Van den Hoven:

„Es passiert fast jeden Tag etwas Schönes, man muss es nur sehen!“

Mag. Eva Kaiserseder

Sie sind nicht nur Leiter der Internen an der Pferdeklinik der Wiener Vetmeduni, sondern auch seit 2015 Präsident des ECEIM (European College of Internal Medicine). Welche Synergien gibt es da, welche Themen sind momentan in der Pferdemedizin präsent?
Erstens bringt es der Veterinärmedizinischen Universität und der Pferdeklinik einen gewissen Status. Wir hatten hier schon 2010 einen Jahreskongress und 2015 die erste Summerschool. Als ECEIM-Präsident hat man ein -riesiges Netzwerk, das heißt, die informellen Kanäle können gut genutzt werden, etwa für den Austausch von Studenten oder Rotationen der Residents. Kooperationen mit anderen Kliniken und Wiener Kollegen lassen sich außerdem gut „vermarkten“. 

Sie haben in Utrecht studiert und arbeiten seit Langem in Österreich. Hatten Sie einen Kulturschock, fachlich und menschlich? 
Nein, ich hatte sicher keinen Kulturschock, im Gegenteil, eine andere Umgebung wirkt erfrischend. Universitäten sind große Organisationen und haben deshalb alle eine vergleichbare Dynamik. Ich war neben Utrecht und Wien noch in Guelph (Kanada, Anm. d. Red.), und vieles ist überall ähnlich. Man muss in diesen Organisationen leben können und ein Teil davon werden. Dann erwirbt man sich seinen Platz und wird auch gehört. Die Details pro Universität sind aber anders, z. B. ist das Rigorosum in Utrecht viel formeller, andere Sachen dafür dann aber auch wieder lockerer. Menschlich ist es eigentlich überall gleich, man darf keine Angst haben vor Begegnungen, dann läuft alles von selber. In Kanada und den Niederlanden sind die Leute da etwas explorativer und auch etwas frecher. In Österreich sind sie anfangs noch hierarchischer orientiert, aber das ist meistens rasch vorbei.

Was waren Ihre bisher prägendsten Erfahrungen in Ihrer Karriere?
Die Equine Research Station in Newmarket war toll. Professor Leo Jeffcott und Dr. Peter Rossdale haben mich rasch zum Pferdearzt ausgebildet. Wir sind noch immer Freunde. Die Unterstützung, die ich von meinem Professor in der Großtier-Internen bekommen habe, war auch prägend. Er war ein gefürchteter Mann, ein guter Kliniker und Didaktiker, aber extrem lästig für alle Mitarbeiter, nur nicht für mich, denn ich war sein Schützling, als ich aus Newmarket zurückkam. Das war hilfreich, weil es eine ordentliche Top-down-Picking-Order an der Internen in Utrecht gab. Bei mir hat man es nicht gewagt, mich anzugreifen, was hilfreich war, um locker mit den anderen zu agieren. Nach einigen Monaten waren alle sehr liebe Kollegen.

Ihr Anfang als Pferdepraktiker – wie haben Sie den in Erinnerung? Gibt es Schönes und vielleicht auch Schreckliches, das Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben ist?
Wirklich schreckliche Sachen habe ich nicht erlebt. Klar, es gibt genauso weniger nette Momente. Teure Fohlen sterben trotz aller Bemühungen ebenso, wie unheilbare Koliker eingeschläfert werden müssen. Meine Frau musste einmal bei einem Reitbetrieb in Deutschland nach einem Feuer die toten Pferde in ihren Ställen für die -Versicherung identifizieren. Wir haben die Tiere gekannt, das war also sehr traurig. Wichtig ist, bei Derartigem Empathie mit den Menschen zu haben. Bei jeder Euthanasie muss man das tun und es hilft dem Besitzer, die Emotionen zu verkraften. Wenn Studierende hier eingebunden werden können, umso besser. Die sehen dann, was man unter diesen Umständen für Menschen bedeuten kann. Auch das gehört zum Fach. Man ist ohnehin ein Role Model für die Studierenden, und es freut mich sehr, wenn sich diese nach einer gewissen Zeit an der Klinik sicherer fühlen. Schönes und Lustiges hat es vieles gegeben. Etwas Besonderes ist es, wenn man als Mannschaftstierarzt bei der -Siegerehrung der Weltmeister auf der Kutsche sitzt und die Nationalhymne gespielt wird. Das habe ich dreimal erlebt und das sind dann absolute Gänsehautmomente. Auch wenn die eigenen Pferde Rennen gewinnen, ist das schön, und die Geburten ihrer Fohlen. Es passiert fast jeden Tag etwas Schönes, man muss es nur sehen.

