Blutdruckmessen und Pulsanalyse (PWA)

Der schnelle und einfache Weg zur präventiven Medizin

Dr. Beate Egner
Veterinary Academy of Higher Learning

Blutdruckprobleme sind auch für tierische Patienten ein ernstes Gesundheitsthema: Bleibt die Hypertension unbehandelt, so führt sie zu einer erhöhten Morbidität und auch Mortalität. Hypertension schädigt vor allem Augen, Herz und Niere.

Wurde der Blutdruckmessung bei Hund und Katze bis weit in die 90er-Jahre noch kaum Bedeutung ­beigemessen, so wird diese heute von verschiedenen Pharmafirmen, der internationalen Blutdruckgesellschaft (www.vbps-­online.com), aber auch im Rahmen der ACVIM Hypertension Guidelines oder der ISFM-Guidelines gefordert.

 

Einteilung der Hypertension

Hypertension ist bei Hund und Katze – anders als beim Menschen – sekundärer Genese. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Hypertension einzuteilen:

• nach der zugrunde liegenden Erkrankung,

• nach den veränderten Werten,

• nach dem Verlauf,

• nach dem Risiko einer Endorganschädigung.

 

Prävalenz und Mortalität der Hypertension

Seit man sich vermehrt mit der Hypertension befasst, wächst das Interesse an der Bedeutung der Hypertension und deren möglicher Behandlung. In den aktuellen ACVIM Hypertension Guidelines sind über 60 Veröffentlichungen hinsichtlich der Prävalenz einer Hypertension bei bestimmten Krankheiten ausgewertet.

Zu besonders hoher Hypertension führen ­neben der chronischen Niereninsuffizienz auch das Phäochromozytom (sehr seltene ­Erkrankung, aber mit episodenhafter 100-prozentiger Prävalenz) sowie der primäre Hyperaldosteronismus, der mit 50 bis 100 Prozent Prävalenz einer Hypertension in der Literatur angegeben wurde. Die übrigen Erkrankungen (Hyperthyreose, Hyperadrenokortizismus, Diabetes mellitus, Adipositas) werden mit 19 bis 87 Prozent angegeben, führen jedoch nur zu einer leichten bis mittelgradigen Erhöhung des Blutdrucks. Morrow et al. (2009) weisen in einer Studie mit 324 Katzen eine mittlere Überlebenszeit von Katzen mit Hyperthyreose und gleichzeitiger Hypertension von nur 400 Tagen auf. Ähnliches wurde von Jacob et al. (2003) für Hunde mit chronischer Niereninsuffizienz und gleichzeitiger Hypertension ermittelt: Während Hunde ohne Hypertension eine mittlere Überlebenszeit von über 500 Tagen ­hatten, überlebten Hunde mit gleichzeitiger Hypertension ­weniger als 300 Tage.

 

Bedeutung der Blutdruckmessung

Bleibt die Hypertension unbehandelt, so führt sie zu einer deutlich erhöhten Morbidität und schließlich auch Mortalität. Hypertension schädigt vor allem Augen, Herz, Niere und das ZNS. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Behandlung der Hypertension und besser noch eines präventiven Ansatzes.

Zur Diagnose einer Hypertension ist eine Blutdruck­messung unumgänglich, idealerweise mit gleichzeitiger Pulswellenanalyse, um selbst im noch normotonen Bereich bereits Hinweise auf eine endotheliale Dysfunktion oder Schlagvolumenvarianz zu erhalten, die als früh­dia­gnostische Parameter genutzt werden können.

Vor der Diagnose steht die zielführende Untersuchung. Dabei ist es wichtig, eine Technologie zu verwenden, die zuverlässige Ergebnisse liefert.

