Erstmaliger Nachweis einer Weidekokzidiose

bedingt durch Eimeria alabamensis in Tirol

Dr. Karl Schöpf 1, Dr. Walter Glawischnig 1, Judit Lazar 1, Mag. med. vet. Florian Wetscher 2, Prof. Dr. Heinrich Prosl
AGES Institut für Veterinärmedizin Innsbruck, 2 Tierärztliche Praxis Salvet, Hopfgarten, Tirol, 3 VMU Wien, Institut für Parasitologie (i. R.)

 
Einleitung

Kokzidien sind häufig im Darm von Kälbern parasitierende Einzeller, von denen einige Arten unterschiedlich pathogen sein können. Die Parasiten besiedeln vorrangig die Darmepithelzellen. Pathogenere Arten dringen tiefer in das Gewebe ein und zerstören auch das Endothel der tiefer gelegenen Blutgefäße. Bei stärkerem Befall kann dies zur Zerstörung größerer Darmschleimhautbereiche und zu blutigem Durchfall führen (Rote Ruhr der Kälber).

Zur Charakterisierung und Bestimmung der einzelnen Arten dienen fast ausschließlich morphologische Merkmale der sporolierten Oozysten wie Größe, Form, Farbe und Beschaffenheit der Hüllen sowie das klinische Bild. Beim Rind sind weltweit 21 verschiedene Eimeria-Spezies bekannt. In Mitteleuropa wurden bisher 13 Arten beobachtet, die Befallsraten schwanken je nach Haltungsform und Weideverhältnissen zwischen zwölf und 100 Prozent. 

Die wirtschaftlichen Schäden richten sich nach der Pathogenität der vorliegenden Eimeria-Art und der Schwere der Infektion.

Klinik, Krankheitsverlauf und Pathologie

Die Kokzidiose, bedingt durch Eimeria bovis und Eimeria zuernii, tritt üblicherweise als Stallkokzidiose auf und -basiert auf der bereits vorhandenen Kontamination in den Stallungen. Bei geringgradigem Verlauf setzen die Tiere wässrigen, dünnbreiigen Kot ab, erholen sich aber nach einer kurzen apathischen und anorektischen Phase. Bei stärkeren Erkrankungen tritt nach beginnender Koterweichung bei noch erhaltenem Appetit und normaler Körpertemperatur an den folgenden Tagen Durchfall mit grünlichbraunem, schleimigem, übel riechendem Kot auf. Die Kälber haben dann meist Fieber und scheiden mit dem dünnflüssigen Kot auch Blut und Schleimhautfetzen aus. Sie zeigen dabei eingefallene Flanken, schlagen nach dem Bauch und pressen unter Schmerzen kleine, wie zuvor beschriebene Kotportionen aus (Tenesmus ani). Nach circa einer Woche kann eine Genesung einsetzen, die Blutbeimengungen im Blut verschwinden, bei zunehmendem Appetit bleiben allgemeine Schwäche und struppiges Haarkleid oft noch Wochen bestehen. 

Die Ansteckung mit E. alabamensis Oozysten dagegen erfolgt auf der Weide und führt so zu einer Weide-kokzidiose. Die sehr widerstandsfähigen Oozysten überwintern im Freien auf Grünflächen und werden unmittelbar nach dem Austrieb von den Rindern aufgenommen. Während zweitsömmrige Kälber nach einer Infektion nur wenige Oozysten ausscheiden, kommt es bei erstsömmrigen vier bis sieben Tage nach dem Austrieb zu massiven Oozystenausscheidungen und schaumig-wässrigem Durchfall. Die Tiere verlieren bis zu 15 Prozent des Körpergewichts und erholen sich erst innerhalb von vier Wochen.

Aktueller Fallbericht im Tiroler Unterland

In einem landwirtschaftlichen Betrieb im Bezirk Kitzbühel, der insgesamt 34 Rinder, zwei Ziegen und ein Mastschwein auf 1.100 Metern Seehöhe hält, erkrankten die erstsömmrigen Kälber schon seit einigen Jahren bereits in den ersten Weidewochen an Durchfällen unbekannter Genese. Zur Konditionierung durften 2018 sieben Kälber (Kalb 1–7) einige Tage direkt beim Hof weiden, ehe sie am 2. Mai auf die Koppel I der eigenen, permanent benutzten Kälberweiden in 1.200 Metern Seehöhe aufgetrieben wurden. Zur Stärkung der Darmflora erhielten alle Tiere an den ersten fünf Tagen des Weidegangs Calf Booster. Trotzdem trat bereits am fünften Weidetag bei fünf Kälbern (Kalb  1–5) Durchfall auf. Nach Rücksprache mit einem veterinärmedizinischen Parasitologen und dem Betreuungstierarzt wurden Kotproben zur diagnostischen Abklärung an die AGES und die Veterinärmedizinische Universität Wien (VMU) eingesendet. Die Tiere wurden einer diagnostischen Therapie unterzogen und wurden mit dem Antikokzidium mit dem Wirkstoff Toltrazuril behandelt, worauf der Durchfall abklang. Die Kälber 1–5 wurden auf eine Gemeinschaftsweide aufgetrieben, während die Kälber 6 und 7 gemeinsam mit einem vier Monate alten Kalb (Kalb 8) am 21. Mai auf die Koppel II (erstmalige Beweidung in dieser Weidesaison) verbracht wurden. Wie erwartet zeigten die Kälber 6 und 7, die vermutlich bereits auf der Koppel I E. alabamensis Oozysten aufgenommen hatten, keine Veränderung der Kotkonsistenz. Dagegen kam es bei Kalb 8 bereits am fünften Weidetag zu klinischen Symptomen mit Durchfall. Die Behandlung mit dem Wirkstoff Toltrazuril beendete die Diarrhoe in kürzester Zeit. Seitdem wechseln die Tiere kontinuierlich zwischen den beiden Weiden, entwickeln sich gut und haben keine klinischen Symptome mehr.

