Primärer Hyperaldosteronismus

bei einem Mischlingsrüden

Dr. med. vet. Thomas Wiebogen
Leiter der onkologischen Ambulanz
TK Tierklinik Korneuburg GmbH & Co KG
Laaer Straße 62, 2100 Korneuburg
t.wiebogen@tierklinik-korneuburg.

Aldosteron produzierende Nebennierentumoren beim Hund sind eine Rarität.

 
Einleitung

Primäre Nebennierentumoren bei Hunden und Katzen gelten als selten und machen nur ca. 1–2 % aller Tumoren beim Hund und 0,2 % aller Tumoren bei der Katze aus (Myers, 1997). Die tatsächliche Prävalenz dürfte jedoch höher sein (Lunn et al., 2013), da es eine große Dunkelziffer nicht diagnostizierter Nebennierentumoren gibt. Die Tumoren können sowohl von der Nebennierenrinde als auch vom Nebennierenmark ausgehen. Am häufigsten treten Glukokortikoid produzierende Tumoren der Nebennierenrinde und Katecholamin produzierende Tumoren des Nebennierenmarks (sogenannte Phäochromozytome) auf (Reusch, 2013).

Aldosteron produzierende Nebennierentumoren treten gelegentlich bei der Katze auf (Ash et al., 2005); beim Hund sind diese sehr selten (Rijnberk et al., 2001).

 
Fallbericht – Beschreibung des Falles:

Nationale:
Ein siebenjähriger, männlicher, kastrierter Mischlingshund namens „Buddy“ wurde aufgrund eines vermeintlichen Kreislaufdefizits im Notdienst in der Tierklinik Korneuburg vorstellig.

Anamnese:
Vorberichtlich war das 18,5 kg schwere Tier seit sechs Stunden apathisch, hechelte stark, war ataktisch und verlor unwillkürlich Harn. Der Rüde wurde fünf Jahre zuvor aus einem Tierheim in der Slowakei übernommen, weitere Auslandsaufenthalte waren keine bekannt. Seitdem wurde er regelmäßig entwurmt und geimpft und es bestanden keine sonstigen Vorerkrankungen. Die Besitzer berichteten von einer seit zwei Monaten bestehenden Harninkontinenz mit Phasen von Strangurie und intermittierender Polydipsie.

Klinische Untersuchung:
Zum Vorstellungszeitpunkt war der Patient im Allgemeinverhalten reduziert, wies eine Herzfrequenz von 100 Schlägen pro Minute und eine Atemfrequenz von 20 Atemzügen pro Minute auf. Das Abdomen war weich und durchtastbar, die innere Körpertemperatur betrug 37,9 °C. Der Patient war steh- und gehfähig, es konnte lediglich eine milde Ataxie der Hinterextremitäten mit beidseits verzögertem Stellreflex festgestellt werden.

Problemliste:
Aufgrund der unspezifischen Problemliste Apathie und Ataxie wurden nebst Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule auch eine hämatologische und blutchemische Untersuchung sowie eine Harnuntersuchung durchgeführt.

Untersuchungen:
Die Röntgenaufnahmen sowie die Hämatologie zeigten keine Abweichungen von der Norm. In der blutchemischen Untersuchung konnte eine therapierelevante Hypokaliämie mit 2,9 mmol/l (3,5-5,8 mmol/l) festgestellt werden. Alle anderen untersuchten Parameter (inkl. Thyroxin) waren in der Norm. Der Urin wies ein spezifisches Gewicht von 1.030 g/l und eine milde Proteinurie bei ansonsten inaktivem Sediment auf.

Eine Übersicht zu Differentialdiagnosen bei Hypokaliämie findet sich in Tabelle 1.

Nach initialer intravenöser Kaliumsubstitution und Stabilisierung über 48 Stunden wurde die weitere internistische Abklärung durchgeführt. In der Zwischenzeit verstärkte sich die Polydipsie (sieben Liter pro 24 Stunden) und Polyurie und der Patient zeigte ein deutliches Überköten der Hinterextremität.

Der gemessene Blutdruck war im Mittel bei 180/100 mmHg mit systolischen Maximalwerten bis 195 mmHg. Bei der anschließend durchgeführten Abdomensonografie konnte im Bereich der linken Nebenniere eine heterogene Masse mit einer Größe von sechs mal fünf Zentimetern und einer fraglicher Invasion in die Vena cava dargestellt werden, welche die umliegenden Gefäße komprimierte. Die angrenzenden Lymphknoten waren sonografisch unauffällig. 

Eine ergänzende computertomografische Untersuchung bestätigte den Verdacht eines Tumors der linken Nebenniere. Es bestand allerdings kein CT-morphologischer Hinweis auf Gefäßinvasion oder Metastasierung in andere Bauchorgane oder die Lunge. 

