“ zeigten sich die Investoren von dieser originellen Idee begeistert und ließen einen sechsstelligen Betrag springen. 

Vitaldatenmessung 

Piavita kann wohl als eines der spannendsten Start-ups im Bereich der Tiergesundheit im deutschsprachigen Raum bezeichnet werden. Die Schweizer Neugründung hat ein hochinnovatives Gerät zur Vitaldatenmessung an Tieren – von der Katze bis hin zum Pferd – entwickelt. Dahinter steckt die Idee, dass eine Diagnoseerstellung für Tierärzte meist schwierig ist, weil sich das Tier in einer ungewohnten und stressbehafteten Umgebung befindet und deshalb die Daten nicht unbedingt gut verwendbar sind. Mit diesem Gerät von der Größe einer Zündholzschachtel, das dem Tier ähnlich einem Pflaster angehaftet wird, können Puls, Körpertemperatur, Atemfrequenz und die Lebensgewohnheiten des Vierbeiners problemlos analysiert werden. Piavita wird von der Zürcher Kantonalbank und etlichen Business Angels mit einem siebenstelligen Betrag unterstützt und hat es sich zum Ziel gesetzt, „die Veterinär­medizin zu revolutionieren“. 500 Gerätebestellungen sind für heuer schon eingegangen, kürzlich wurde mit der Auslieferung begonnen. 

Nicht auslassen bei einer Aufzählung der spannendsten Start-ups aus dem Tierumfeld sollte man jene, die im Rahmen der Veterinärmedizinischen Universität Wien entstanden sind. Dabei handelt es sich zwar nicht um Start-ups, die dem Tier zugutekommen, aber mithilfe tiermedizinischer Forschung entstanden sind. „Wir haben aktuell zwei ­Spin-offs“, berichtet Christine Ruckenbauer, Geschäftsführerin der Vetwidi Forschungsholding, die Wissenschaftler bei der Unternehmensgründung unterstützt. Sie ortet noch Aufholpotenzial in dem Bereich: „Es gibt in dem Bereich viel Potenzial und wir haben die Forschung auch gut im Auge, aber von einem Start-up-Boom kann man bei uns nicht reden.“ Stolz ist man auf der Vetmeduni jedenfalls auf die Spin-offs Marinomed und Virusure. Letzteres wurde 2005 gegründet und widmet sich der Sicherheit und Sauberkeit von pharmazeutischen ­Produkten und wendet sich an die Hersteller pharmazeutischer Produkte. Das Unternehmen mit Sitz in Wien zählt unter anderem den früheren Rektor der Vetmed-Universität, Wolf-Dietrich von Fircks-Burgstaller, zu seinen Investoren und konnte auch zahlreiche öffentliche Förderungen für sich gewinnen. Auch Investoren aus Singapur setzen auf den Erfolg von Virusure.

Renommierter Schnupfenspray-Entwickler 

In der Öffentlichkeit deutlich bekannter ist Spin-off Nummer zwei der Vetmeduni, die Firma Marinomed. Das Hauptprodukt von Marinomed, das 2006 gegründet wurde, ist die Produktplattform Mavirex, die bei Erkältungen und grippalen Infekten eingesetzt wird. Neben den bereits weithin bekannten Nasensprays und Pastillen werden weitere Produkte wie Rachensprays auf der Basis desselben Wirkstoffs entwickelt. Ein zweites Standbein stellen Kombinationspräparate zur Behandlung ­viraler Erkrankungen der Atemwege dar. Zusätzlich forscht Marinomed auch an einem Medikament zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Letztes Jahr konnte der Schnupfenspray-Entwickler sogar die Jury des renommierten Houskapreises, des größten privaten Förderungs­preises, von sich überzeugen: Er belegte den ersten Platz und bekam dafür 150.000 Euro. Mittlerweile ist der Spray schon in 45 Ländern zugelassen. Neben der Austria Wirtschaftsservice GmbH und der Invest AG der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich konnte Marinomed auch arabische Investoren gewinnen. 

Auch wenn Österreich nicht unbedingt als Vorreiter in Sachen tierischer Start-ups angesehen werden kann, findet man auch hierzulande einige spannende Neugründungen. Man kann davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren weitere dazukommen. Und das Vetjournal bleibt am Ball und informiert Sie über aktuelle Entwicklungen auf diesem Gebiet.