Wenn die Lunge pfeift

Asthma bei Pferden

Bettina Kristof

Um Equines Asthma in den Griff zu be­­kommen, ist eine Haltungsoptimierung das Wichtigste. Von der medizinischen Seite her werden zusätzlich die Symptome und die Entzündungen behandelt.

Die Lunge ist ein heikles Organ bei Pferden – die großen Vierbeiner leiden oft an unterschiedlichen Formen von Lungenkrankheiten. Warum das so ist und was man dagegen tun kann, verrät uns Dr. med. vet. Sonja Berger, Dipl.ECEIM, von der Klinischen Abteilung für Interne Medizin Pferde an der Vetmeduni Vienna, in einem Interview.

Frau Doktorin Berger, Equines Asthma kommt bei Pferden oft vor. Wie entsteht diese Atemwegserkrankung?
Equines Asthma ist prinzipiell eine allergische Erkrankung – Allergien nehmen ja grundsätzlich zu. Man weiß, dass genetische Komponenten eine Rolle spielen; bis zu ­einem gewissen Grad können auch Umweltverschmutzung oder vorangegangene Infekte und ungünstige Haltungsbedingungen mit viel Staub, Schimmelpilzen, Sporen und Bakterien die Entwicklung von Asthma begünstigen. Pferde sind da sehr sensibel. Auch Ozon könnte bei der Entwicklung von Asthma beteiligt sein.

Wieso ist Asthma bei Pferden so gefährlich?
Asthma bei Pferden ist vielfach eine fortschreitende Erkrankung, die dazu führen kann, dass Lebensqualität und Nutzbarkeit eingeschränkt sind. Im Endstadium kann es zu einer Überbelastung der rechten Herzhälfte kommen, einem Cor pulmonale – das kann lebenslimitierend sein.

Was sind erste Anzeichen von Asthma?
Man muss zwei Untergruppen von Equinem Asthma unterscheiden. Die milde bis moderate Form ist IAD (Inflammatory Airway Disease, Anm.), die vor allem bei jüngeren Pferden vorkommt; grundsätzlich können aber alle Altersgruppen betroffen sein. Bei dieser Form des Asthmas weisen die Pferde vor allem chronischen Husten über vier Wochen, Nasenausfluss und eine Leistungsminderung auf. Sie haben aber keine Atemnot im Zustand der Ruhe.

Das zweite Krankheitsbild des Equinen Asthmas ist die RAO (Recurrent Airway Obstruction, Anm.), die zumeist Pferde in einem Alter von mehr als sieben Jahren betrifft. Das ist die Form, die von den Besitzern üblicherweise als Asthma erkannt wird. RAO ist prinzipiell reversibel, aber wiederkehrend. Pferde, die an RAO erkrankt sind, zeigen anfänglich wenig Symptome. Ein mögliches Anzeichen ist Husten beim ersten Antraben, das aber viele nicht als Frühsymptom erkennen. Im weiteren Krankheitsverlauf kommen Atemnot in Ruhe, „Bauchpresse“ bei der Ausatmung (Einsatz der Bauchmuskulatur, Anm.), geblähte Nüstern, Leistungsminderung und/oder lange Erholungsphasen nach der Arbeit, Nasenausfluss und Husten hinzu.

Husten ist ein sehr unspezifisches Symptom bei Pferden. Wenn der Schleim zäh ist, zeigen die Pferde oft kaum bis keinen Husten. Erst wenn er flüssiger wird, husten sie vermehrt. Husten ist immer ein Alarmzeichen, das man ernst nehmen und nicht etwa auf eine Reaktion auf Staub schieben sollte. Umgekehrt kann ein Pferd aber auch eine Lungenkrankheit haben, ohne zu husten. Pferde, die husten, sind jedoch meistens lungenkrank.

Wie therapiert man am besten?
Um Equines Asthma in den Griff zu bekommen, ist eine Haltungsoptimierung das Wichtigste. Von der medizinischen Seite her werden zusätzlich die Symptome - Bronchienverkrampfung, vermehrte Schleimproduktion – und die Entzündungen – Schleimhautschwellung – behandelt. Wenn aber die Haltung nicht optimiert wird, hat man mit der medikamentösen Therapie nur temporäre Erfolge. Eine staubarme Haltung der Pferde ist essenziell. Das bedeutet: keine Stroheinstreu, weil diese oft Schimmelpilze enthält, die zu den Hauptverursachern von Asthma zählen. Besser ist es, Weichholzspäne, Leinstreu, thermisch entkeimte Strohpellets respektive häcksel oder Elefantengras einzustreuen. Der Goldstandard wäre eine ganzjährige Weidehaltung, wenn keine Gräserallergie vorliegt – Summer Pasture Associated Recurrent Airway Obstruction – „Sparao“. Viele Pferde haben eine „Stauballergie“ auf die im Staub enthaltenen Pilze, Sporen, Pollen, Bakterienendotoxine, Betaglukane, anorganischen Staubpartikel et cetera und reagieren empfindlich auf Futtermittel- und Hausstaubmilben. Zu einer allergenarmen Haltung gehört daher auch, die Pferde mit bedampftem Heu aus kommerziell erhältlichen Heubedampfgeräten zu füttern – das wäre wieder der Goldstandard. Alternativ kann man nasses Heu verfüttern: Studien haben ergeben, dass das vollständige Tauchen gegenüber der Fütterung trockenen Heus zu einer 60- bis 70-prozentigen Reduktion der kleinen lungengängigen Staubpartikel führt.

