Impfen von Hunden und Katzen:

auf das richtige „Wogegen“, „Wann“ und „Wie oft“ kommt es an

AO. Univ.-Prof. Dr. Karin Möstl

Unsere Hunde- und Katzenpopulationen sind nach wie vor gefährlichen Infektionskrankheiten
ausgesetzt. Impfungen stellen die wirksamste Präventivmaßnahme dar.

Gefährliche Infektionskrankheiten lauern überall, wir müssen daher anstreben, dass alle Hunde und Katzen mit den Core-Komponenten (siehe folgend) sowie mit denjenigen Non-Core-Komponenten geimpft werden, für die für das individuelle Tier ein Expositionsrisiko besteht – zum Schutz des Einzeltieres, aber auch der Population. Die zur Verfügung stehenden Impfstoffe sind sehr gut wirksam, gegen die wichtigsten viralen Erreger vermitteln sie sogar einen jahrelang anhaltenden Schutz. Sie verfügen auch über einen hohen Grad an Sicherheit; dennoch ist keine Impfung völlig risikolos. Für die Tierärzteschaft gilt: Wir müssen vermeiden, Tiere gegen Krankheiten zu impfen, die für sie kein Risiko darstellen oder gegen die bereits Immunität besteht (Überimpfung). Jede Impfung bedarf einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Analyse.

Wogegen geimpft werden soll

Die bekannte Einteilung in „Core-Komponenten“ und „Non-Core-Komponenten“ ist für die Entscheidung, wogegen geimpft werden soll, hilfreich. Mit den „Core-Komponenten“ der jeweiligen Spezies sollte jedes Tier geimpft werden, weil es sich um solche Erreger handelt, die schwerwiegende Krankheiten, unter Umständen auch mit tödlichem Ausgang, auslösen, zur epidemieartigen Ausbreitung in der Population neigen, eine Gefahr für den Großteil der Population darstellen oder Zoonosecharakter mit schwerwiegenden Folgen für den Menschen haben. 

„Core-Komponenten“ des Hundes (in unseren Regionen) sind:
• Staupevirus
• Canines Parvovirus 2
• Canines Adenovirus 1
(Erreger der Hepatitis contagiosa canis, H.c.c.)
• Leptospiren
• Tollwutvirus

„Core-Komponenten“ der Katze sind:
• Felines Panleukopenievirus
• Felines Herpesvirus
• Felines Calicivirus
• Bei Freigängern auch Tollwutvirus und ev. Felines Leukämievirus

„Non-Core-Komponenten“ können bei entsprechendem Risiko für den individuellen Impfling sehr wichtig sein. Dies hängt z. B. von den Haltungsbedingungen (z. B.
Zuchten, Zwinger, Tierheime), von der epidemiologischen Situation, von der Nutzung der Tiere (z. B. Jagd, Zucht) oder anderen Lebensumständen (z. B. Reisetätigkeit) ab. Zweifellos verleitet die Verfügbarkeit großer Impfstoffkombinationen dazu, der Einfachheit halber jeden Impfling damit zu impfen. Dies ist allerdings eine Vorgangsweise, die zunehmend als nicht mehr vertretbar eingestuft wird. Gerade „Non-Core-Komponenten“ oder die Kombination mehrerer Impfantigene sind mitunter für Nebenwirkungen verantwortlich und müssen daher vermieden werden, wenn kein Nutzen von ihrer Anwendung zu erwarten ist.

Wann geimpft werden soll

Die Schwierigkeit, den richtigen Impfzeitpunkt zu bestimmen, trifft vor allem auf die Grundimmunisierung von Welpen zu. Hunde- und Katzenwelpen verfügen im Allgemeinen über maternale Antikörper, die für den ­ersten Schutz vor Feldinfektionen essenziell sind, aber gleicher­maßen auch Impferreger neutralisieren und damit unwirksam machen. Das Problem ist, dass erstens ohne Antikörpertiterbestimmung nicht bekannt ist, wie lange dieser Schutz bzw. die Interferenz mit Impfungen beim einzelnen Welpen vorhanden ist, und dass zweitens diese Phase individuell sehr unterschiedlich lang sein kann. Während bei schlecht maternal versorgten ­Welpen bereits mit circa sechs Wochen eine Empfänglichkeit für Feldinfektionen vorliegen kann, sind andere Welpen z. B. gegen Parvoviren bis 16 Wochen oder noch länger geschützt bzw. bis dahin nicht aktiv immunisierbar. Um dieses Problem zu lösen, wird meist ein gestaffeltes Impfprogramm angewandt; es werden also mehrere Impfungen im Abstand von zwei bis vier Wochen im Alter von (sechs) acht bis 16 (20) Wochen appliziert, um möglichst bald nach Beginn der Immunisierbarkeit eine Impfung einzusetzen und damit eine ungeschützte Phase möglichst kurz zu halten. Man nimmt dabei in Kauf, dass Impfungen oft ohne Wirkung bleiben, weil sie durch vorhandene Antikörper sofort neutralisiert werden. (Die Tierbesitzer glauben oft fälschlicherweise, dass mehrere Impfungen – auch bei Verwendung von Lebendvakzinen – für den Aufbau der Immunität erforderlich seien.) Das Problem lässt sich durch Antikörpertiterbestimmungen umgehen, um entweder Informationen über den maternalen Schutz oder über den Erfolg einer verabreichten Impfung zu erhalten.