Welches Fachgebiet ist Ihnen persönlich eine Herzensangelegenheit?
In der Internen Medizin sind es die Kolikdiagnostik und Muskelerkrankungen. Ich habe meinen PhD (Doktor-arbeit, Anm. d. Red.) über Myopathien gemacht. Dabei habe ich die Histologie geliebt, und zwar, weil es da so wunderschöne farbige Bilder zu machen gibt – ich bin nämlich ein sehr visueller Typ, wie viele Tierärzte, die ich kenne, und liebe Farben. Was wahnsinnig spannend ist, ist die Genetik. Da geht etwas weiter.

Wie sehen Sie den Beruf des Pferdepraktikers? Was liegt derzeit im Argen, wo hat es sich gut entwickelt?
Der Bedarf an Pferdepraktikern ist noch immer da. Es gibt in Österreich noch Regionen, wo zu wenige oder keine sind. Es ist ein harter Job draußen, und als Solist wird es in Zukunft schwierig sein, eine gute Bilanz zwischen Arbeit und Freizeit mit der Familie zu finden. Momentan werden Kleintierpraxen von Firmen gekauft und umgestaltet. Sie bieten mehreren Tierärzten Arbeit. Ich war vor einigen Wochen in Strömsholm in Schweden bei einer derartigen Klinik, wo es eine Pferdeabteilung gab. Die Mitarbeiter waren zufrieden und wurden gut bezahlt, die Spezialisten noch besser. Diese Tierspitäler verlangen eine hohe soziale Kompetenz von ihren Mitarbeitern. Das neue Curriculum hat diese Tatsache bereits berücksichtigt und zielt auf kommunikative und soziale Kompetenzen neben den technischen First Day Skills ab. Auch das präventive Element wird in Zukunft zunehmen und die Überwachung des Tierwohls wird wichtiger werden. Dabei können aber auch Konfliktsituationen entstehen zwischen Tierarzt und Tierbesitzer oder Organisationen. Zum Beispiel, wenn Züchter Tiere mit gesundheitsschädigenden Eigenschaften züchten.

Was würden Sie einem angehenden Pferdepraktiker raten? Und wo heißt es Vorsicht walten lassen – Stichwort Selbstausbeutung?
Am Anfang: voll drauf eingehen, in sich selbst investieren, ins Ausland gehen. Herausfinden, wo die persönlichen Stärken liegen, und diese weiterentwickeln. Spaß am Beruf haben. Man braucht aber eine gewisse Frustrationstoleranz, gute Gesundheit, Kreativität und eine optimistische Lebenseinstellung, die hilft sehr. Wenn man geschätzt wird, die Arbeit Freude macht und man dabei auch noch gelobt wird, kommt man nicht so rasch zu dem Punkt, an dem man sich selbst ausbeutet. Warum? Wenn man weiß, was man gut kann, wird man sich auch nicht so schnell unter dem Marktwert verkaufen. Die Persönlichkeit zu entwickeln ist jedenfalls wichtig. Ehrlichkeit ist dabei gefragt, und wenn man nicht richtig glücklich in seinem Beruf ist, muss man es wagen, das zu erkennen. Man soll sich für seine Entscheidungen nicht schämen. Schluss-endlich ist es das eigene Leben.

Kurz vor dem Ruhestand, zumindest an der Wiener Vetuni: Was wird Sie zukünftig umtreiben? Gibt es Bereiche in Ihrem Leben, die bisher zeitlich zu kurz kamen und jetzt wieder mehr Raum bekommen?
Bis 2018 bin ich noch ECEIM-Präsident, da gibt es also noch einiges zu erledigen. Meine Frau ist schon zurück in die Niederlande gegangen und überwacht den Bau -unseres neuen Hauses. Es gibt auch noch drei Stuten und ein Enkelkind. Zusätzlich habe ich noch eine Gastprofessur auf Zypern. Was mich abseits der Arbeit sehr interessiert, ist die Archäologie der Bronze- und Eisenzeit, die Zeit der Domestizierung unserer Haustiere. Ich war schon im Naturhistorischen Museum in Wien eingeladen und wurde dort um meine Meinung gebeten betreffend einer Sammlung römischer und germanischer Pferdeknochen. Ansonsten sind Zeichnen, Malen und Filmen sicherlich etwas, das auf der Strecke geblieben ist. Die Begeisterung dafür ist mir noch geblieben aus meiner Jugend, als wir in einem Künstlerdorf gewohnt haben.

www.ECEIM.info