Das Dilemma –

Tierärztlicher Notdienst

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Fast ausweglos erscheint die Situation um die tierärztliche Notdienstversorgung – trotzdem geben einzelne Positivbeispiele Hoffnung, dass sich die Lage dennoch stabilisiert oder gar verbessert.

Der Tierärztliche Notdienst ist nicht kostendeckend, mitarbeiterintensiv und mit der angestrebten Work-Life-­Balance vieler TierärztInnen nicht vereinbar – dies sind die meistgenannten Argumente, wenn es darum geht, die Ursachen für das oft mangelnde Angebot im Tierärzt­lichen Notdienst zu ergründen.

„Die derzeitige Versorgung ist kaum aufrechtzuerhalten und fußt meist auf berufsethischen Vorstellungen – finanziell zahlt es sich definitiv nicht aus“, heißt es vonseiten vieler TierärztInnen. Im Schweinebereich sei der Notdienst kaum machbar, im Rindersektor könne man meist nur Stammkunden betreuen. Um kostendeckend zu arbeiten, müsse man einen Bruttoumsatz von 700 bis 1.000 Euro pro Tag erwirtschaften – das seien unrealistische Summen, die womöglich nur in Tierkliniken zu erreichen sind. Meist von jungen selbstständigen TierärztInnen ist zu vernehmen, dass sie mit einer Bruttoabgeltung von knapp über 100 Euro genauer überlegen, ob sie ihre wohlverdiente Freizeit opfern (Anm. der Red.: Der genannte Betrag bezieht sich auf den Wochenend- und Bereitschaftsdienst, der als Abgeltung zusätzlich zum direkt verrechnete Kunden­honorar im Zuge einer Förderung hinzukommt). Auch durch die Arbeitszeitregelungen, die eine maximale Höchstarbeitszeit von 12 Stunden pro Tag (60 Stunden pro Woche) sowie entsprechend einzuhaltende Ruhezeiten vorsehen, ist ein 24/7-Notdienst nicht zu bewerkstelligen, zumal kleine Tierarztpraxen auch nicht über die dafür nötigen personellen Ressourcen verfügen. Ein regionaler Zusammenschluss mehrerer KollegInnen oder Praxen ist ohnedies gang und gäbe, doch selbst da ist der Tierärztliche Notdienst eine große Herausforderung. 

Im öffentlichen Interesse

Dennoch ist die tierärztliche Notdienstversorgung tierschutzrelevant, zählt zum Berufsethos der TierärztInnen und steht selbstverständlich im öffentlichen Interesse. Einige politische Vertreter drücken durch jährlich zuge­sicherte Förderungen und Zuschüsse ihre Würdigung aus. Die finanziellen Zuwendungen vonseiten der Politik sind bundesweit betrachtet aber leider nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.

Dem unermüdlichen Engagement einiger TierärztInnen ist es zu verdanken, dass es trotz aller Engpässe fast in jedem Bundesland Initiativen zur Aufrechterhaltung des Tierärztlichen Notdienstes gibt. 

Dr. Heinz Heistinger, ÖTK-Landesstellenpräsident aus Niederösterreich, sagt dazu: „Die Tierärztinnen und Tierärzte Niederösterreichs bemühen sich seit Jahren um eine bezirksweise Notversorgung an Wochenenden und Feiertagen. Oft sind sie dabei auch die erste Anlaufstelle für Überbringer verletzter herrenloser oder ausgekommener Tiere. Ausschließlich für solche Hunde, Katzen und nicht jagdbare Wildtiere erfolgt eine mit der Landesregierung vertraglich gesicherte finanzielle Unterstützung einer veterinärmedizinischen Erstversorgung. Eine Aufrechterhaltung der Nutztierversorgung wird hingegen im Rahmen einer möglichst flächendeckenden Betreuung durch die niedergelassenen Veterinäre des Niederösterreichischen Tiergesundheitsdienstes angestrebt. Ein wesentliches Manko ist, dass manchen Tierbesitzern die Notdienstversorgung der Kolleginnen und Kollegen im Sinne der Tier- und Volksgesundheit, aber auch des Tierschutzes als Selbstverständlichkeit vorkommt, ja sogar immer wieder behauptet wird, dass diese Bereitschaft sowieso von der öffentlichen Hand finanziert sei. Hier besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf der Österreichischen Tierärztekammer, die Bevölkerung über diese sich hartnäckig haltende Fehlinformation aufzuklären.“