Ohne Kenntnis des Antikörperstatus gehen alle Expertengruppen, die Leitlinien zur Impfung von Hunden und Katzen erstellen, mit folgenden Empfehlungen konform:

Die Grundimmunisierung mit „Core-Komponenten“ setzt sich aus der Welpenimpfserie und einem Booster zusammen. Die Welpenimpfserie muss, je nach Erreger und individueller Situation des Impflings, ein Alter von sechs bis acht bis 12–16–20 Wochen abdecken. Die Boosterung danach wird spätestens zwölf Monate später, ev. schon früher (im Alter von 26 bis 52 Wochen) empfohlen.

Bei den „Non-Core-Komponenten“ ist das Problem der maternalen Antikörper meist nicht so stark ausgeprägt, sodass die Welpenimpfserie früher abgeschlossen werden kann (der Zeitpunkt ist vom jeweiligen Erreger und Impfstoff abhängig).

Zur Grundimmunisierung von älteren Tieren, bei denen das Vorhandensein von maternalen Antikörpern ausgeschlossen werden kann, genügt für die viralen „Core-Komponenten“ bei Verwendung von Lebendimpfstoffen eine einzige Impfdosis, bei „Non-Core-Komponenten“ und inaktivierten Impfstoffen sind i. A. zwei Impfdosen erforderlich. Eine Boosterung wird nach spätestens einem Jahr empfohlen.

Wie oft geimpft werden soll

Dabei geht es vor allem um die Frage der Nachimpfungen. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass die Dauer der vakzineinduzierten Immunität (Duration of immunity = DOI) bei Parvoviren, Staupevirus und dem H.c.c.-Erreger viele Jahre, eventuell sogar lebenslang anhält. Aus Sicherheitsgründen wird derzeit die minimale DOI für diese Erreger mit drei Jahren angenommen, woraus die Empfehlung resultiert, gegen diese Erreger alle drei Jahre (und jedenfalls nicht häufiger) nachzuimpfen. Anders ist die Situation bei der Leptospirose, bei „Non-Core-Komponenten“ oder bei Verwendung von inaktivierten Vakzinen, für welche häufigere Nachimpfungen erforderlich sind. Auch spezielle epidemiologische Situationen (z. B. Tierheime, Seuchenausbrüche) können ein Abweichen von diesen Empfehlungen erfordern.

Häufigere Nachimpfungen, speziell die früher üblichen jährlichen Nachimpfungen gegen alle Erreger, sind nicht mehr vertretbar, weil die Impfung von bereits immunen Tieren keinerlei positiven Effekt bewirkt. Bereits vorhandene Antikörper können das Impfantigen neutrali­sieren, bevor das Immunsystem stimuliert wird. Es ist im Gegenteil nicht auszuschließen, dass sich eine solche Impfung sogar kontraproduktiv auf den Antikörperstatus auswirken kann. Was bei der Impfung von bereits immunen Tieren bleibt, ist das zwar geringe, aber jedenfalls vorhandene Risiko einer negativen Nebenwirkung. Eine Nutzen-­Risiko-Analyse fällt also klar gegen die Impfung aus. Ein weiterer Aspekt ist, dass der Tierbesitzer/die Tierbesitzerin für etwas bezahlt, das dem Tier keinerlei Nutzen, sondern lediglich ein – wenn auch geringes – Risiko bringt. 

Dem aktuellen Wissensstand folgend haben diverse Impfstoffhersteller ihre Empfehlungen bereits angepasst und empfehlen für die entsprechenden Komponenten nicht mehr die jährliche Nachimpfung. Um jedenfalls auf der sicheren Seite zu sein, bieten sich Antikörper­titerbestimmungen an. Bei Erregern, bei denen eine gute Korrelation zwischen dem Antikörpertiter und dem Schutzzustand besteht (z. B. Staupe- und Parvo­virus), kann durch diese Methode eine Information über den Immunstatus des Impflings und damit eine Entscheidungshilfe gewonnen werden. In jedem Fall soll die Vorgangsweise zur Impfung mit dem Tierbesitzer/der Tierbesitzerin besprochen und einvernehmlich beschlossen sowie dokumentiert werden.

Impfleitlinien geben Hilfestellung

Verschiedene Expertengruppen haben Leitlinien zur Impfung von Hunden und Katzen erstellt, um den praktizierenden Kolleginnen und Kollegen Informationen auf letztem Wissensstand (was bei den Herstellerempfehlungen i. A. nicht möglich ist) zu bieten. Diese ­Informationen sind evidenzbasiert und möglichst auf die tägliche Praxis­situation der jeweiligen Länder ausgerichtet. Um sie jeweils aktuell zu halten, sind laufende Bearbeitungen erforderlich. Dies ist nun auch mit den österreichischen Empfehlungen geschehen, die nun als „Impfleitlinien für Kleintiere 2017“ verfügbar sind.

 

Nationale und internationale
Impfleitlinien, z. B.:

• Impfleitlinien für Kleintiere 2017:
www.tieraerzteverlag.at

• Leitlinie zur Impfung von Kleintieren,
StiKo Vet am FLI, 4. Auflage,
12.12.2016, Hartmann et al.

• WSAVA vaccination guidelines
for the dog and the cat.
Day et al., JSAP 57, 2016

• ABCD – European Advisory
Board on Cat Diseases: www.abcdcatsvets.org