Chlamydien im Reproduktionstrakt beim Schwein –

Forschung in den Kinderschuhen

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Chlamydien kommen in beinahe jedem Schweine­stall vor und können Erkrankungen des Respirations-, Gastro­intestinal- und Reproduktionstrakts auslösen. Wenig ist über diese Erreger beim Schwein im Genitaltrakt bekannt. Welchen Herausforderungen begegnet man bei Diagnostik und Therapie?

Dr. med. vet. Christine Unterweger, Dipl. ECPHM, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Schweineklinik der Vetmeduni Vienna und beschäftigt sich in ihrer Arbeit als Forscherin fokussiert mit Chlamydien. Vier Spezies, Chlamydia suis, Chlamydia pecorum, Chlamydia psittaci und Chlamydia abortus, sind beim Schwein bedeutend, wobei auch mehrere Spezies gleichzeitig in einem Schwein zu finden sind. In nahezu jedem Schweinebetrieb seien Chlamydien vorzufinden; der Darmtrakt bilde ein Reservoir für die Erreger, welche mit dem Kot ausgeschieden werden, so die Forscherin. Besonders der Lebenszyklus der Bakterien ist spannend und einzigartig, wie Dr. Unterweger erklärt: „Chlamydien sind mit einer Größe von etwa 0,2 µm sehr kleine Bakterien und wurden ursprünglich sogar zu den Viren gezählt. Sie leben intrazellulär und man kann zwei Lebenszyklus­stadien unterscheiden: Elementarkörperchen und Retikular­körperchen. Das Elementarkörperchen ist das infektiöse Stadium – es kann in jegliche Epithelzellen des Körpers eindringen. Sobald die Zellmembran überwunden ist, startet die Vermehrung des Erregers in der Zelle, die Bakterien wandeln sich in Retikularkörperchen um, und diese ernähren sich von der Zelle selbst. Sind alle Nährstoffe aufgebraucht, verwandeln sich die Retikularkörperchen wieder in infektiöse Elementarkörperchen, die Zelle platzt und die freigesetzten Körperchen befallen weitere Zellen. Elementarkörperchen können auch mehrere Wochen in der Umwelt persistieren und weiterhin infektiös bleiben.“

Chlamydia suis ist in Österreich laut eigener Untersuchungen der Schweineklinik die Chlamydienspezies mit der höchsten Prävalenz. Vor allem über Staub und Kot infi­zieren sich die Schweine, die Erreger gelangen über den Atmungstrakt oder über orale Aufnahme in den Körper. Auch der Genitaltrakt bei Sauen wird als Eintrittspforte beschrieben, ebenso wird eine transplazentare Über­tragung bei trächtigen Sauen vermutet. Somit können diverse Organsysteme involviert sein, vor allem der Respirations-, Gastrointestinal- und Genitaltrakt sind hier zu nennen. Dr. Unterweger geht zusätzlich davon aus, dass Chlamydien beim Schwein – so wie auch bei der Maus bereits bewiesen – über das Lymphsystem systemisch verbreitet werden können; Studien gibt es dazu jedoch keine.

Bei anderen Tierarten konnte bereits demonstriert werden, dass die Erreger auch in Monozyten eindringen und so hämatogen gestreut werden können. Eine potenzielle Übertragung dieser Bakterien über den Samen infizierter Eber wird vermutet, den Beweis bleibt die Forschung allerdings auch hier noch schuldig. „Im Genitaltrakt einer Sau kommt es typischerweise, das ist auch wissenschaftlich belegt, zu Verklebungen der Eileiter, was wiederum zu Fruchtbarkeitsstörungen führt“, so die Spezialistin. „Vermehrtes Umrauschen durch fehlende Befruchtung, fehlgeschlagene Einnistungen, Vaginalausfluss, aber auch Aborte, Mumifikationen, Totgeburten, kleine Würfe und lebensschwache Ferkel sind im Zusammenhang mit einer Chlamydieninfektion beschrieben. Wir wissen sehr wenig darüber, welche Folgen eine Chlamydieninfektion beim Schwein im Reproduktionstrakt haben kann, es gibt zu diesem Thema nur ganz wenige Studien. Die meisten davon wurden für die Humanmedizin durchgeführt, da Chlamydia suis der Spezies Chlamydia trachomatis, welche bei Menschen ebenfalls Entzündungen des Genitaltrakts verursacht, ge­netisch stark ähnelt. Deswegen wird das Schwein gerne als Tiermodell für humanmedizinische Studien ver­wendet, allerdings ist der veterinärmedizinische Output aus solchen Studien gering“, so Dr. Unterweger.