Wie ist die Tierärztliche Notdienstversorgung organisiert und welche Initiativen gibt es? 
Hier ein Überblick:

Burgenland:

Wie das Vetjournal (Oktober-Ausgabe 2018) berichtete, hat Mag. Thomas Neudecker, Präsident der ÖTK-Landesstelle Burgenland, gemeinsam mit der Burgenländischen Landesregierung einen Kooperationsvertrag (geltend ab 2017) vereinbart. Ziel war es, eine flächendeckende tierärztliche Versorgung der burgenländischen Nutztiere zu jeder Zeit im gesamten Bundesland zu erreichen; dafür wurden fünf Versorgungsregionen definiert. 

• Die ÖTK verpflichtet sich, in den fünf festgelegten Versorgungsregionen sowohl wochentags als auch an Sonn- und Feiertagen zum Zwecke einer ordnungsgemäßen veterinärmedizinischen Nutztierversorgung einen Nutztierpraktiker bereitzustellen.

• Die ÖTK organisiert die Diensteinteilung der Tierärzte und gibt rechtzeitig die monatliche Liste an die Veterinärdirektion der Landesregierung des Burgenlands ab.

Das Land Burgenland verpflichtet sich im Gegenzug, der ÖTK für jede Versorgungsregion pro Woche 600 Euro (inkl. USt) zu bezahlen. Die Zahlung erfolgt auf ein ÖTK-Konto und der Präsident verpflichtet sich, das Geld schnellstmöglich an die eingesetzten Tierärzte weiterzuleiten.

• Die Tierärzte und Tierärztinnen, welche sich für diesen Nutztiernotdienst freiwillig gemeldet haben, verpflichten sich wiederum, von Montag bis Freitag von 20:00 Uhr bis 07:00 Uhr Früh, weiters Samstag und Sonntag bis Montag, 07:00 Uhr Früh für Notfälle erreichbar zu sein.

• Es haben sich flächendeckend im Burgenland genug TierärztInnen für diesen Notdienst gemeldet, und dieser Dienst wird seit Jänner 2017 zur besten Zufriedenheit für die Bauern und die Burgenländische Landwirtschaftskammer umgesetzt. 

Im Kleintierbereich gibt es fünf Tierarztpraxen, die im Südburgenland und der Oststeiermark einen freiwilligen Abend- und Nachtnotdienst übernommen haben. Die Rahmenbedingungen: Jede Tierarztpraxis verpflichtet sich, an einem Wochentag am Abend ab 20:00 Uhr und bis 07:00 Uhr Früh für dringende Notfälle erreichbar zu sein. Diese Lösung hat sich seit ca. 1,5 Jahren sehr bewährt. Jede einzelne Praxis kann entscheiden, ob sie die Notfälle der eigenen Patienten selbst versorgt oder – wenn es nicht möglich ist – diesen Kleintiernotdienst in Anspruch nimmt.
Im Pferdebereich kooperieren die Tierärzte aus dem Burgenland mit jenen aus benachbarten Bundesländern. Der Wochenendnotdienst für Kleintiere wird im gesamten Burgenland über die Tierärztekammer organisiert und ist für die Hunde- und Katzenbesitzer über die Notrufnummer 141 abrufbar.   

