Initiative

für die mentale Gesundheit von Tierärzt(Inn)en

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Anlässlich der Fachmesse Vet Austria@home veranstaltete die Tierärztekammer am Donnerstag, dem 18.3.2021, ein
VETAK-Webinar zum Thema „Mentale Gesundheit“.

In seinem Eingangsstatement betonte ÖTK-Präsident Mag. Kurt Frühwirth, dass wir gerade in Zeiten von sozialer Distanzierung auf unsere psychische Gesundheit achten sollten: „Neben der Sorge um unsere Patienten und ihre Besitzerinnen und Besitzer sind wir leider oft zu wenig für uns selbst da. Besorgniserregend ist auch die hohe Suizidrate unter Tierärztinnen und Tierärzten, die international ein Thema ist und uns auf nationaler Ebene aktiv werden lassen sollte. Wir möchten hiermit initiativ werden, um Sensibilität für das Thema zu erzeugen, und auch die entsprechenden Angebote schaffen, um all jene zu unterstützen, die ihre gesundheitliche und auch psychische Leistungsfähigkeit erhalten oder wiedererlangen möchten.“

Gesundheitspsychologin Univ.-Prof. Dr. Birgit ­Ursula Stetina von der Sigmund Freud Privatuniversität, die bereits langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit VeterinärInnen und der Tierärztekammer hat, erklärte in ihrem Gastbeitrag, warum der veterinärmedizinische Beruf hier wesentlich komplexer ist als andere (Gesundheits-)Berufe. Sie zeigte auf, dass TierärztInnen vermehrt belastet sind und daher auch zunehmend von Burn-out, Mitgefühlsmüdigkeit und mangelnder Work-Life-Balance betroffen sind. Dies spiegle sich auch in den Ergebnissen der von Prof. Stetina durchgeführten Vet-Studie 2019/20 wider und zeige, in welchen Bereichen TierärztInnen psychologische Unterstützung brauchen.

„Vor allem weibliche Veterinäre sind stärker betroffen als männliche. Zu den Stressoren zählten vor der Pandemie vor allem der Bereitschaftsdienst, die Kommunikation mit Patientenbesitzerinnen und -besitzern und die Erledigung der finanziellen Angelegenheiten wie der Buchhaltung – erst danach folgt der Bereich der Euthanasie“, so die Psychologin. Dies alles ohne die entsprechenden Managementtechniken (die ja im Vorfeld nicht vermittelt werden) zu bewältigen sei enorm herausfordernd. Verschärft würde die Lage auch zusätzlich noch durch die Coronapandemie: Die latente Unsicherheit und auch persönliche Betroffenheit seien weitere Faktoren, die einen erhöhten Bedarf an Unterstützung erzeugen würden. Das während der Pandemie manifestierte „ständige Warten auf irgendetwas“ – wie Warten auf die nächste Welle, auf die Impfung, auf die Möglichkeit, auf Urlaub zu fahren, oder auch auf das Ende der weltweiten Krankheitswelle – würde insgesamt extreme Unsicherheit erzeugen. Wichtig dabei sei es, so die Psychologin, Bereiche des Lebens zu finden, die wir selbst kontrollieren können, und alle anderen Gegebenheiten zu akzeptieren.

Der Arbeitskontext hat sich verändert

Die Ergebnisse der aktuell wieder durchgeführten Vet-Studie von Prof. Stetina würden zudem ergeben, dass sich der veterinärmedizinische Kontext im vergangenen Jahr verändert hat – seien es die erweiterten Hygienemaßnahmen, der kurzfristig beschränkte Zugang zu Masken und Reinigungsmitteln oder auch Terminstornierungen und damit verbundene finanzielle Einbußen. Auch die Sorge um den sozialen Zusammenhalt, Ängste wegen einer Covid-19-Erkrankung eines Familienmitglieds oder auch Unsicherheit um Reisebeschränkungen und die wirtschaftliche Situation seien belastend für die Befragten. Einblicke in die Hilfe­stellungen und Handlungsmöglichkeiten gab Prof. Stetina, indem sie Stressmanagement-Strategien vorstellte und das Beratungsleistungsangebot für TierärztInnen im Rahmen der Spezialambulanz für Mensch-Tier-Beziehung der Freud-Uni präsentierte.

Die internationale Situation der TierärztInnen brachte Mag. Dietmar Gerstner, 1. Vizepräsident der Öster­reichischen Tierärztekammer und Delegierter des europäischen Veterinärfachverbands FVE, ein und zeigte die entsprech­enden Problemfelder im deutschsprachigen Raum wie folgt auf: Die im Vergleich zum Arbeitseinsatz unterproportionale Bezahlung, die hohe Erwartungs­haltung der Kundschaft und die Konfrontation mit dem Patiententod wären Faktoren, die nicht nur zur Unzufriedenheit der TierärztInnen beitragen würden, sondern auch zur belegbar hohen Selbstmordrate in diesem Berufsfeld. Aus diesem Grund habe man sich auf europäischer Ebene entschlossen, zu den Themen „Mental Health“ sowie „Wellbeing“ initiativ zu werden.

Dr. Volker Moser, der ebenso Erfahrungen aus dem ­europäischen Tierärzteverband FVE/UEVP ­einbrachte, appellierte an seine KollegInnen, das eigene Wohl im Auge zu behalten und die Warnsignale nicht zu ignorieren. Zudem sprach er ein weiteres wichtiges Thema an: „Gerade Großtierpraktiker auf dem Land dürfen die Einsamkeit im Hinblick auf den fachlichen Austausch unter Gleichgesinnten nicht außer Acht lassen.“ Denn häufig würden sich die sozialen Kontakte ausschließlich auf die Kunden beschränken und es würde die Gelegenheit fehlen, sich mit Personen außerhalb des Jobumfelds auszutauschen. Der Zusammenhalt in Gesundheitsberufen auf dem Land sollte daher gefördert werden. Federführend bei diesen Projekten sei unter anderem die FVE und die Fecava, die bereits einiges umgesetzt habe. Abschließend stellte Dr. Moser die amerikanische Initiative „Not one more Vet“ vor, die sich der Vermeidung von Suiziden unter TierärztInnen verschrieben hat. Die Hilfsorganisation, die mittels Spenden finanziert wird, biete Finanz­hilfen für Bedürftige an – sei dies für Psychotherapien oder auch Mittel, um zu überleben.

Die Vielzahl der Publikumsfragen, die im Rahmen des Webinars von Prof. Stetina beantwortet wurden, zeigte das hohe Interesse am Thema der mentalen Gesundheit sowie auch den Bedarf an weiteren Beratungsleistungen in diesem Bereich. „An dieser Stelle sei hervor­gehoben, dass wir uns sehr freuen, auch weiterhin mit der Sigmund Freud Privatuniversität zusammenzuarbeiten, die uns TierärztInnen eine exzellente Unterstützung bieten kann. Zudem stellt das heutige Webinar einen Startschuss für weitere Projekte zur mentalen Gesundheit dar. Wir werden das Thema weiterentwickeln und Unterstützung anbieten“, betonte Mag. Frühwirth abschließend.

Kontakt:
Sigmund Freud Privatuniversität
Univ.-Ass. Christine Krouzecky, MMSc.
Email: christine.krouzecky-REMOVE-NOSPAM@sfu.ac.at
www.sfu.ac.at

Die Aufzeichnung des Webinars ist für Sie zum Abruf verfügar unter:
https://youtu.be/kk56KKTDMQU

Weitere kostenlose VETAK-Webinare zum Thema Mentale Gesundheit:
www.tieraerzteverlag.at/vetak