Fast in jedem Stall gibt es Dauerausscheider, im Normalfall sind die meisten Schweine symptomlos und der porzine Gastrointestinaltrakt dient als Reservoir für Chlamydien, wodurch es immer wieder zu Reinfektionen kommt. Dr. Unterweger geht davon aus, dass erst nach mehreren Re­infektionen und auch abhängig vom Infektionsdruck bei Einzeltieren, oft in Kombination mit immunsuppri­mierenden Faktoren wie viralen und bakteriellen Co-Infektionen oder Managementfehlern, Krankheitssymptome auftreten. Damit wären wir nun bei den Problematiken der Diagnostik: Es ist sehr schwierig, Chlamydien als Ursache von Erkrankungen klar nachzuweisen. Dazu die Tierärztin: „Chlamydien leben intrazellulär, aus diesem Grund sind sie nicht so einfach kultivierbar wie viele andere Bakterien. Am häufigsten erfolgt der Nachweis anhand molekularer PCR-Methoden, jedoch heißt ein positiver PCR-Nachweis noch nicht, dass die Bakterien auch infektiös sind. Das ist auch der Grund, warum ich alle Proben, welche PCR-positiv sind, auf einem Zellrasen anzuzüchten versuche, und wenn innerhalb von sechs bis acht Tagen eine Vermehrung stattfindet, habe ich den Beweis, dass diese Chlamydien auch wirklich infektiös sind. Ein weiterer Stolperstein bei der ­Diagnostik ist sicherlich auch, dass viele Tiere inter­­mittierend ausscheiden. Auch mögliche Konta­minationen bei der Probenentnahme spielen eine Rolle: Da der Erreger mit dem Kot ausgeschieden wird, sind Chlamydien potenziell überall. Wird zum Beispiel der Samen eines Ebers untersucht und ist positiv, kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Absamung eine Kontamination stattgefunden hat. Vaginaltupfer bei Sauen können bei der Entnahme ebenso mit Kot in Berührung gekommen sein.“

Weiters erklärt Dr. Unterweger: „Das gleiche Problem haben wir mit Abortmaterial: Wenn Aborte eingeschickt werden, hatte das Material meist bereits Kontakt mit dem Stallboden, und der ist wiederum mit Kot kontaminiert. Ist die PCR positiv, kann hier nicht unterschieden werden, ob die Erreger vom Abort selbst oder von der Kotkontamination stammen. Somit ist es sehr schwierig zu beweisen, dass die nachge­wiesenen Chlamydien tatsächlich für den Abort verantwortlich waren. Allgemein kann ich aber sagen, dass wir Chlamydien sehr selten im Abortmaterial finden. Es gibt derzeit keinen wissenschaftlichen Beweis für die ursächliche Beteiligung von Chlamydien am Sauenabort. Das Einzige, was wir bezüglich der Pathogenese von Chlamydien im Genitaltrakt fundiert wissen, sind Veränderungen in Ampulla, Isthmus sowie der uterotubalen Verbindungsstelle, die von Deziliationen, zilialen Dysfunktionen bis hin zu Verklebungen der Eileiter reichen. Zusätzlich beeinflussen Chlamydien die Ausscheidungsmuster von körper­eigenen Wachstumsfaktoren sowie Zytokinen und somit die Wanderung der Eizelle, die Einnistung im Uterus und die frühe Embryonalentwicklung. Auch Entzündungen in den glandu­lären Epithelzellen des Uterus wurden beschrieben.“