Längeres Einweichen bringt gegenüber dem kurzen, aber vollständigen Tauchen lockeren Heus, etwa in einem Heunetz, keinen Vorteil. Zudem kommt es zu einem Ausschwemmen der Nährstoffe. Heu sollte daher maximal 20 Minuten im Wasser liegen und das Wasser täglich gewechselt werden. Das feuchte Heu darf aber vor allem im Sommer nicht zu lange liegen, weil es sonst zu einem rasanten mikrobiellen Verderb kommt, der zu gesundheitlichen Problemen – Kolik, Durchfall, Kotwasser et cetera – führen kann. Eine weitere Möglichkeit ist die Fütterung von Heulage: Durch den höheren Feuchtigkeitsgehalt der Heulage wird der Staub besser gebunden und so während des Fressens nicht eingeatmet. Absolut wichtig ist eine gute Qualität der Heulage, denn durch Fehlgärung oder Lufteintritt können sich in der Heulage Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze entwickeln, die zu einer Störung des Verdauungstraktes oder zu Botulismus führen können. Bei Pferden, die an Asthma leiden, ist jedenfalls eine Offenstallhaltung optimal. Die Unterbringung in einer Paddockbox wäre die nächstbeste Variante.

Ein gutes Stallmanagement ist also das Um und Auf, um Asthma in den Griff zu bekommen. Mit welchen Medikamenten behandelt man effektiv?
Eine medikamentöse Therapie ist erforderlich, wenn Pferde symptomatisch sind. Bei der Behandlung von Equinem Asthma wendet man bronchienerweiternde und schleimlösende Medikamente an. Mit Cortisonderivaten erreicht man, dass die Entzündung in der Lunge beruhigt wird. Diese kann man entweder füttern oder auch in Form eines erst seit Kurzem am Markt befindlichen, für das Pferd zugelassenen, inhalativen Cortisonpräparates anwenden, das lokal in der Lunge wirkt. Der Vorteil dabei ist, dass die systemischen Nebenwirkungen geringer sind. Diese Therapieform ist recht neu, es gibt daher noch wenig Erfahrung an der Klinik. Die Anwendung ist leider vergleichsweise teuer.

Wie funktioniert die Inhalationstherapie?
Eine Inhalationstherapie mit Kochsalz kann ergänzend hilfreich sein und dient zur Verflüssigung des Schleims in den tiefen Atemwegen. Da gibt es wieder unterschiedliche Möglichkeiten: Man kann das Pferd in eine Solekammer stellen, es gibt aber auch Ultraschallvernebler, die man mit hypertoner Kochsalzlösung befüllen kann. Wenn das Pferd sehr viel Schleim produziert, kann man auch eine sogenannte „Lungenspülung“ – korrekterweise: Hyperinfusionstherapie – vornehmen. Dabei werden große isotone Flüssigkeitsmengen über das Blut und den Darmtrakt zugeführt. Der hydrostatische Druck im System wird überschritten, Flüssigkeit tritt aus den Blutgefäßen auch in die Lungenbläschen und dies verflüssigt den Schleim, der dann besser abrinnen kann. Diese Methode ist allerdings für das Herz sehr belastend. Es muss daher vorher abgeklärt werden, ob das Herz gesund ist, um diese Belastung auszuhalten. Diese Radikalmethode wendet man nur an, wenn sonst nichts mehr hilft.

Was können Pferdehalter tun, um Asthma bei ihren Tieren vorzubeugen?
Ganz wichtig ist es, erste Anzeichen wie Husten ernst zu nehmen und sie dem Tierarzt zu melden. Tierhalter sollten auf eine optimale, staubarme Stallhaltung achten und wenn möglich auf Außenbox oder Offenstall umstellen. Ein gutes Stallklima ist auch sehr wichtig – vor allem im Winter ist häufiges Lüften notwendig. Wenn dadurch die Gefahr besteht, dass die Tränke friert, kann man diese beheizen. Zu einem optimalen Stallmanagement gehört auch, die Ammoniakbelastung durch regelmäßiges Ausmisten gering zu halten. Um Staub zu vermeiden, sollte man nicht in der Box putzen und den Heuboden nicht über der Box anlegen. Aus hygienischen Gründen sollte der Misthaufen weit weg vom Stall platziert werden. Eine weitere vorbeugende Maßnahme ist das alljährliche Impfen der Pferde, damit keine Infekte entstehen. Regelmäßige Bewegung ist auch wichtig, weil das die Bronchien weit macht und sich der Schleim besser löst.

Wie können Pferdehalter die Therapie unterstützen?
Zusätzlich zu den bereits genannten Maßnahmen wie Haltungsoptimierung, Bewegung und Staubvermeidung können Pferdebesitzer versuchen, die Beschwerden ihres Pferdes mit pflanzlichen Präparaten zu lindern. Gewisse Wirkungen wurden zum Beispiel für Pestwurz, Thymian und Schlüsselblume nachgewiesen, die Studienergebnisse zu derartigen Hustensäften oder Kräutermischungen sind aber nicht eindeutig. Bei Gräser- und Kräuterallergien kann die Gabe von Kräutern auch kontraproduktiv sein.

Gibt es neue Studien zum Thema Asthma bei Pferden?
Es wird in diesem Bereich viel geforscht, auch in der Dia­gnostik. Derzeit laufen Forschungsarbeiten, die die Unterscheidungen zwischen RAO und IAD eindeutiger machen sollen. Es gibt auch genetische Studien, die zeigen, dass die Disposition, an Asthma zu erkranken, auch innerhalb einer Familie vererbt werden kann; es scheint aber nicht auf einem Gen fixiert zu sein. Ganz neu sind Studien zum Mikrobiom des Darms, wo Veränderungen durch Asthma feststellbar sind: Pferde und Menschen mit Asthma haben eine veränderte Darmflora. Es dürfte hier einen Zusammenhang zu Entzündungsprozessen im Körper geben. Es gibt schon erste Ergebnisse dazu, aber bis das eine klinische Relevanz hat, wird es noch dauern.