Fachgerechte Entwurmung von Hunden und Katzen:

Ein Fall für Doktor Google?

Univ.-Prof. Dr. med. vet. Anja Joachim
Leiterin des Instituts für Parasitologie,
Department für Pathobiologie, Vetmeduni Vienna
anja.joachim@vetmeduni.ac.at

Wenn man in gängigen Internetsuchmaschinen die Begriffe „Entwurmung Hunde“ eingibt, erscheinen als Erstes …

… nein, keine Empfehlungen tierärztlich geleiteter Foren, auch keine anderen Informationen medizinisch-wissenschaftlicher Art, sondern … eine Inseratseite für Hundefutter, auf der für eine „naturgerechte Entwurmung“ mithilfe von Pflanzenstoffen geworben wird. Egal, wie man selbst zu diesem Thema stehen mag, dieser Fund reflektiert in gewisser Weise auch die zunehmend kritische Haltung von PatientenbesitzerInnen gegenüber „schädlichen“ Medikamenten, für die sie eine Alternative suchen. Besonders an Antiparasitika wird dabei oft heftige Kritik geübt, obwohl der Pharmakovigilanzreport von 2016 (https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/05_Tierarzneimittel/Fachmeldungen/DTBl_05_2016_Fokus%20Antiparasitika.pdf?__blob=publicationFile&v=3), gemessen an der hohen Anwendungsfrequenz, für die meisten Antiparasitika kein besonderes Risiko an Nebenwirkungen ausweist. Im selben Maße, in dem die ablehnende Haltung gegenüber der Schulmedizin und deren Praktiken zunimmt, scheint das Vertrauen zu deren VertreterInnen abzunehmen. Die tierärztliche Ordination als Anlaufstelle für Information, Ratschläge und nicht zuletzt den Erwerb von Antiparasitika, ob Zecken- und Flohschutzmittel oder Anthelminthika, scheint ausgedient zu haben – heutzutage gibt es Internetapotheken (die rechtlichen Gegebenheiten werden von den BestellerInnen aufgrund der Preisgestaltung wohl nicht infrage gestellt) und eben Dr. med. vet. Google mit zahlreichen Informations- und Diskussionsplattformen, auf denen scheinbar jede Art von Auskunft erteilt und Meinungen ausgetauscht werden können. Warum ist die fachgerechte Beratung und Diagnose vor der Abgabe von Antiparasitika oft kein fester Bestandteil der tierärztlichen Praxis (mehr), obwohl laut einer Studie des Bundesverbandes für Tiergesundheit e. V. von 2010 (http://www.bft-online.de/index.php?id=397) der Anteil der Antiparasitika weltweit gesehen den größten Teil der Umsätze bei Tierarzneimitteln ausmacht? Inzwischen gibt es gezielte Initiativen, Tierärztinnen und Tierärzte wieder vermehrt für die Beratung und Auswahl von Antiparasitika (und konsequenterweise für deren Verkauf) „ins Spiel zu bringen“. Die gängigste wird vom European Scientific Counsel Companion Animal Parasites (ESCCAP) geleitet. 

 
Was tut ESCCAP?

ESCCAP hat als europäischer Dachverband mittlerweile sechs Richtlinien und Empfehlungen ausgearbeitet, die in insgesamt 16 Ländern Europas, darunter auch in Österreich, in den jeweiligen Landessprachen vorliegen. Diese Richtlinien sind elektronisch über die Internetseiten des Dachverbandes (www.esccap.org) und der Landes­verbände (z. B. www.esccap.org/national-associations/Austria/1/) erhältlich und werden ständig aktualisiert und erweitert. Die Landesverbände entwickeln darüber hinaus noch weitere Unterlagen wie z. B. Flyer und Poster zum Thema Parasitenbefall bei Kleintieren und dessen fach­gerechte Bekämpfung.

An wen richtet sich ESCCAP?

ESCCAP ist eine Vereinigung von Veterinärparasito­logInnen aus ganz Europa, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, TierärztInnen bezüglich der sachgerechten Anwendung von Antiparasitika auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu beraten und zu unterstützen. Das Angebot an Antiparasitika zur Entwurmung und Ektoparasitenprophylaxe bei Kleintieren ist so vielfältig wie noch nie. Einerseits erweitert die ständig wachsende Zahl an Zulassungen für Anwendungen mit neuen Wirkstoffen (oder für bereits etablierte Medikamente in neuer Formulierung) die Möglichkeiten einer gezielten Parasitenkontrolle ganz enorm. Andererseits fällt es im Praxisalltag oft schwer, aus der Fülle der Möglichkeiten die für individuelle Patienten beste Anwendung auszuwählen. Daher hat ESCCAP Richtlinien für ­TierärztInnen erstellt, die die Fülle der verfügbaren Informationen bündeln und eine praxisgerechte Entscheidungsgrundlage bieten sollen. Darüber hinaus erstellt ESCCAP auch Informationsmaterial zur Verwendung in tierärztlichen Ordinationen und für TierbesitzerInnen. Diese Unterlagen, wie Flyer oder Poster, können als Grundlage für das Informationsgespräch mit dem behandelnden Tierarzt/der behandelnden Tierärztin dienen.

