Boehringer Ingelheim

setzt auf Tiergesundheit

Mag. Silva Stefan-Gromen

Der Pharma-Big-Player startet mit dem Bereich Tiergesundheit durch: Mehr als 10.000 Mitarbeiter sollen in Zukunft mehr als 25 Prozent der Gesamterlöse erwirtschaften. Die bisher größte Einzelinvestition der Unternehmensgeschichte geht nach Wien.

Deutschlands zweitgrößter Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat seit Jahresbeginn im Rahmen eines strategischen Geschäftstausches mit Sanofi von Merial das Tiergesundheitsgeschäft übernommen. Im Rahmen der Bilanzpressekonferenz am 5. April 2017 gab der Unternehmensriese mit mittlerweile rund 50.000 Mitarbeitern bekannt, zu einem der weltweiten Branchenführer in der Tiergesundheit werden zu wollen. 

„Generell blickt der Konzern auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück“, erklärte Hubertus von Baumbach, Vorsitzender der Unternehmensleitung und Urenkel des Firmengründers, und meinte weiter: „Der Umsatz ist in allen Geschäftsbereichen auf insgesamt rund 15,9 Milliarden Euro gestiegen. Der Umbau des Unternehmens ist wie geplant abgeschlossen worden, wir werden uns künftig auf Humanpharmazeutika, Tiergesundheit und biopharma­zeutische Auftragsproduktion konzentrieren.“

Vor über 80 Journalisten aus 20 Nationen, darunter Brasilien, China, die Vereinigten Arabischen Emirate, Russland, Spanien und Österreich (das Vetjournal war ebenso vertreten), betonte von Baumbach: „Unser Ziel ist es, das Beste aus beiden Organisationen zu bewahren.“ Er zeigte die Bedeutung der Tiergesundheitssparte auf: „Das Geschäft ist hinsichtlich Innovationen, Wachstumspotenzial und Profitabilität sehr attraktiv.“ 

Dr. Joachim Hasenmaier, Leiter des Bereichs Tiergesundheit und Mitglied der Unternehmensleitung, gab für die kommenden Jahre eine sehr positive Prognose ab: „Bis 2030 wird sich der Gesamtumsatz im weltweiten Tiergesundheitsmarkt auf 53 Milliarden Euro verdoppeln. Drei große Trends werden für dieses Wachstum verantwortlich sein: steigender Fleischbedarf im Zusammenhang mit der wachsenden Weltbevölkerung, eine steigende Nachfrage und Sortimentsausweitung im Haustierbereich sowie häufigere Gefährdungen der öffentlichen Gesundheit durch die Ausbreitung ansteckender Tiererkrankungen wie z. B. der Vogelgrippe.“ Das neue Tiergesundheitsgeschäft von Boehringer Ingelheim sei nun schon der zweitgrößte Anbieter im weltweiten Tiergesundheitsmarkt und der größte Anbieter bei Antiparasitika und Impfstoffen im Nutz- und Haustierbereich. Weltmarktführerschaft hält der Pharmaproduzent in den Tierkategorien Haustiere, Schweine und Pferde, im Bereich Geflügel und Rinder hat er eine starke Stellung. 

„Wir sehen ein großes Potenzial, die sich entwickelnden Trends in der Tiergesundheit und die weltweit steigenden Bedürfnisse zur Vorbeugung und Behandlung von Tier­erkrankungen für uns zu nutzen“, ergänzte Hasenmaier. „Um dies zu erreichen, wollen wir die beiden Geschäftszweige reibungslos zusammenführen, unsere führende Position im Bereich der Impfstoffe und Antiparasitika ausbauen und uns auf Lösungen in der Haustiergesundheit konzentrieren. Unser Ziel ist es, neue Produkte und Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Dazu wollen wir mit Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen von bis zu zehn Prozent unserer Umsätze führend in der Industrie sein.“ 

Das zusammengeführte Geschäft in der Tiergesundheit soll mit mehr als 10.000 Mitarbeitern in Zukunft mehr als 25 Prozent der Gesamterlöse ausmachen. Mit seinen Produkten ist das Unternehmen in mehr als 150 Märkten und Niederlassungen in 99 Ländern vertreten. „Wir erwarten, dass sich die Nettoumsätze in der Tiergesundheit im Vergleich zum Vorjahr durch die Integration von Merial im Jahr 2017 mehr als verdoppeln“, so Hasenmaier. 

 
 
Forschung und Entwicklung

Das bis heute in Familienbesitz befindliche Unternehmen zählt zu den 20 Branchenführern weltweit. Im Jahr 2016 wurden für Forschung und Entwicklung mit mehr als drei Milliarden Euro insgesamt 19,6 Prozent der Umsatzerlöse aufgewendet. Auf längere Sicht setzt der Riese verstärkt auf Partnerschaften mit Universitäten, wissenschaftlichen Einrichtungen und Biotechnologieunternehmen. „Unser Bekenntnis zu Forschung und Entwicklung ist eine wichtige Säule unserer Strategie“, bekräftigte von Baumbach.  

700 Millionen Euro Investition für Wien

Besonders erfreulich für den Standort Wien ist, dass die Zentrale für Mittel- und Osteuropa in Wien-Hetzendorf mit der bisher größten Einzelinvestition des Konzerns „gesegnet“ wird. Rund 700 Millionen Euro fließen in die Bundeshauptstadt – investiert wird in eine neue Biotech-Produktionsanlage, in der Arzneimittelwirkstoffe auf der Basis genveränderter Zellen produziert werden sollen.

„Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort Wien und ein klares Bekenntnis zur biopharmazeutischen Forschung und Produktion durch Boehringer Ingelheim weltweit“, betonte Philipp von Lattorff, Chef des Boehringer Regional Center Vienna (RCV). Man werde in Wien mit der neuen Anlage die Produktionskapazitäten verdoppeln. Derzeit mache man mit Biological-Auftragsproduktionen bereits einen Jahresumsatz zwischen 500 und 600 Millionen Euro, wobei von einer deutlichen Zunahme in den kommenden Jahren auszugehen ist.

Derzeit werden in Wien bereits rund 25 Biopharmazeutika aus Mikroorganismen produziert. Es sind unternehmenseigene Entwicklungen und onkologische Präparate. Darüber hinaus produziert Boehringer Ingelheim in Wien weitere Medikamente im Auftrag anderer Konzerne zur Behandlung von Krebs, Hepatitis C, Multipler Sklerose, Osteoporose, Wachstumsstörungen und Gelenksrheuma (chronische Polyarthritis). 

Die Entscheidung für Wien war offenbar nicht ganz leicht. „Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen von vier Standorten“, sagte Lattorff. Man habe sich aber schließlich gegen eine Investition auf der „grünen Wiese“ entschieden. Wien sei ein starker Standort. Die Stadt Wien habe sehr gute Unterstützung geboten, die Forschungsförderung setze entsprechende Signale. Und Wien habe – nicht zuletzt auch durch die vielen ansässigen Pharmafirmen – sehr gut ausgebildete Mitarbeiter. In der neuen Zellkultur-Produktionsanlage soll ab 2021 gearbeitet werden.