 

Kurzer Abriss der Technologie

Doppler Flow Meter („Doppler“) misst den Blutfluss (Flow) und nicht den Druck. Es ist eine sehr subjektive Methode, aus Flussgeräuschen den Blutdruck ableiten zu wollen. Das Wiedereinsetzen eines Doppler-Shift-Signals kann den systolischen oder mittleren arteriellen Druck auf dem Sphygmomanometer ablesen lassen. Zudem fehlt der diastolische Druck gänzlich.

Ein mittlerer arterieller Druck, der als systolischer Druck interpretiert wird, führt zu falscher Einschätzung der Patientenlage und kann fatale Folgen haben.
Konventionelle Oszillometrie ermittelt neben dem systolischen auch den diastolischen Druck, vergleicht aber eintreffende Pulswellen mit einer vorprogrammierten Ideal­welle. Das stärkste Signal wird als mittlerer arterieller Druck (MAD) interpretiert, und daraus werden dann mit einem Algorithmus systolischer und diastolischer Druck gemessen. Was aber, wenn Artefakte aufgetreten sind? Artefakte erzeugen weitaus stärkere Signale als der MAD und führen unweigerlich dazu, dass „versehentlich“ ein Artefakt, nicht aber der Blutdruck gemessen wird.

High Definition Oscillometry (HDO) ist eine Weiterentwicklung der Oszillometrie. Sie ermöglicht eine Analyse eintreffender Signale (Arterienwandschwingungen infolge der Pulswellen) in Echtzeit. HDO scannt jede Pulswelle mit einer Frequenz von 16.000 Hz ab (zum Vergleich: das menschliche Ohr beim Doppler: max. 200 Hz, die konventionelle Oszillometrie max. 50 Hz) und kann daher alle Drücke (systolischer, diastolischer, mittlerer arterieller Druck) messen. Dies ermöglicht erstmals die Beurteilung des Pulsdrucks (Differenz zwischen systolischem und dia­stolischem Druck), eines Maßes für endotheliale Druck­belastung, die für arterielles Remodeling mitverantwortlich ist. Zudem ist sie die derzeit genaueste Messmethode und der Goldstandard der nicht invasiven Technologien. Eric Martel, Scott Brown et al., 2013: „… These results suggest that HDO met the validation criteria defined by the American College of Veterinary Medicine Consensus Panel … The data support that the HDO is the first and only validated non-invasive blood pressure device and, as such, it is the only non-invasive reference ­technique that should be used in future validation studies.“

(IFSM – DOI:10.1177/1098612X13495025)

Damit ist die erste Hürde genommen: Blutdruck kann ­heute zuverlässig gemessen und korrekt interpretiert werden.

Was ist nun aber normal und was zu hoch?

Aktuell unterscheidet man – ähnlich wie in der -Humanmedizin – ein prähypertensives Stadium von einem eigentlichen Bluthochdruck. Dieses liegt bei 140 bis 160 mmHg -systolischer Druck.

Drücke über 160/95 führen nachweislich zu Organschädigungen, vor allem am Auge (hypertensive Retinopathie, hypertensive Choroidopathie, Hyphäma etc.). Ein weiteres häufig geschädigtes Organ ist die Niere, besonders wenn bereits eine Vorschädigung präsent ist. Schnelle und/oder sehr gravierende Druckanstiege können zu Blutungen im ZNS führen („Schlaganfall“), was bei Katzen nicht selten beschrieben ist und sich meist durch Vokalisieren oder Wesensänderung äußert.

Bei Katzen ist auch eine Endorganschädigung am Herzen häufig beschrieben. Ein wichtiges Symptom für eine hypertensive linksventrikuläre Hypertrophie ist das plötzliche Auftreten eines Herzgeräuschs. Über 70 Prozent der Katzen mit einem plötzlichen Herzgeräusch haben Bluthochdruck (J. Elliott, 2001, R. Tobias, 2017). Das Herzgeräusch entsteht aufgrund der hypertensiven linksventrikulären Hypertrophie (Wanddickenzunahme infolge des Hochdrucks), die zu einer funktionellen Klappeninsuffizienz führt und entsprechend als Herzgeräusch hörbar ist.