Wie wird die ESCCAP-Initiative finanziert?

ESCCAP Europa wird von der veterinär-pharmazeutischen Industrie finanziell unterstützt. Im Unterschied zu Produktbewerbungen einzelner Firmen werden die Informationen, die im Namen von ESCCAP herausgegeben werden, jedoch nicht im Auftrag der Firmen von deren Mitarbeitern erstellt, sondern ausschließlich von unabhängigen Fachleuten, die an Veterinärfakultäten Europas tätig sind, und ExpertInnen aus der Praxis. Die Sponsoren beteiligen sich gemeinschaftlich an der Finanzierung der Richtlinien und anderer Dokumente sowie der Online-Plattform und bekommen die Unterlagen nach der Zusammenstellung übermittelt. So wird gewähr­leistet, dass ohne Gewichtung bestimmter Produkte objektive Empfehlungen erstellt werden können. Die Entscheidung zur Erstellung oder Überarbeitung der Unterlagen wird von den nationalen VertreterInnen von ESCCAP gemeinsam getroffen.

 
Wie arbeitet ESCCAP Österreich?

ESCCAP Österreich ist seit 2016 Teil der Initiative ESCCAP Deutschland e. V. (www.esccap.de), die als ­eingetragener Verein in Deutschland angesiedelt ist und Richtlinien und Empfehlungen in deutscher Sprache ­veröffentlicht. Der österreichische Zweig von ESCCAP ist an der Erstellung der deutschsprachigen ESCCAP-Dokumente beteiligt und macht diese auch für österreichische Tierärztinnen und Tierärzte zugänglich. Dafür steht ein Teil des Budgets für nationale Initiativen in Österreich zur Verfügung. Auf österreichischer Ebene wird dies durch die Unterstützung der VertreterInnen der beteiligten pharmazeutischen Firmen, vor allem aber der Österreichischen Tierärztekammer ermöglicht. Einschaltungen in Zeitschriften, Flyer oder Poster können als Informationsmaterial an praktizierende TierärztInnen verteilt werden. Selbstverständlich stehen alle online erhältlichen Informationen von ESCCAP Deutschland e. V. auch in Österreich zur Verfügung. Die Plattform www.ESSCAP.de hält dafür frei zugängliche Informationen für Tierhalterinnen mit Basisinformationen und einem News-Bereich bereit sowie einen passwortgeschützten Bereich für TierärztInnen, in dem Informationen zu Antiparasitika abgefragt werden können.

 

Was sind die Ziele von ESCCAP?

Durch die Gründung eines ExpertInnennetzwerks für veterinärparasitologische Fragestellungen soll aktuelles Fachwissen zu praxistauglichen Informationen für TierärztInnen und TierhalterInnen aufbereitet und breit zur Verfügung gestellt werden. Wir hoffen, dass die ESCCAP-Initiative dazu beiträgt, dass die Anwendung von Antiparasitika bei Hund und Katze in optimaler Weise erfolgen kann. Sie sollten so eingesetzt werden, dass sie bestmöglich wirken können, ohne vermeidbare Nebenwirkungen aufzuweisen. Die Schwerpunkte der derzeitigen ESCCAP-Empfehlungen liegen bei der optimierten Kontrolle von Rund- und Bandwürmern von Hund und Katze, der Bekämpfung von Ektoparasitenbefall einschließlich Flöhen und Zecken sowie der Prophylaxe von vektorübertragenen und Reisekrankheiten. Tierhalter­Innen werden fundiert und sachgerecht über die Risiken von Parasiteninfektionen und über die Möglichkeiten der Parasitenkontrolle informiert. Die zentrale Anlaufstelle für die individuelle Beratung und Behandlungsempfehlung ist dabei die tierärztliche Praxis. ESCCAP und seine Mitglieder möchten dazu beitragen, dass Parasiten­kontrolle in tierärztlicher Hand bleibt und Tierärztinnen und Tierärzte als DIE ExpertInnen dafür wahrgenommen werden. Die Richtlinien und Experteninformationen ­sollen dabei die Beratungstätigkeit unterstützen. Eine hohe Präsenz in den Medien (auch im Internet) soll auch dem Wildwuchs falscher und unqualifizierter Informationen zum Thema Parasiten und deren Bekämpfung bei Kleintieren entgegenwirken, damit moderne Parasitenkontrolle sachgerecht und effektiv durchgeführt werden kann.