„Wir können den Weg nur miteinander

zum Wohle des Patienten gehen“

Tanja Braune
tanja.braune@gmx.at

Anfang Dezember fand in der Oberösterreichischen Ärzte­kammer der Diskussionsabend „Pluralismus in der Medizin“ statt. Den Veranstaltern rund um Dr. Bernhard Zauner und Dr. Thomas Peinbauer ist es gelungen, hoch­karätige Speaker und Experten aus Wissenschaft und Politik an einen Tisch zu bekommen.

„Eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung mit der Komplementärmedizin und der konventionellen Medizin ist äußerst wichtig“, eröffnete Dr. Bernhard Zauner die viel beachtete Veranstaltung im Brennersaal der Linzer Ärztekammer, „denn es soll und muss für unsere Patienten ein zukunftsorientiertes und patientenfreundliches Gesundheitssystem entwickelt werden. Und dafür müssen sich alle an einen Tisch setzen. Das ist die Absicht dieser Veranstaltung!“ Das Interesse an dem Diskussionsabend war schon im Vorfeld sehr groß, und so nahmen neben etlichen Interessierten auch zahlreiche Pressevertreter im Publikum Platz.

Durch den Abend führte Moderatorin Dr. Christine ­Haiden, die auch gleich den ersten Impulsvortrag von Prof. Robert Jütte ankündigte. Der Medizinhistoriker aus Stuttgart, ehemaliger Vorsitzender des Dialogforums Pluralismus in der Medizin, plädierte für eine Zusammen­arbeit der konventionellen Medizin und der Komplementärmedizin und warnte, dass man bei all der ­Diskussion nicht den wichtigsten Part, nämlich den Patienten, vergessen solle. Zum Schluss seines Vortrags warf er noch einen Blick über den Großen Teich: „Während bei uns in Europa wieder Forderungen laut werden, die Komplementärmedizin aus dem Curriculum zu verbannen oder nicht mehr von den Kassen erstatten zu lassen, wird in den USA an den medizinischen Universitäten, auch in Harvard, eine erstaunliche Bandbreite unterrichtet.“ Und sein letzter Tipp wurde von tosendem Applaus begleitet: „Der Homöopathie die Wirkung abzustreiten ist völlig irrational – auf diese platten Aussagen sollte man sich gar nicht einlassen!“

Nach weiteren interessanten Vorträgen brannte die ­Frage auf, warum es in der Tiermedizin einfacher zu sein scheint, komplementärmedizinische Methoden anzuwenden. Die Antwort übernahm Mag. Kurt Frühwirth, Präsident der Österreichischen Tierärztekammer: „Es ist nicht so einfach, aber vielleicht machen wir es einfacher. Mit dem Positionspapier zur integrativen respektive komplementären Medizin wollen wir klar aufzeigen, was wir unter Integrativ­medizin verstehen. Bewogen haben uns dazu unter anderem die Antibiotikaresistenzen und die therapeutischen Anwendungen durch Nichtmediziner. Unter Letzteren leiden nicht nur die Methoden selbst,“, so der ÖTK-Präsident, „sondern vor allem auch die Patientensicherheit, welche durch den Fachtierarzt für Homöopathie, Akupunktur und Neuraltherapie, Chiropraktik und auch das Diplom der Tierärzte­kammer für Phytotherapie gesichert wird.“

„Eine klassische schulmedizinische Ausbildung ist die ­Basis für alle komplementärmedizinischen Methoden,“ stellt Frühwirth fest und meint weiter: „Daher fordern wir auch eine universitäre Ausbildung in der Komplementärmedizin. Wir müssen Rahmenbedingungen in der Ausbildung schaffen – da ist die Politik gefordert.

Die Tierärztekammer ist natürlich die politische Vertretung, aber wir brauchen auch Verbündete. Gerade die Veterinärhomöopathie zeigt, dass nicht der Placeboeffekt der entscheidende Umstand ist. Hier geht es nicht nur um Evidenz hin und Placebo her – es funktioniert, es wirkt, und es wird danach gefragt. Wir dürfen uns nicht mit Streit aufhalten, wenn der Patient wartet. Denn es muss dringend etwas passieren: Es ist fünf vor zwölf!“

