Das Cushing-Syndrom –

gefährliche Hormonstörung beim Hund

Bettina Kristof

Das Cushing-Syndrom (Hyperadrenokortizismus, HC) bezeichnet eine hormonelle Störung, bei der die Nebennierenrinde vermehrt Cortisol aus­schüttet. Betroffen sind vor allem Hunde ab einem Alter von acht Jahren.

Zu den Hunderassen, die am häufigsten von der Entwicklung eines Cushing-Syndroms betroffen sind, gehören Pudel, Dackel, verschiedene Terrierarten und Boxer. Näheres über die heimtückische Erkrankung erfuhren wir im Gespräch mit Tierärztin Mag. Nina Brabetz von der Tierarztpraxis Rankgasse.

Frau Mag. Brabetz, das Cushing-Syndrom ist die häufigste hormonelle Erkrankung beim Hund. Welche Ursachen liegen dieser Störung zugrunde?
Die Ursache liegt grundsätzlich in einer erhöhten Produktion von Glucocorticoiden. Es gibt drei unterschiedliche Formen dieser Erkrankung: Zum einen kennen wir das primäre oder adrenale Cushing-Syndrom (AT), bei dem es zu einer Störung im Bereich der Nebennieren kommt und das 15 bis 20 Prozent der Fälle betrifft. Das sekundäre oder PDH-Cushing-Syndrom spielt sich im Bereich der Hypophyse ab. Es äußert sich zumeist durch Adenome, die bei der Diagnosestellung oft kleiner als drei Millimeter sind. Die dritte Variante ist das iatrogene Cushing-Syndrom, das durch die exzessive Gabe von Kortikosteroiden ausgelöst wird, etwa bei Allergiebehandlungen. Allgemein kann man sagen, dass größere Hunderassen eher an AT, kleinere eher an PDH erkranken.

Durch welche Symptome äußert sich das Cushing-Syndrom?
Deutliche Symptome eines Cushing-Syndroms sind Polyurie, Polydipsie, Polyphagie, vermehrtes Hecheln und ein ausgeprägter Hängebauch. Des Weiteren kann es zu unterschiedlichen dermatologischen Veränderungen kommen, dazu gehören bilateral symmetrische Alopezie, Hyperpigmentation, dünne Haut durch Verlust von Proteinen; Komedonen, eitrige Hautentzündungen, Calcinosis cutis. Weiters: Muskelschwäche, Wundheilungsstörungen, Infektionen, Diabetes mellitus – bei bis zu 20 Prozent der Hunde –, Erweiterungen von oberflächlich gelegenen Blutgefäßen; Hodenatrophien beim Rüden, bei Hündinnen verlängerter Anöstrus beziehungsweise Vermännlichungssyndrom – und neurologische Probleme.
 
