Die Schlachttier- und Fleischuntersuchung

aus der Sicht der tierärztlichen Standesvertretung

VR Dr. Walter Obritzhauser 
ÖTK-Landesstellenpräsident Steiermark

Repräsentative Umfrage unter 740 Tierärzten belegt: Die SFU wird zunehmend weiblicher – die arbeitsrechtlichen Bedingungen immer prekärer.

Eine immer größere Anzahl von Tierärzten – insbesondere Tierärztinnen –, die in großen Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsbetrieben in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung (SFU) tätig sind, erzielen ihr Einkommen überwiegend aus ebendieser. Die sozialrechtliche Absicherung der Tierärzte ist prekär – sie erwerben keine Pensionszeiten und haben keinen Anspruch auf Urlaub, Krankenstand oder Karenz. In Österreich führen überwiegend freiberuflich tätige, amtlich beauftragte Tierärzte die Schlachttier- und Fleischuntersuchung (SFU) in großen Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsbetrieben sowie in gewerblichen und bäuerlichen Schlachtbetrieben durch. Sie erfüllen in dieser Funktion eine besonders wichtige Aufgabe in der Sicherung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit und hohen Qualität des Lebensmittels Fleisch und der daraus hergestellten Produkte. Die Entgelte für die Tätigkeiten von Fleischuntersuchungsorganen in der „großen“ SFU wurden seit 2008 nicht mehr erhöht.Für die Kontrolle der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften ist der Landeshauptmann zuständig. Er beauftragt Tierärzte, die in keinem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, mit der SFU. Das Modell dieser amtlichen Beauftragung hat sich bewährt, solange die SFU aufgrund des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit, der erforderlichen Qualifikation und der zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen als Tätigkeit neben einer freiberuflichen tierärztlichen Tätigkeit (tierärztliche Praxis) oder einer tierärztlichen Tätigkeit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ausgeübt wurde bzw. werden konnte. 

Die Festlegung der Höhe der Gebühren, mit denen der mit der SFU verbundene Aufwand zu bezahlen ist, erfolgt seit 2008 für Großbetriebe durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in der LMSVG-Kontrollgebührenverordnung (LMSVG­KoGeV). Eine Anpassung der in der LMSVG­KoGeV festgesetzten Gebühren ist seit Inkrafttreten der Verordnung 2008 nicht erfolgt. Die LMSVG­KoGeV sieht keine Wertsicherung der festgesetzten Gebühren vor. Eine Wertsicherung wurde erst mit dem Budgetbegleitgesetz 2016 im LMSVG verankert. Da die Höhe der Gebühren die wirtschaftliche Gebarung der Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsbetriebe in einem sehr kompetitiven Wettbewerb beeinflusst, betreibt die Fleischwirtschaft ein intensives Lobbying bei allen in die Gebührenfestlegung involvierten Behörden. Durch die genutzte Rechtskonstruktion, freiberuflich tätige Tierärzte mit der SFU amtlich zu beauftragen, damit aber keine Dienstverhältnisse zu begründen, greifen in Dienstverhältnissen übliche Entgeltanpassungen nicht. 

Die Einnahmen des Tierarztes aus der SFU sind Funktionsgebühren. Sie werden umsatzsteuerfrei ausbezahlt. Von den Einnahmen aus der SFU sind keine Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Diese Art der Honorierung hatte ursprünglich keinen Einfluss auf die sozialrechtliche Absicherung des Fleischuntersuchungstierarztes, weil überwiegend Tierärzte die SFU durchgeführt haben, die ihre Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung aus der sonstigen (hauptberuflichen) tierärztlichen Tätigkeit gezogen haben bzw. ziehen. 

Demografischer Wandel 

Seit ca. zwei Jahrzehnten findet ein massiver demografischer Wandel im tierärztlichen Berufsstand statt: Die Entwicklung von einem bis dahin überwiegend von Männern gewählten Beruf zu einem Beruf, der von Frauen dominiert wird, hat sich innerhalb weniger Jahre vollzogen. Statistische Daten zeigen, dass Männer, die den Tierarztberuf ausüben, fast ausschließlich selbstständig tätig sind, während junge Tierärztinnen ihre tierärztliche Tätigkeit überwiegend als Angestellte ausüben. Es ist wahrscheinlich, dass sich zukünftig das Zahlenverhältnis zwischen angestellten und freiberuflich tätigen Tierärzten auch in den höheren Alterskohorten zugunsten der Angestellten verändern wird. In den nächsten Jahren scheiden überwiegend freiberuflich tätige Männer aus dem Berufsleben aus. Diesen folgen in überwiegender Anzahl angestellte Tierärztinnen nach. In Zukunft könnte es daher zu einem Mangel an Veterinärmedizinern besonders im Bereich der SFU kommen. In den kommenden Jahren wird ein hoher Bedarf an kompetenten SFU-Tierärztinnen und SFU-Tierärzten entstehen. Mit der beschriebenen Demografie haben sich auch die typischen Arbeitskarrieren in der SFU verändert. Eine immer größere Anzahl von SFU-Tierärzten –
insbesondere SFU-Tierärztinnen – erzielt das Einkommen überwiegend aus der Tätigkeit in großen Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsbetrieben. Die sozialrechtliche Absicherung dieser Tierärzte ist derzeit prekär! Aufgrund der fehlenden Anrechenbarkeit der „Funktionsgebühr Entgelt aus der Schlachttier- und Fleischuntersuchung“ erwerben sie keine Pensionszeiten; sie haben keinen Anspruch auf Urlaub, Krankenstand oder Karenz. Im Falle einer Betriebsschließung besteht kein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Im Bereich der sogenannten „kleinen“ SFU (also der Tätigkeit in kleinen Gewerbebetrieben bzw. in bäuerlichen Schlachtbetrieben mit stationärer Schlachtung) gewährleistet das Modell des freiberuflich tätigen, mit der SFU amtlich beauftragten Tierarztes die arbeitseffiziente Durchführung der SFU. Ein Einfluss auf die sozialrechtliche Absicherung des Fleischuntersuchungstierarztes ist nicht gegeben, weil der Tierarzt die Absicherung (Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung) aus der freiberuflichen tierärztlichen Praxistätigkeit zieht. Mittels einer Online-Umfrage wurden im Juli 2016 Informationen zur sozialen Situation und zur Einkommenssituation der in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung tätigen Tierärztinnen und Tierärzte erhoben – hier die Ergebnisse: Die Umfrage richtete sich an 740 Tierärztinnen und Tierärzte, die mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung beauftragt waren. Die Umfrage enthielt 21 Fragen. Die Auswertung erfolgte anonym. Die Rücklaufquote betrug 57 %. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse repräsentativ für die in der SFU tätigen Tierärzte sind.

