One Health

Auch klinische Versorgung, Forschung und Kongresse müssen "grün" werden

Dr. Astrid Nagl

Fachkräfte des Gesundheitswesens (HCPs) in Human- und Veterinärmedizin sowie Forscher im Gesundheitssektor widmen ihr Berufsleben der Erhaltung und Optimierung der Gesundheit ihrer Patientenschaft – ­allerdings werden dabei beträchtliche Mengen an Ressourcen verbraucht und es kommt auch zu nicht unbeträchtlichen Netto-Treibhausgasemissionen. Die derzeitige klinische Praxis mit hohen Hygienestandards sowie hohe Laborstandards in Routine und Forschung haben negative Auswirkungen auf die Umwelt – und daher paradoxerweise indirekt einen enormen negativen Einfluss auf die Gesundheit von Mensch und Tier. 

Wie Gesundheitsfachkräfte und Forschergruppen diesen nachteiligen Auswirkungen gegensteuern können, zeigt ein Artikel der EAACI-Arbeitsgruppe „One Health“ unter Vorsitz von Isabella Pali vom Messerli Forschungsinstitut in Zusammenarbeit mit internationalen Expert*innen. Dieser Artikel beschäftigt sich nicht nur mit den Auswirkungen, sondern stellt auch effektive Gegenmaßnahmen vor.
Der Eintrag des Gesundheitssektors bei den Netto-Treibhausgasemissionen wird auf vier bis zehn Prozent geschätzt. Krankenhäuser und Forschungslabors verbrauchen große Mengen an Materialien, für deren Herstellung massive Rohstoff- und Energieressourcen benötigt werden. Sie sind darüber hinaus für die Verschmutzung der Umwelt mitverantwortlich, wenn Kunststoffe, Arzneimittel und Chemikalien nicht fachgerecht entsorgt werden. Für den Besuch internationaler wissenschaftlicher Tagungen legen Tausende Teilnehmende für oft wenige Tage lange Reisestrecken rund um den Globus zurück.
Das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen des Gesundheitswesens (einschließlich der Gesundheits­forschung) auf die Gesundheit von Planet, Menschen 
und Tieren soll daher geschärft werden. Die Autor*innen schlagen zugleich einfache und sehr wirkungsvolle Gegenmaßnahmen vor und ermutigen Angehörige der Gesundheitsberufe und Forscher*innen aller Hierarchieebenen, diese umgehend in ihrem Berufs- und Privatleben umzusetzen.

Dabei werden folgende Themen besonders genau betrachtet und wichtige Prioritäten und Ziele formuliert:

  • Nachhaltige Forschung / nachhaltige ­Laboratorien: Reduktion des Energiekonsums von Tiefkühl­geräten, Heizgeräten, Wasserbädern, Abzügen oder unbenutzten Gerätschaften sowie Reduktion von Einweg-­Verbrauchsmaterialien
     
  • Nachhaltige klinische Versorgung in Praxen und Spitälern: Geringerer Energieverbrauch und Ressourcen­schonung, Recycling, nachhaltige Bauweise, Vermeidung von Lebensmittelverschwendung; Rücksicht auf öffent­liche Erreichbarkeit durch Personal und Patientenschaft
     
  • Nachhaltigkeit bei Asthma-Inhalatoren: Minimierung der Auswirkungen von Asthma-Inhalatoren, Anästhesiegasen und medizinischen Behandlungen auf Treibhausgasemissionen durch Umstieg auf nachhaltigere Alter­nativen
     
  • Nachhaltigkeit durch Telemedizin: Umstellung auf telemedizinische Betreuung mit Vorteilen für Erkrankte bzw. deren Pflegeverantwortliche als auch für betreuende Mediziner und zugleich für die Umwelt
     
  • Nachhaltigkeit bei wissenschaftlichen Kongressen: Beachtung der Unterschiede von hybriden / Hub-&-Spokes-Meetings oder gänzlich virtuellen Treffen zu In-Person-Kongressen bezüglich Energieverbrauch und Reisetätigkeit.
     

Die Etablierung eines Nachhaltigkeitsmanagements 
in Gesundheitseinrichtungen und Forschungsorganisa­tionen zur Umsetzung umweltschonender Praktiken bei gleichzeitiger Bereitstellung einer hochqualitativen Gesundheitsversorgung sollte gängige Praxis werden. Neues­te Technologien, künstliche Intelligenz, Big-Data-Analysen existierender Daten, Analysen im High-through­put-Verfahren aus kleinen Probenvolumina und Proben aus existierenden Biobanken sowie mathematische Simulationen können bei der Umsetzung von nachhaltiger Gesundheitsversorgung und Forschung von großer Bedeutung sein. Das aktuellste Wissen über Nachhaltigkeit im jeweiligen Bereich muss ganz selbstverständlich in Erziehung und Ausbildung – und damit in die Curricula aller Studienpläne – eingebunden werden.

Selbstverständlich ist auch, dass solche Anstrengungen nur mit politischer Unterstützung großflächig gelingen können und an die spezifischen nationalen bzw. geogra­fischen Gegebenheiten angepasst werden müssen. Industrialisierte Länder müssen dabei auch Schwellenländer und Entwicklungsländer unterstützen, sei es technisch, finanziell oder infrastrukturell.
Dennoch: Jede und jeder einzelne medizinische Tätige kann auch mit sofortiger Wirkung im privaten und beruflichen Arbeitsfeld Maßnahmen setzen – denn auch viele kleine Schritte haben in Summe eine große Wirkung!

Der Artikel „Go green in health care and research. Practical suggestions for sustainability in clinical practice, laboratories, and scientific meetings“ von Isabella Pali- Schöll1,2, Kerstin Hermuth-Kleinschmidt3, Stephanie Dramburg4, Ioana Agache5, Hanna Mayerhofer1,2, Erika Jensen-Jarolim1,2, Anna Goshua6 und Kari C. Nadeau7 wurde im Journal „Allergy“ veröffentlicht.

1 The Interuniversity Messerli Research Institute of the University of Veterinary Medicine Vienna, Medical University Vienna and University Vienna; Vienna, Austria
2 Center of Physiology, Pathophysiology and Immunology, Institute of Pathophysiology and Allergy Research, Medical University Vienna, Vienna, Austria
3 NIUB Sustainability Consulting, Freiburg im Breisgau, Germany
4 Department of Pediatric Respiratory Care, Immunology and Intensive Care Medicine, Charité Universitätsmedizin – Berlin; Berlin, Germany
5 Faculty of Medicine, Transylvania University, Brasov, Romania
6 Stanford University School of Medicine, Stanford, California, USA
7 Department of Environmental Health, Harvard T.H. Chan School of Public Health, Harvard University, Boston, Massachusetts, USA 

Quelle: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/all.15836