Im Anschluss durchgeführte Tests zur Diagnose eines Hypercortisolismus (ACTH-Stimulationstest, Low-Dose-

Das Normetanephrin-Kreatinin-Verhältnis im Urin zur Abklärung eines Phäochromozytoms (Kook et al., 2010; Quante et al., 2010) wurde zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig bestimmt wie Aldosteronlevel oder Aldosteron-Renin-Verhältnis aus dem Serum (Javadi et al., 2005).

 

Erweiterte Problemliste:

Für den Patienten ergab sich also
folgende erweiterte Problemliste:

• Hypokaliämie
• Hypertonie
• Polyurie/Polydipsie
• Neoplasie der linken Nebenniere

Differentialdiagnosen zur Problemliste:
Als mögliche Differentialdiagnosen wurden ein Phäochromozytom, ein Aldosteron produzierender Nebennieren-tumor und – weniger wahrscheinlich – ein Glukokortikoid produzierender Nebennierentumor sowie ein nicht hormonell aktiver Tumor der Nebenniere in Betracht gezogen.

Auf eine weitere präoperative Differenzierung des Tumors wurde verzichtet, da aufgrund der sonografischen und computertomografischen Untersuchung die chirurgische Resektion die Therapie der Wahl darstellte und die Tumor-entität in diesem Fall keinen Einfluss auf die geplante Operation hatte.

Therapie:
Aufgrund der Hypertonie wurde präoperativ eine Therapie mit Phenoxybenzamin (Dibenzyran®) eingeleitet, weil derart vorbehandelte Patienten im Falle eines Phäochromozytoms ein besseres postoperatives Ergebnis bei Adrenalektomie aufweisen (Herrera et al., 2008). Dennoch ist die perioperative Mortalität mit 13,5 % (Massari et al., 2011) bis 20 % (Schwartz et al., 2008) relativ hoch, weshalb der Patient prä-, peri- und postoperativ nach einem strikten Protokoll intensivmedizinisch überwacht wurde. Für die Operation wurde aufgrund der Größe des Tumors und einer vermuteten Verklebung mit der Milz der Zugang über die Linea alba mit einer parakostalen Erweiterung nach links gewählt.

Nach Darstellung (Abb. 2) und Freipräparieren (Abb. 3) der tumorös entarteten linken Nebenniere wurde die V. phrenicoabdominalis ligiert und durchtrennt; die sonstige Blutstillung erfolgte mittels Elektrokauter. Im Anschluss konnte der Nebennierentumor in toto entfernt werden (Abb. 4 und 5). 

Auch intraoperativ konnte weder eine Thrombosierung in die Vena cava noch eine Metastasierung in anderen Bauchorganen festgestellt werden. Der Bauchwand-verschluss erfolgte routinemäßig nach Klinikstandard. Der Eingriff verlief ohne Komplikationen, der Patient erholte sich gut postoperativ und konnte zwei Tage nach der Operation in häusliche Pflege entlassen werden. Zum Entlassungszeitpunkt war der Patient normo-kalämisch, normoton mit einem Blutdruck von 133/108 mmHg und zeigte keinerlei klinische Auffälligkeiten mehr.

 
 

Diagnose:
Bei der Nahtentfernung 12 Tage postoperativ lag der histologische Befund vor. Die Diagnose war Adenom der Nebennierenrinde, wobei keine histologischen Hinweise auf Malignität vorhanden waren. Ein sehr gut differenziertes Karzinom konnte nicht gänzlich ausgeschlossen werden, ein Phäochromozytom jedoch schon. Die Verdachtsdiagnose Aldosteron produzierender Nebennierentumor wurde gestellt.

Verlauf – follow up:
In weiterer Folge wurde der Patient alle acht bis zehn Wochen sonografisch und blutchemisch untersucht und zeigte bis sechs Monate postoperativ keinerlei Auffälligkeiten.

Sieben Monate nach der durchgeführten Operation entwickelte der Rüde jedoch wieder eine intermittierende Polyurie und Polydipsie. Der Blutdruck war im Mittel bei 180/80 mmHg und die Kaliumkonzentration im Plasma lag bei 2,7 mmol//l (3,5-5,8 mmol/l). Im Abdomenultraschall zeigten sich im Gekröse ventral der Milz sowie in allen Leberlappen multiple polyzystische Rundherde. Aufgrund der identen Symptome wie bei Erstvorstellung wurde der Verdacht auf Metastasen ausgesprochen. Eine basale Aldosteronbestimmung aus dem Blutserum wurde in die Wege geleitet (Nation Wide Specialist Laboratories, Cambridge).

Zeitgleich wurde ein konservativer Therapieversuch mit Spironolacton, Benazepril, Phenoxybenzamin und peroraler Kaliumsubstitution gestartet.

Aufgrund des unzureichenden Ansprechens auf die Therapie und Verschlechterung der Symptome wurde der Rüde kurze Zeit später auf Besitzerwunsch euthanasiert. Die Überlebenszeit nach Erstvorstellung betrug knapp neun Monate.