 

Steiermark/Großraum Graz: 

Eine mittlerweile sechsköpfige Gruppe freiberuflich tätiger PferdetierärztInnen hat sich in den vergangenen drei Jahren erfolgreich zusammengeschlossen, um im Großraum Graz einen geregelten Wochenenddienst für Notfälle bei Pferden anzubieten, berichtete Dr. med. vet. Börge Schichl im Vetjournal 09/2018. Das Team hat sich auf eine einheitliche Preisgestaltung in Anlehnung an den der tierärztliche Honorarordnung zugrunde gelegten kalkulatorischen Stundensatz (Anmerkung der Red.: 128,– Euro netto lt. DV vom 23.11.2018) verständigt. Zudem wurden klare Regeln für die Rücküberweisung der Notfälle an den Betreuungstierarzt (Dienstübergabe) ebenso vertraglich geregelt wie auch eine Pönale für etwaige Verstöße. Die Organisation im Team erfolgt über vereinbarte Dienstpläne, die über eine WhatsApp-Gruppe kommuniziert werden. Die externe Kommunikation läuft über die Praxishomepages bzw. via Handy. Aus der Gruppe der PferdetierärztInnen heißt es, dass die strikte Honorargestaltung dazu führe, dass an Wochenend- und Feiertagen kaum noch „Pseudonotfälle“ zu versorgen sind. 

Kärnten:

Unter der Federführung von Mag. Franz Schantl, ÖTK-Landesstellenpräsident in Kärnten, startete man im Vorjahr einen freiwilligen Wochenenddienst, der über die Website www.tierarzt-ktn.at abrufbar ist. Übersichtlich nach Bezirken geordnet, findet man rasch die jeweiligen Kontakte und Telefonnummern der Tierärzte und Tierkliniken. 

Oberösterreich/Stadt Linz:

In der Vetjournal-Novemberausgabe 2018 berichtete Dr. Alexander Peterek von den Bemühungen für einen Kleintiernotdienst in der Stadt Linz, die diesen bereits seit 1988 subventioniert. Die dafür vorgesehene Förderung wurde von der ÖTK-Landesstelle Oberösterreich jährlich beantragt. 

Auf Basis eines Punktesystems erhielten teilnehmende TierärztInnen bis dato für ihre Arbeit an den entsprechenden Wochenenden, Feiertagen und Doppelfeiertagen 110 Euro pro Wochenende als Entschädigung, wobei die Abrechnung laut tierärztlicher Honorarordnung mit dem Tierbesitzer davon unberücksichtigt bleibt. Die Dienstveröffentlichung erfolgte in Linzer Medien (Oberösterreichische Nachrichten, Kronen Zeitung, Volksblatt, Die ganze Woche, Tierheim, ORF-Landesstudio etc.) sowie seit 2015 auch auf der Homepage der Stadt Linz (Startseite -› BürgerInnen-Service -› Service A–Z -› Tiere -› Tierärztlicher Notdienst Linz). 

Der Dienst wird von Samstag- bis Montagfrüh bzw. vom jeweiligen Feiertag bis zum darauffolgenden Werktag angeboten. Die diensthabende Tierärztin bzw. der Tierarzt werden mit Telefonnummer genannt.

Als sehr erfreulich ist zu werten, dass die Zusammenarbeit mit dem Linzer Bürgermeister MMag. Klaus Luger unkompliziert und positiv verläuft; das jüngste Ergebnis der positiven Verhandlungen: Die seit 30 Jahren nicht evaluierte Förderung der Stadt Linz wurde um 20 Prozent erhöht. 

Salzburg:

Auch in Salzburg konnte auf Antrag und Betreiben des Präsidenten der hiesigen ÖTK-Landesstelle, Dr. Gernot Eibl, eine Einigung mit dem Land Salzburg bezüglich der tierärztlichen Bereitschaftsdienste für landwirtschaftliche Nutztiere getroffen werden. Landesrat DI Dr. Josef Schwaiger sicherte und genehmigte eine finanzielle Unterstützung ab 2019 zu.

Demnach werden freiberuflich tätige TierärztInnen, tierärztliche Praxisgemeinschaften und Kliniken mit jeweils Praxissitz im Land Salzburg, die sich bereit erklären, an Wochenenden und Feiertagen Bereitschaftsdienste zu übernehmen, nach Maßgabe der vorhandenen Mittel mit einem Unterstützungsbetrag von 100,– Euro pro Wochenende (Samstag, Sonntag) und pro Feiertag 50,– Euro unterstützt. 