Was verändert sich für einen Mediziner, wenn er in mehreren Ansätzen denken kann? Diese nächste Frage ging an Dr. Thomas Peinbauer, Modulbeauftragter des Wahlfachs Komplementärmedizin an der neuen Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität in Linz und Mitveranstalter des Abends. „Der Patient muss im Mittelpunkt der Medizin stehen – und damit auch die ­Sicherheit des Patienten, entsprechend dem alten Grundsatz des medizinischen Handelns ‚primum non nocere‘. Risk Governance fordert, dass ­komplementärmedizinische Methoden gesetzlich reguliert werden: Ausbildung, ­Praxis und die Arzneiherstellung – nur so kommt es zu einer ­höheren Behandlungssicherheit für den Patienten. Daher ist eine universitäre Ausbildung notwendig. Nur so kann gewährleistet sein, dass man zu einer gemeinsamen Sprache und Kommunikation findet – und dann kann das Wissen auch in unterschiedlichsten Situationen zum Wohle des Patienten eingesetzt werden. Die banalen ­Forderungen nach Abschaffung oder Verbot von Methoden gehen nicht nur an der Realität vorbei, sondern vernichten auch noch zu erforschende Potenziale.“

Nun war Univ.-Doz. Dr. Reinhard Länger an der Reihe, der als Pharmazeut die Zulassungs- und Qualitätskriterien pflanzlicher Arzneimittel und Homöopathika bei der AGES leitet. „Bei der Zulassung von Arzneimitteln gibt es zwei Seiten. Der Qualitätsaspekt ist unumstritten und bei allen Arzneimitteln gleich. Die Maßstäbe sind immer die höchsten, die man sich vorstellen kann. Der andere Aspekt ist Wirksamkeit und Sicherheit. Da meist keine Daten aus kontrollierten klinischen Prüfungen vorliegen, muss ein Antragsteller gemäß Arzneimittelgesetz die spezifische homöopathische Wirksamkeit belegen. Dies geschieht meist mittels bibliografischer Unterlagen, die den Einsatz eines homöopathischen Wirkstoffs in einem bestimmten Indikationsgebiet darlegen. Das ist vergleichbar mit der seit 2006 neu geschaffenen Kategorie der traditionellen pflanzlichen Arzneimittel: Bei einem Kamillentee gibt es auch keine ­harte Evidenz zur Wirksamkeit, die Indikation leitet sich daher aus der langjährigen medizinischen Verwendung ab.“

Auch die Ärztekammer Oberösterreich war mit Dr. ­Claudia Westreicher vom Referat für Komplementärmedizin bei der Diskussion vertreten: „Das ­Miteinander und die Akzeptanz für komplementärmedizinische Methoden ist in den letzten Jahren in Oberösterreich ­besser ­geworden. Leider haben wir aber in der näheren Vergangenheit wieder Tendenzen von außen, aber auch von innen, die wieder eine stärkere Abgrenzung fordern. Die Basis für die Behandlung eines Menschen ist die akademische Ausbildung zum Arzt respektive zur Ärztin. Daher wäre es gut, wenn sich hier schon viel Komplementärmedizin in der universitären Ausbildung finden würde.

Doch in puncto Ausbildung liegen wir – salopp formuliert – noch in der Steinzeit. Aber die Uni in Linz ist noch jung, muss noch ihren Weg machen; ein guter Ansatz ist ja bereits da. Aber es bleibt abzuwarten, wie weit Linz auf Zurufe von außen reagiert. Die Medizinische Universität Wien ist ja im Moment voll im Trend des ,Dagegenseins‘. Warum, weiß ich nicht – dennoch wundert man sich natürlich, dass hier eine Vorlesung von Prof. Dr. Michael Frass durch eine Esoterik-Vorlesung ersetzt wurde.“

Wie groß die Nachfrage nach guten Ausbildungen ist, verriet schließlich Dr. Christine Schauhuber: „Wir bieten an der Donauuniversität Krems eigentlich das ganze Spektrum an Ausbildungen an: Phytotherapie, Natural Medicine, Metabolic Health Care, Chinesische Medizin und vieles mehr – zum Teil auch mit Österreichische-Ärzte­kammer-Diplom. Das wird sehr gut angenommen, wir haben in jedem Lehrgang rund 120 Teilnehmer.“

Zum Schluss zog Veranstalter Dr. Bernhard Zauner noch sein Resümee: „Ein wenig Offenheit würde uns allen gut tun. Alle Personen im Gesundheitswesen sollten miteinander sprechen und den Weg gemeinsam gehen. Denn für ein patientenorientiertes Gesundheitssystem braucht es viele kleine Schritte, und ich denke, diese Veranstaltung war ein sehr erfolgreicher davon.“ Doch das Schlusswort wollte sich Dr. Claudia Westreicher von der Ärztekammer nicht nehmen lassen und unterstützte nochmals den Wunsch ihres Vorredners: „Ja, wir brauchen ein breites Wissen – aber es kann nicht jeder alles wissen. Da muss man dann netzwerken. In diesem Sinne braucht es ein bisschen mehr Freiheit, Offenheit und gegenseitiges Verständnis. Wir können den Weg nur miteinander zum Wohle des Patienten gehen!“