Der Aldosteronspiegel im Serum lag bei 1.984 pmol/l, was trotz fehlender einheitlicher Referenzwerte für den Hund deutlich über den bekannten physiologischen Basalwerten liegt (Behrend et al., 2005; Machida et al., 2008) und somit die Diagnose primärer Hyperaldosteronismus untermauert. Im hier vorliegenden Fall dürfte es sich um ein Aldosteron produzierendes Karzinom der Nebennierenrinde gehandelt haben. Eine postmortale Pathologie konnte leider nicht durchgeführt werden.

Fazit für die Praxis:

Aldosteron produzierende Tumoren der Nebennierenrinde sind bis dato nur vereinzelt beim Hund beschrieben (Behrend et. al., 2005; Donnelly et al., 2012; Johnson et. al, 2006; Machida et al., 2005; Rijnberk et. al., 2001;). Dennoch stellen sie eine wichtige Differentialdiagnose bei Hunden mit Hypokaliämie und/oder Hypertonie (Reusch et al., 2010) dar.

 

 
 
Literatur  

Ash RA, Harvey AM, Tasker S: Primary hyperaldosteronism in the cat: a series of 13 cases. J Feline Med Surg. 7:173–82, 2005.

Behrend EN, Weigand CM, Whitley EM, Refsal KR, Young DW, Kemppainen RJ: Corticosterone- and aldosterone-secreting adrenocortical tumor in a dog. J Am Vet Med Assoc. 226:1662-6, 2005.

Donnelly K, DeClue AE, Sharp CR: What is your diagnosis? 12-year-old spayed female Labrador Retriever with a history of polyuria and polydipsia. J Am Vet Med Assoc. 240:1283-5, 2012.

Herrera MA, Mehl ML, Kass PH, Pascoe PJ, Feldman EC, Nelson RW: Predictive factors and the effect of phenoxybenzamine on outcome in dogs undergoing adrenalectomy for pheochromocytoma. J Vet Intern Med. 22:1333-9, 2008.

Javadi S, Djajadiningrat-Laanen SC, Kooistra HS, van Dongen AM, Voorhout G, van Sluijs FJ, van den Ingh TS, Boer WH, Rijnberk A: Primary hyperaldosteronism, a mediator of progressive renal disease in cats. Domest Anim Endocrinol. 28:85-104, 2005.

Johnson KD, Henry CJ, McCaw DL, Turnquist SE, Stoll MR, Kiupel M, Bondy PJ: Primary hyperaldosteronism in a dog with concurrent lymphoma. J Vet Med A Physiol Pathol Clin Med. 53:467-70, 2006.

Kook PH, Grest P, Quante S, Boretti FS, Reusch CE: Urinary catecholamine and metadrenaline to creatinine ratios in dogs with a phaeochromocytoma. Vet Rec. 166:169-74, 2010.

Lunn KF, Rodney LP: Tumors oft he Endocrine System. In: Withrow & MacEwens (Hrsg.) Small Animal Clinical Oncology, 5. Aufl., Elsevier, 510-3, 2013.

Machida T, Uchida E, Matsuda K, Hirayama K, Yoshii K, Takiguchi M, Taniyama H: Aldosterone-, Corticosterone- and Cortisol-Secreting Adrenocortical Carcinoma in a Dog: Case Report. J. Vet. Med. Sci. 70:317-320, 2008.

Massari F, Nicoli S, Romanelli G, Buracco P, Zini E: Adrenalectomy in dogs with adrenal gland tumors: 52 cases (2002-2008). J Am Vet Med Assoc. 239:216-21, 2011.

Myers NC 3rd: Adrenal incidentalomas. Diagnostic workup of the incidentally discovered adrenal mass. Vet Clin North Am Small Anim Pract. 27:381-99, 1997.

Quante S, Boretti FS, Kook PH, Mueller C, Schellenberg S, Zini E, Sieber-Ruckstuhl N, Reusch CE: Urinary catecholamine and metanephrine to creatinine ratios in dogs with hyperadrenocorticism or pheochromocytoma, and in healthy dogs. J Vet Intern Med. 24:1093-7, 2010.

Reusch CE, Schellenberg S, Wenger M: Endocrine hypertension in small animals. Vet Clin North Am Small Anim Pract. 40:335-52, 2010.

Reusch C: Tumoren der Nebennieren. In: Kessler M. (Hrsg.) Kleintieronkologie,

Rijnberk A, Kooistra HS, van Vonderen IK, Mol JA, Voorhout G, van Sluijs FJ, IJzer J, van den Ingh TS, Boer P, Boer WH: Aldosteronoma in a dog with polyuria as the leading symptom. Domest Anim Endocrinol. 20:227-40, 2001.

Schwartz P, Kovak JR, Koprowsky A, Ludwig LL, Monette S, Bergman PJ: Evaluation of prognostic factors in the surgical treatment of adrenal gland tumors in dogs: 41 cases (1999-2005). J Am Vet Med Assoc. 232:77-84, 2008.