Seit die HDO-Messung Einzug gehalten hat, kann erstmals auch die arterielle Situation der Patienten einfach und schnell beurteilt werden. Im Sinne einer guten arteriellen Elastizität vs. einer arteriellen Versteifung können ohne weitere Untersuchungen Rückschlüsse auf die sogenannte endotheliale Funktion gezogen werden.

Eine Tabelle zur einfachen Beurteilung der endothelialen Funktion bei Katzen wurde schon 2012 (Adler et al.) veröffentlicht. Besonders hilfreich ist diese zur Früherkennung einer Herz- und/oder Nierenerkrankung. Bei beiden Erkrankungen spielt das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) eine entscheidende Rolle. Angiotensin II, aber auch Aldosteron haben eine direkte Wirkung auf die arterielle Elastizität – in der akuten Phase Gefäßengstellung (Vasokonstriktion) und damit eine Verhärtung der Arterienwand, die vorübergehend ist und mit Angiotensinrezeptorblocker sowie Aldosteron-Antagonisten  erfolgreich therapiert werden kann. Kommt es zu chronischer Aktivierung des RAAS, so beginnen zudem auch Umbauvorgänge, nicht nur am Herzen, sondern auch im Gefäßsystem (arterielles Remodeling), was zu einer permanenten Versteifung führt. Dies kann ebenfalls durch eine diagnostische Therapie mit den genannten Therapeutika in Kombination mit der Pulswellenanalyse (hohe Anfangsamplituden sprechen für eine arterielle Steifigkeit  – werden diese unter Therapie niedriger, liegt eine prognostisch günstige Situation vor) getestet werden.

In einer großen Studie von Ralf Tobias (Hannover 2017 ) konnten über 200 Katzen mit Verdacht auf eine Herzmuskelverdickung (Myocardhypertrophie) untersucht werden.

Die Ergebnisse waren bahnbrechend:

1) 32 Prozent der hypertrophen Katzen zeigten einen Bluthochdruck, hatten also eine sekundäre und damit heilbare Form der Herzerkrankung!

2) 70 Prozent der hypertrophen Katzen mit Bluthochdruck hatten ein Herzgeräusch.

3) 74 Prozent aller Katzen mit Bluthochdruck und Veränderungen der Pulswellen (HDO-Pulswellen-Analyse) zeigten im Echo eine Herzmuskelverdickung.

Damit konnte gezeigt werden, dass man auch ohne Echokardiografie mit einer Wahrscheinlichkeit von 74 Prozent (fast drei Viertel) eine Herzmuskelveränderung erkennen und somit wesentlich einfacher und ohne großen Aufwand eine kostengünstige Vorsorgeuntersuchung anbieten kann.

Schenken wir unseren Tieren doch ein gesundes und langes Leben! Eine jährliche Blutdruckmessung kann -entscheidend dazu beitragen.

 

Literatur

Morrow L., Adams V. J., Elliott J., Syme H. M. : Royal Veterinary College, University of London, UK. 2. Animal Health Trust, Newmarket, UK. Hypertension in hyperthyroid cats: prevalence, incidence, and predictors of its development. Conference paper – HT, 2009.
Acierno M., Brown S., Coleman A., Jepson R., Papich M., Stepien R., Symw H.: ACVIM consensus statement: Guidelines for the identification, evaluation and management of systemic hypertension in dogs and cats. J Vet Intern med. 2018; 1–20.
Jacob F., Polzin D. J., Osborne C. A. Neaton J. D., Lekcharoensuk C., Allen T. A. Kirk C. A., Swanson L. L.: Association between initial systolic blood pressure and risk of developing an uremic crisis or of dying in dogs with chronic renal failure. [Journal Article] Journal of the American Veterinary Medical Association. 222 (3): 322–9, 2003 Feb 1.