Wie das Land Salzburg betont, soll damit die tierärztliche Versorgung der landwirtschaftlichen Nutztiere an Wochenenden und Feiertagen gefördert werden. Es sei selbstverständlich, dass für diese Dienstleistung mit der in Aussicht gestellten Summe nur ein Beitrag und ein zusätzlicher Anreiz geleistet werden kann. Damit solle aber auch die Wertschätzung für die von den praktischen Tierärztinnen und Tierärzten geleisteten Tätigkeiten ausgedrückt werden. Es sei klar, dass die zukünftige tierärztliche Versorgung insbesondere der landwirtschaftlichen Nutztiere eine der wesentlichen Herausforderungen in diesem Bereich ist. 

Die Abrechnung erfolgt durch Übermittlung der Termine des Bereitschaftsdienstes pro Quartal und Bestätigung der Durchführung durch die ÖTK-Landesstelle Salzburg an die Landesveterinärdirektion. Der ermittelte Betrag wird von der Landesveterinärdirektion vierteljährlich direkt an die praktischen Tierärztinnen bzw. Tierärzte angewiesen. 

In den einzelnen Bezirken sind derzeit an Wochenenden bzw. Feiertagen folgende freiwillige tierärztliche Bereitschaftsdienste für landwirtschaftliche Nutztiere im Normalfall eingerichtet: Bezirk Salzburg-Umgebung: 4 – 5; Bezirk Hallein: 2; Bezirk St. Johann im Pongau: 2; Bezirk Tamsweg: 1; Bezirk Zell am See: 6; Magistrat der Stadt Salzburg: 0.

Tirol:

Seit 2017 gibt es für die Bezirke Innsbruck-Stadt und -Land eine zentrale Notrufnummer, die für Kleintiernotfälle an -Wochenenden oder Feiertagen unter 0676 885 08 82 444 zu erreichen ist. Von Samstag, 12 Uhr, bis Montag, 7 Uhr, werden hier Notfälle abgeklärt bzw. an diensthabende Tierarztpraxen vermittelt. Seit heuer neu ist die Webseite www.tierarzt-notdienst.tirol, die von der Tierärztekammer Tirol ins Leben gerufen wurde. Die Infoplattform zeigt bei Bedarf Hilfesuchenden, welche Tierarztpraxis Bereitschafts- oder Notdienst hat. Das Land Tirol und die Tierärztekammer übernehmen bei diesen Serviceleistungen organisatorische Aufgaben, wobei die Leistungen von den Tierärzten selbst erbracht werden. 

  

Die genannten Beispiele aus der Praxis lassen erahnen, dass eine flächendeckende bundesweite Lösung in weiter Ferne liegt. Es ist dem Engagement einer kleinen Gruppe motivierter TierärztInnen zu verdanken, dass die Notdienstversorgung in bekannter Manier klappt. Da sich weder an den arbeitsrechtlichen Bestimmungen noch an der Verfügbarkeit von MitarbeiterInnen in naher Zukunft etwas ändern wird, können Lösungen für die Notdienstmisere wohl nur föderal auf Bezirksebene gefunden werden. Dazu sagt Dr. Peterek: „Einmal mehr dient der vorliegende Artikel als Aufruf an alle KollegInnen, sich auf regionaler Ebene zusammenzuschließen und im Sinne der Tiere ein Angebot für den Tierärztlichen Notdienst zu bewerkstelligen. Denn eine bundesweit einheitliche Lösung ist aufgrund der unterschiedlichen regionalen Strukturen – Groß-, Kleintier und Kliniken – kaum möglich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sucht den Kontakt mit den NachbarkollegInnen und regionalen Politikern, um unsere berufsethischen Vorstellungen leben zu können, ohne Gefahr zu laufen, ins Burn-out zu schlittern!