Demografische Daten

59 % der Tierärztinnen und Tierärzte, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind mehr als 50 Jahre alt (Abb. 1). Tierärztinnen sind in allen Alterskohorten über 50 unter- und in allen Alterskohorten unter 50 überrepräsentiert.

 
 
Berufliche Situation der SFU-TierärztInnen

42 % der Tierärzte sind drei bis fünf Tage pro Woche in der „großen“ SFU tätig. 30 % leisten mehr als 20 Stunden pro Woche in der „großen“ SFU.

Die überwiegende Anzahl der Tierärzte, die in der „großen“ SFU tätig ist, übt neben der SFU eine freiberufliche tierärztliche Tätigkeit aus. Ein deutlicher geschlechtsspezifischer Unterschied besteht im Anteil der Tierärzte/Tierärztinnen, die neben der SFU eine unselbstständige Tätigkeit ausüben (1 % Tierärzte, 15 % Tierärztinnen; Abb. 2).

Große geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen auch in der Art der neben der SFU ausgeübten tierärztlichen Praxis. Während die meisten männlichen SFU-Tierärzte in der Nutztier- oder Gemischtpraxis tätig sind, sind Tierärztinnen überwiegend in Kleintierpraxen tätig (Abb. 3).

 
 
 
Einkommenssituation 

Das in einem Jahr aus der Schlachttier- und Fleisch­untersuchung bezogene Entgelt von Tierärzten, die in der „großen“ SFU tätig sind, liegt bei 58 % der Befragten zwischen 20.000,– und 40.000,– Euro (Abb. 4).

Der Anteil der aus der SFU erlösten Entgelte am tierärztlichen Gesamteinkommen vor Steuern beträgt bei der Hälfte der Tierärztinnen, die in der „großen“ SFU tätig sind, mehr als 50 %. Dagegen erlösen 40 % der Tierärzte, die in der „großen“ SFU tätig sind, mehr als 50 % ihres Gesamteinkommens vor Steuern aus der SFU (Abb. 5). Die Höchstbeitragsgrundlage ist jene monatliche Einkommensschwelle, oberhalb der das Einkommen eines Versicherten zur österreichischen Sozialversicherung beitragsfrei bleibt – monatlich 4.860,00 Euro (ASVG) bzw. 5.670,00 Euro (GSVG) im Jahr 2016. Versicherungsbeiträge werden nur auf den Teil des monatlichen Einkommens erhoben, der unterhalb dieser Einkommensschwelle liegt. Die aus der SFU erlösten Funktionsgebühren zählen nicht zum beitragspflichtigen Einkommen.

Nur 30 % der in der „großen“ SFU tätigen Tierärzte und sogar nur 13 % der in der „großen“ SFU tätigen Tierärztinnen überschreiten aus ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit die Höchstbeitragsgrundlage (Abb. 6). Nur diese Tierärzte erreichen daher die maximale Pensionsleistung. Die überwiegende Mehrzahl der in der „großen“ SFU tätigen Tierärzte kann aus ihren SFU-Erlösen nur am privaten Versicherungsmarkt (steuerlich begrenzt wirksame) Altersvorsorgen bilden, um am Ende des Berufslebens eine der staatlichen Pension adäquate Rente zu beziehen.

Schlachttier- und Fleischuntersuchung als „Hauptberuf“

Ein Drittel der in der „großen“ SFU tätigen Tierärzte ist bereit, weitere SFU-Dienste zu übernehmen. Für 61 % der in der „großen“ SFU tätigen Tierärzte beträgt das maximale Stundenausmaß für die Tätigkeit in der SFU 24 Stunden pro Woche. Ein Dienstverhältnis als arbeitsrechtliche Grundlage für die Tätigkeit in der SFU kommt für nur 20 % der Tierärzte nicht infrage; überhaupt nur 10 % der in der „großen“ SFU tätigen Tierärztinnen lehnen ein Dienstverhältnis als Grundlage ihrer Arbeit ab.