Nachweis der Infektion wichtig

Die sicherste Methode wäre der immunohisto­chemische Nachweis der Erreger in Kombination mit histo­logisch sichtbaren Läsionen in der Plazenta. Doch diese ist wiederum meist nicht mehr vorhanden – entweder wird sie von den Schweinen gefressen oder sie rutscht durch den Spaltenboden, betont die Wissenschaftlerin.  Nun gibt es natürlich auch die Option des indirekten Nachweises einer Infektion mittels Serologie; dazu Dr. Unterweger: „Serologische Verfahren im Zusammenhang mit Chlamydien sind nicht weniger schwierig interpretierbar. Wir wissen aus einer Studie, dass es bei experimenteller Chlamydieninfektion trotz deutlicher Symptome häufig zu keiner systemischen Immunantwort kommt. Selbst nach mehreren Wochen waren in dieser Studie keine Antikörper nachweisbar. Wir wissen nicht, wann und ob beziehungs­weise unter welchen Bedingungen es zu einer Sero­konversion kommt, vielleicht sind auch zahlreiche Reinfektionen dafür nötig. In Österreich gibt es für den Antikörpernachweis nur die Methode der Komplement­bindungsreaktion, bei dieser werden Antikörper gegen sämtliche Chlamydienspezies nachgewiesen. Das heißt, ich kann nicht sagen, ob diese Antikörper für den konkreten Verdachtsfall eine Rolle spielen, nachdem fast jedes Schwein Chlamydien im Darmtrakt und somit potenziell auch eine serologische Reaktion hat. Somit kann ich weder ein negatives noch ein positives Resultat als beweisend anerkennen, die Diagnostik bei Chlamydien ist wie ein Rätselspiel.“

Zur Therapie von Chlamydien werden üblicherweise Tetra­zykline empfohlen, welche 21 Tage lang über das Futter verabreicht werden sollen. Dieser Zeitraum basiert jedoch nicht auf wissenschaftlichen Studien, sondern auf biologischen Annahmen. Die Tetrazyklinbehandlung funktioniert gut für Chlamydia abortus, pecorum und psittaci, jedoch ist bei Infektionen mit Chlamydia suis Vorsicht geboten: Chlamydia suis ist häufig Träger von Tetrazyklin-Resistenz­genen. Nach Applikation von Tetrazyklinen wandeln sich resistente C.suis-Isolate in Persistenzstadien und können in dieser Form monatelang intrazellulär verweilen und anschließend wieder aktiviert und infektiös werden. Dies erklärt rekurrierende Symptome nach erfolgter Therapie. Ob Chlamydien diese Resistenzgene tragen, kann wiederum mit einer PCR nachgewiesen werden; dieses Verfahren wird an der Schweineklinik gerade etabliert. Diese Resistenzgene sind auch aus dem One-Health-Gedanken heraus interessant, da zumindest in vitro eine Übertragung des Gens auf die humane Chlamydia tracho­matis möglich ist. Ein klassisches Antibiogramm ist aufgrund der schwierigen Anzüchtbarkeit der intrazellulären Bak­terien nicht möglich. Im Chlamydienreferenzlabor am UZH in Zürich gibt es zusätzlich die Möglichkeit, die Expression dieses Resistenzgens nachzuweisen; mit diesem Labor arbeitet die Wiener Schweineklinik bei Bedarf auch zusammen. Als Alternative können Makrolide zum Einsatz kommen. Prophylaktisch stellt die regelmäßige Reinigung und Des­infektion des Stalls – etwa mit quaternären Ammonium­verbindungen – eine wichtige Maßnahme dar, um die Infektionslast zu reduzieren. Ein reduzierter Infektionsdruck hilft dabei, die Erkrankungszahl zu senken, auch eine niedrige Belegungsdichte wirkt sich positiv aus: Je weniger Tiere im Stall sind, desto weniger Ausscheider und Reinfektionen gibt es. Impfstoffe wurden bis dato nicht entwickelt.

Weitere Forschungsarbeit notwendig

Chlamydien als Ursache für Fruchtbarkeitsprobleme beim Schwein sind durch verschiedene Faktoren wie unzu­reichendes Wissen über die Pathogenese, mögliche Kontaminationen und schwierige Interpretation der diagnostischen Verfahren schwierig zu beweisen und stellen den Praktiker häufig vor eine Herausforderung. Aufgrund der wenigen Studien über Chlamydien im Reproduktionstrakt beim Schwein bleibt hier für die Forschung in Zukunft viel zu tun. „Wenn wir Forschungsgelder zur Verfügung hätten, würde ich gerne Infektionsstudien und Studien zur Ver­besserung diagnostischer Möglichkeiten durchführen, um ein bisschen mehr Licht in die Sache bringen zu können“, sagt Dr. Unterweger abschließend.