 
Diagnose und Ergebnisse 

Die Diagnose wird vorrangig aufgrund der Anamnese und der Klinik gestellt. Die parasitologische Kotuntersuchung kann die Verdachtsdiagnose absichern, in vielen Fällen korrespondiert die Anzahl der ausgeschiedenen Oozysten nicht mit der Intensität der Infektion. Hier steht wieder Qualität vor Quantität, also die Differenzierung der verschiedenen Oozystenspezies und Erfassung der pathogenen Arten. Meist wird die Kotprobe nicht am Tag der maximalen Oozystenausscheidung gezogen.

In unserem Fall erfolgte die kausale Therapie bei den -sieben Kälbern im Mai aufgrund der Anamnese und des klinischen Bilds, wobei sich dem erfahrenen Parasitologen die Diagnose Weidekokzidiose durch E. alabamensis aufdrängte. Der Koppelwechsel und der Austrieb eines weiteren Kalbs auf höchstwahrscheinlich kontaminierte Weiden ermöglichten eine gezielte Probennahme. So wurde von dem vier Monate alten Kalb (Kalb 8) bereits am vierten Weidetag eine Kotprobe eingesammelt und nach dem Einsetzen der Diarrhoe am siebten Weidetag eine weitere Probe genommen. Gleichzeitig wurden auch von den beiden älteren Tieren Kotproben am siebten Tag untersucht. Bei einem Betriebsbesuch am 27. 6. wurden nochmals Kotproben von den betroffenen Tieren gezogen.

Mit Kälberkokzidiose verbindet man zumeist die durch E. bovis und E. zuerni dramatisch verlaufende sogenannte Rote Ruhr der Kälber, die üblicherweise als Stallerkrankung auftritt. Interessanterweise schreibt R. Supperer noch in der dritten Auflage der „Veterinär-medizinischen Parasitologie“: „In früheren Jahren war die Eimeria-Infektion eine typische Weideerkrankung. Insbesondere in trockenen Sommern waren die z. B. auf Almen gesömmerten Jungrinder oftmals auf nur noch wenige Tümpel als Tränken angewiesen; es kam dort zu einer täglichen Massierung, zu einer enormen Verseuchung der Umgebung mit Oozysten und damit zu sehr starken Infektionen. Heutzutage ist die Kokzidiose eine Stallseuche, insbesondere in den Rindermastbetrieben.“

Die eigentliche Weidekokzidiose, bedingt durch E. alabamensis, die bereits wenige Tage nach dem Austrieb vor allem auf permanent genutzten Kälberweiden ausbricht, war den Autoren nur aus Berichten aus Norddeutschland, Dänemark und Schweden bekannt, Regionen mit milderen Wintern, wo die Oozysten in großer Anzahl auf den Weiden überwintern konnten. Die sporulierten Oozysten sind weiters sehr trockenheitsresistent, was ihnen nunmehr auch bei uns unter den sich ändernden Klimabedingungen das Überleben im alpinen Raum sichert.

Im Rahmen der Diagnostik werden im Labor immer wieder E. alabamensis Oozysten bei Kotuntersuchungen diagnostiziert. Allein aufgrund der geringen Anzahl von Oozysten und der bei uns noch nie erfassten klinischen Erkrankung wurde ihre Bedeutung jenen der zahlreichen anderen Kokzidienspezies, die beim Rind parasitieren und kaum Beeinträchtigungen auslösen, gleichgesetzt. Tatsächlich bedingen die ungeschlechtlichen Vermehrungsstadien (Meronten II) von E. alabamensis Epitheldesquamationen, oberflächliche Schleimhaut-nekrosen und eine Verdickung der Dünndarmwand. Stärkere Infektionen verursachen eine hochgradige katarrhalische Enteritis, und die Tiere scheiden mehrere Tage einen schaumig-wässrigen Kot aus. Sie nehmen wenig Nahrung auf, wirken apathisch, aber durstig und verlieren bis zu 15  Prozent der Körpermasse. Die Erholungsphase dauert gut vier Wochen.

