Polizeipferde

für Wien

Pamela Sladky
Redakteurin Pferderevue

Versuche, in Wien eine Reiterstaffel zu etablieren, werden seit Jahren erfolgreich im Keim erstickt. Nun wagt die Politik einen neuerlichen Vorstoß.

Die Idee, eine Reiterstaffel in Österreich zu etablieren, ist nicht neu. Bereits in den 1980er-Jahren gab es Pläne zur Aufstellung einer berittenen Einsatztruppe für die Bundeshauptstadt. Nicht weniger als 150 Pferde sollten in den Dienst der Polizei gestellt werden. Kostenpunkt: 150 Millionen Schilling. Zur Umsetzung kam es nie. Im Frühjahr 1990 unternahm man dann einen neuerlichen Vorstoß. Anlässlich des Blumenkorsos im Wiener Prater sollte eine berittene Polizeitruppe für die lange gehegten Pläne werben. 30 aktive Reiter mit eigenen und geliehenen Pferden wurden aktiviert und sogar Verstärkung bei Reiterstaffeln aus den Niederlanden und dem benachbarten Deutschland organisiert. Zwei Wochen vor dem großen Auftritt schwenkte das Innenministerium dann plötzlich um. Den Beamten, die bereits mehrfach an Proben für die Veranstaltung teilgenommen hatten, wurde gar mit einem Disziplinarverfahren gedroht, sollten sie bei der Veranstaltung trotz der Weisung „von ganz oben“ in den Sattel steigen. 

Die Gründe für den plötzlichen Sinneswandel blieben im Verborgenen. Gemunkelt wurde, die Bedenken der Bevölkerung gegen berittene Beamte seien seit der gewaltsamen Niederschlagung der Arbeiterunruhen im Jahr 1927, an der auch berittene Polizeitruppen beteiligt waren, einfach zu groß. Diese Assoziation hat sich heute freilich weitgehend verloren. Dafür ist die Gegenwehr insbesondere aus dem Lager der Tierschützer groß, wenn es darum geht, Pferde für den Polizeieinsatz in Wien anzuschaffen. Organisationen wie die Pfotenhilfe oder Vier Pfoten sprachen sich in einer ersten Reaktion auf die Pläne des Innen­ministers vehement gegen die Nutzung von Pferden in der Großstadt aus. 

„Wenn Fiaker ein tierschutzrelevantes Problem sind, dann sind es Pferde im Polizeieinsatz erst recht“, sagte etwa Pfotenhilfe-Geschäftsführerin Johanna Stadler. Ihre Sorge gilt dabei nicht nur den Tieren, sondern auch den Menschen. „Pferde sind Fluchttiere, die schon durch kleinste Unregelmäßigkeiten beunruhigt sind und bei Lärm oder plötzlich auftauchenden Hindernissen schnell einmal durchgehen und sich selbst und andere schwer verletzen können.“ Geht es nach Stadler, gilt das auch für ausgebildete Polizeipferde: „Ich kann auch aus eigener Erfahrung von äußerst gefährlichen Situationen beim Einsatz von Pferden bei einer Demonstration berichten. Die Polizei­pferde in München waren damals schweißüberströmt und konnten von den Polizisten kaum gebändigt werden. Die Trillerpfeifen, Megafone, Sprechchöre und auch die Banner machten sie hochnervös, wodurch sie die Augen vor Angst weit aufrissen, sich aufbäumten und laut ­wieherten. Man mag sich nicht vorstellen, was passiert, wenn so eine Demonstration außer Kontrolle gerät und die Pferde mitten in der Menge durchgehen und ohne Rücksicht auf Hindernisse losgaloppieren.“ 

Das Training der Polizeipferde, das die Tiere gelassen in Stresssituationen machen soll, bezeichnet man bei der Pfotenhilfe als tierquälerisch. Dieser Einschätzung schließt man sich auch bei den Vier Pfoten an. „Die Tiere werden während der Ausbildung und im Einsatz mit Situationen konfrontiert, die ihrem natürlichen Fluchtinstinkt widersprechen. Lärmende Menschenmengen bzw. körperliches Bedrängen, laute, knallende Geräusche, optische Überreizung, Feuer usw. – all das verursacht Stress für die sensiblen Tiere“, argumentiert Vier-Pfoten-Kampagnen­leiterin Martina Pluda.