Wie diagnostizieren Sie das Cushing-Syndrom?
Das Cushing-Syndrom ist schwierig zu diagnostizieren. Es ist wie ein Puzzle: Die Klinik und unterschiedliche Tests müssen zusammenpassen, um von Cushing sprechen zu können. Es hat eine Relevanz für die Therapie, ob es sich um ein AT- oder PDH-Cushing-Syndrom handelt oder ob es iatrogen ist. Deshalb sollte es immer das Ziel sein, den Ursprung der Krankheit zu lokalisieren.
Zur Basisabklärung gehört eine erste Routineuntersuchung mit Blutbild und Chemieprofil. Dabei zeigt sich meist ein Stressleukogramm: Neutrophilie ohne Linksverschiebung, Lympho- und Eosinopenie, eventuell eine Monozytose. Bei einem Cushing-Syndrom liegt meist eine Thrombozytose vor. Die alkalische Phosphatase, AP, ist in 80 bis 90 Prozent der Fälle deutlich erhöht, ALT meist mild, unter dreifach erhöht; das Cholesterin ist in 80 bis 90 % der Fälle erhöht, oft gibt es eine Hyperglykämie, bei 20 % der Hunde entwickelt sich im Lauf der Zeit ein Diabetes mellitus. Zur Abklärung führe ich zusätzlich auch immer eine Harnuntersuchung durch. Handelt es sich um ein Cushing-Syndrom, ­findet man eine Hypo- oder Isosthenurie, SG ­kleiner 1.012 bis 1.015. Zusätzlich liegt bei ca. 50 % der Patienten eine bakterielle Zystitis sowie eine milde Proteinurie vor. Es ist auch empfehlenswert, ein Röntgen des Abdomens vorzunehmen, dabei ist häufig eine Hepatomegalie feststellbar. Bei 50 % der Patienten ist im Bereich der Nebennieren eine Mineralisation erkennbar. Zur weiteren Abklärung ist ein Ultraschall des Abdomens angezeigt – typische Veränderungen sind dann einerseits eine Hepatomegalie sowie Veränderungen der Nebennieren. Diese sind bei PDH bilateral symmetrisch, eventuell auch vergrößert; liegt ein AT vor, ist in der Regel eine Nebenniere vergrößert und die zweite atrophiert. Erst, wenn diese Basisuntersuchungen positiv sind, führt man weitere Tests durch, um zu differenzieren, welche Form des Cushing-Syndroms vorliegt. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass kein Test eine hundertprozentige Sicherheit gibt. Wenn das Tier andere schwere akute Erkrankungen hat, die nicht adrenalen Ursprungs sind, nimmt man zu diesem Zeitpunkt von weiteren Tests Abstand, weil es sonst zu falsch positiven Ergebnissen kommen kann. Ein häufig verwendeter Screeningtest für Hyperadrenokortizismus ist UCCR (Urin-Cortisol-Creatinin-Ratio, Anm.), der gut zum Ausschluss eines HC geeignet ist. Er wird mit dem Morgenurin von zwei aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt. Da dieser Test eine tiefe Spezifität aufweist, sollte bei einem positiven Ergebnis ein weiterer Test angeschlossen werden. Der LDDST, Low-Dose-Dexamethason-Test, ist der Screeningtest der Wahl, der bei der Unterscheidung hilft, ob es sich um PDH oder AT handelt. Als dritten Test kann man einen ACTH-Stimulationstest durchführen. Dieser ist gut zur Differenzierung eines PDH, aber nicht so gut bei AT geeignet. Dieser Test hat eine hohe Relevanz für die Therapiekontrolle.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Der Wirkstoff der Wahl ist Trilostan, es hemmt die Steroidbiosynthese und damit die Produktion von Cortisol. Dies wird vor allem am Anfang engmaschig mit dem ACTH-Stimulationstest kontrolliert.
Wenn ein Nebennierenrindentumor vorliegt und dieser noch keine Metastasen gestreut hat respektive noch nicht in umliegende Gefäße durchgebrochen ist, wird man ihn nach Möglichkeit entfernen. Eine weitere Option sind Bestrahlungen; drei bis fünfmal wöchentlich für die Zeit von drei bis vier Wochen. Diese Therapie wird vor allem bei Makroadenomen vorgenommen.
 
Welche Komplikationen können begleitend auftreten?

Die am meisten gefürchtete Komplikation ist Morbus Addison. Dabei kommt es zu einer zu geringen Versorgung mit Cortisol. Anzeichen für Morbus Addison sind, wenn der Hund schwach wird, nicht fressen will oder Durchfall oder Erbrechen hat. Zur Abklärung nimmt man eine Blutuntersuchung vor: Wenn Kalium erhöht und Natrium erniedrigt sind, dann hat das Tier vermutlich eine therapiebedingte Addison-Krise. Diese schwere Erkrankung kann zum Tod des Hundes führen. Beim Cushing-Syndrom kann es durch einen lang andauernden Cortisolüberschuss zu weiteren Komplikationen wie Bluthochdruck, Thromboembolien, Diabetes mellitus oder Demodikosen kommen. Bei großen Tumoren im Bereich der Hirnanhangdrüse können Verhaltensänderungen und zentralnervale Störungen auftreten.

Was sollte der Tierarzt tun, wenn es einen Verdacht auf Cushing-Syndrom gibt, die Tests die Erkrankung aber nicht eindeutig bestätigen?
Wenn der Verdacht auf Cushing-Syndrom besteht, die Tests aber keine Sicherheit geben, darf man nicht behandeln – die Gefahr, dass sich Morbus Addison entwickelt, ist zu groß. In diesem Fall ist es besser, abzuwarten und zu einem späteren Zeitpunkt zu reevaluieren.

Was sollte der Tierhalter beachten?
Der Tierhalter sollte sein Tier generell gut beobachten, dann kann er dem Tierarzt wertvolle Hinweise geben. Wenn der Hund ungewöhnliche Symptome zeigt, sollte der Tierbesitzer mit ihm zum Tierarzt gehen. Ich empfehle, als Prophylaxe ab dem Alter von sechs Jahren einmal jährlich eine Blut- und Harnkontrolle durchzuführen. Bei älteren Tieren wäre auch einmal pro Jahr ein Abdomenschall gut, besonders bei den gefährdeten Rassen. Wenn man das dem Tierhalter gegenüber gut argumentiert, nehmen das auch die meisten an. Diese Art der Vorsorge gibt Sicherheit und kann Tierleben retten.