Genau diese Durchfallsymptomatik bei den vor wenigen Tagen ausgetriebenen Kälbern wurde seit einigen Jahren in dem Betrieb im Tiroler Unterland beobachtet. Die aufmerksame Betriebsleiterin vermutete eine futterbedingte Darmverstimmung und versuchte, durch Verabreichung von verdauungsfördernden und immunitätssteigernden Nahrungsergänzungsmitteln wie Calf Booster sowie durch Gaben von Tierkohle die Erkrankungen zu mildern bzw. ihnen vorzubeugen. Da alle Bemühungen nicht den gewünschten Erfolg brachten, suchte sie diesmal fachlichen Rat. Differenzialdiagnostisch können Durchfallerkrankungen auf Weiden, bedingt durch Magen-Darm-Würmer, eine parasitäre Gastroenteritis (PGE) auslösen. Allerdings treten bei diesen Nematoden Durchfallsymptome frühestens 14 Tage nach der Aufnahme von Infektions-larven auf. Aus Norwegen liegen Berichte vor, dass Kälber tatsächlich bereits 14 Tage nach dem Weideaustrieb eine PGE aufwiesen. Im vorgestellten Fall wurden die Durchfälle aber bereits ab dem fünften Weidetag beobachtet, und das korreliert nur mit der bei uns noch nicht in dieser Form nachgewiesenen E. alabamensis-Infektion. 

Die Weideführung der Kälber war in allen Jahren gleich auf zwei Koppeln in 1.200 Metern Seehöhe verteilt. Die älteren Tiere wurden Anfang Mai auf die Koppel I ausgetrieben, einige davon wurden dann gealpt. Später geborene Kälber wurden erst einige Wochen später ausgetrieben und gingen mit den verbleibenden Jungtieren direkt auf die Koppel II. Sowohl die erste Kälbergruppe (Koppel I) als auch die jüngeren Tiere (Koppel II) bekamen ab dem fünften Weidetag Durchfall. Das bedeutet, dass beide Koppeln bereits zu Weidebeginn intensiv mit ansteckungsfähigen, überwinterten Oozysten kontaminiert waren. Zwar erkrankten nicht alle Kälber, die betroffenen Tiere jedoch zeigten ein erheblich beeinträchtigtes Allgemeinverhalten und nahmen deutlich ab.

Nach der Diagnose Weidekokzidiose durch E. alabamensis erfolgte die kausale Therapie mit dem Wirkstoff Toltrazuril. Die Durchfälle hörten auf und die Tiere erholten sich. Obwohl die Kälber weiter die beiden Koppeln abwechselnd beweideten, waren keine weiteren klinischen Symptome zu beobachten.

Zur Prophylaxe wird allgemein empfohlen, die Kälber im Frühjahr nicht mehr auf die kontaminierten Weiden auszutreiben. Das geht aber nur, wenn Ausweichmöglichkeiten bestehen oder die Weiden entweder im Herbst oder im Frühjahr gemäht werden, also von Permanentweiden zu Mähweiden werden. Auch die Wechselbeweidung mit Pferden oder Kühen wäre ein denkbarer Ausweg. Wo das alles nicht möglich ist, wie in dem vorgestellten Betrieb, bleibt nur die chemische Metaphylaxe. Ziel ist es, die neuerliche Oozystenausscheidung möglichst zu verhindern oder zu minimieren. Daher müsste eine Gabe vom Wirkstoff Toltrazuril in den ersten Weidetagen der optimale Zeitpunkt sein, um einerseits die Darmschädigungen und den Durchfall und andererseits die Oozystenausscheidung weitestgehend zu verhindern.

 
Zusammenfassung

Das Auftreten von durch E. alabamensis bedingten Durchfällen bei frisch ausgetriebenen Kälbern der ersten Weideperiode bereits nach vier Tagen wird erstmals in Österreich in einem Betrieb in Tirol nachgewiesen. Diese Weidekokzidiose führt zu erheblichen Durchfällen mit beeinträchtigtem Allgemeinbefinden und Gewichtsverlusten. Die Rekonvaleszenz dauert mehrere Wochen. Die rechtzeitige kausale Therapie mit dem Wirkstoff  Toltrazuril erfordert Kenntnisse zum Auftreten dieser Kokzidienart bereits im Vorjahr auf den bestoßenen Weiden und vor allem mit dem damit verbundenen Durchfallsverlauf. Es sollte nicht erst die Befundung einer eingesandten Kotprobe abgewartet werden, die nicht zwingend das klinische Bild bestätigen muss. Allfällige prophylaktische Maßnahmen für die nächstjährige Weideperiode sind sehr betriebsbedingt zu planen.

 

Literaturnachweise

Boch, J., Supperer, R. (Hrsg.): Veterinärmedizinische Parasitologie, 3. Auflage 1983, Paul Parey, Berlin u. Hamburg.

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