Studie relativiert 

Doch empfinden Polizeipferde ihre Arbeit tatsächlich als belastend? Diese Frage war 2013 Gegenstand einer niederländischen Studie*. Sie begleitete neun Warmblutpferde der Reiterstaffel Eindhoven während ihres Dienstes. Die teilnehmenden Pferde – allesamt polizeierfahrene Tiere – wurden dreimal wöchentlich zwischen zwei und fünf Stunden zur Patrouillenarbeit eingesetzt. Während der Studie konfrontierte man sie mit unterschiedlichen Szenarien. Diese reichten vom einfachen Transport über Feuertraining und Patrouillenarbeit bis hin zu Aufstandsbekämpfung. Herzrate, Laktatkonzentration im Plasma und das Verhalten dienten den Wissenschaftlern als Anhaltspunkte für die Stressantwort des Pferdekörpers auf die jeweiligen Situationen. Wie sich zeigte, empfanden die Pferde das Feuertraining und die Aufstandsbekämpfung als am belastendsten. Letztere insbesondere, wenn einzelne Tiere vom Rest des Bestandes separiert und zusätzlich mit einem unangenehmen Reiz konfrontiert wurden. 

Ohne den Schutz der „Herde“ fielen die Fähigkeit des Reiters und seine Verbindung zum Pferd besonders stark ins Gewicht. Blieb der Reiter besonnen und kontrolliert, konnte er deutlich zur Deeskalation beitragen. Reagierte er unsicher und nervös, wirkte sich das negativ auf das Stressempfinden seines vierbeinigen Kollegen aus. Insgesamt blieben die stressrelevanten Werte jedoch klar unter den Erwartungen, wie Studienleiterin Carolien Munsters betonte. „Die Pferde in unserer Studie haben die an sie gestellten Anforderungen offenbar als wenig belastend erlebt. Verglichen mit früheren Studien an Sportpferden fallen Arbeitspensum und Stress hier deutlich geringer aus. Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Arbeit von Polizeipferden vermutlich keine negativen Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden hat, zumal die tägliche Routine in der Regel deutlich weniger fordernd ist, als es in unserem Versuch der Fall war.“ Nicht ausgeschlossen werden könne jedoch, dass ein unzureichendes Training des Pferdes sowie dessen Temperament eine entscheidende Rolle für das individuelle Angstempfinden spielen. 

Dass Pferde bei Einsätzen immer wieder in Panik geraten, sieht das Forscherteam vor allem in unzureichenden Fähigkeiten der Reiter begründet. „Hier in den Niederlanden verrichten Polizisten zuerst einige Jahre auf der Straße ihren Dienst, bevor sie einer Spezialeinheit wie der Reiterstaffel zugewiesen werden und Reitunterricht erhalten. In den seltensten Fällen sind diese Polizisten erfahrene Reiter, die ein klares Verständnis für das Pferd und sein Verhalten haben. Das kann vor allem in herausfordernden Situationen zum Problem werden, wie unsere Studie zeigt“, so Munsters.

Voraussetzungen

Der Schlüssel zu einer gut funktionierenden -Reiterstaffel liegt also in der gewissenhaften Ausbildung von Pferd und Reiter und der Auswahl geeigneten Pferdematerials. Hinzu kommt der monatliche Aufwand für die Haltung der Tiere. Das alles kostet Geld – und davon nicht zu knapp. Bestehende Reiterstaffeln wie etwa im benachbarten Deutschland oder in den USA haben regelmäßig mit massiven Budgetkürzungen zu kämpfen, die letztlich immer häufiger zur Auflösung der Einheiten führen. Nicht zuletzt sind es Beispiele wie diese, die dafür sorgen, dass Pläne zur Einführung berittener Abteilungen hierzulande regelmäßig schnell wieder in der Schublade verschwinden. „Da kostet die Suppe mehr als das Fleisch“, sagte etwa Reinhard Zimmermann, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft, im Gespräch mit dem Kurier. „Bei Demos, wo es kracht und knallt, kann ich mir das kaum vorstellen. Und in der Lobau oder im Prater können die Polizisten auch radeln.“ Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl stößt ins selbe Horn. Auch er äußerte sich zuletzt negativ zum Vorhaben der FPÖ.

Wiener Polizei gesprächsbereit

Sollte es trotz allem zur geplanten Evaluierung kommen, zeigt man sich bei der Wiener Polizei gesprächsbereit. Man wolle zuerst mit dem Innenministerium und mit Experten alle Pros und Kontras abwägen, hieß es aus der Pressestelle. An Interessenten für einen Job bei den Berittenen würde es vermutlich nicht mangeln: Schon jetzt führt der Polizeisportverein Wien eine eigene Reiter-sektion, die die Basis für eine Reiterstaffel in der Bundeshauptstadt bilden könnte.