Balkonien

ist am sichersten

Tierärztin Tanja Warter

Wer die Ferien im Süden verbringen möchte, sollte seinen Vierbeiner dringend vor gefährlichen Parasiten schützen – oder Bello gleich daheim lassen.

Ballspiele am Strand, im Meer schwimmen, ausgiebige Spaziergänge – für Hundebesitzer ist die Vorstellung vom Urlaub mit dem vierbeinigen Liebling traumhaft. Damit aus dem Traum aber kein Albtraum wird, müssen Vorkehrungen getroffen werden, denn es lauern teils lebens­bedrohliche Reisekrankheiten. Die wichtigsten sind Dirofilariose, Ehrlichiose, Leishmaniose und Hepatozoonose. Die lange auch als typische Reisekrankheit geltende ­Babesiose des Hundes ist mittlerweile in Ost­österreich so häufig, dass sie seit geraumer Zeit nicht mehr zu den Importparasitosen gezählt wird. 

Eines haben diese Infektionskrankheiten gemeinsam: Sie alle werden durch Vektoren wie Insekten oder Zecken übertragen. Reiseschutz ist kein Kinderspiel, denn jene Parasiten, die als Vektoren fungieren, kommen teilweise in lokal eng umgrenzten Gebieten vor. Weil man aber nie sicher sein kann, welche Mücke sich noch bis in welche Region bewegt, ist umfangreiche Prophylaxe gefragt. 

Allein für die Reise in unser Nachbarland Italien empfiehlt ESCCAP, die Vereinigung europäischer Parasitologen, der auch Anja Joachim, Leiterin des Instituts für Parasitologie an der Vetmeduni Wien angehört, folgende Liste: 


1. Floh- und Zeckenschutz (Anwendung einige Tage vor der Abreise, Schutz während der Reise in den an­ge­ge­benen Wirkungsintervallen regelmäßig auffrischen.)

2. Mückenschutz (Anwendung von Schutzhalsbändern eine Woche vor Abreise, von Spot-on-Tinkturen mind. 24 Stunden vor Abreise; Schutz während der Rei­se in den angegeben Wirkungsintervallen regelmäßig auf­frischen).

3. Impfung gegen Leishmaniose (Bei Erstimpfung erst einen Leishmaniose-Test durchführen. Bei negativem Ergebnis folgen drei Grundimmunisierungen über rund zehn Wochen. Bei Wiederholungsimpfungen Auffrischung der Impfung im Abstand von zwölf Monaten.)

4. Wurmkur gegen Herzwürmer (Anwendung innerhalb der ersten vier Wochen nach Einreise. Wiederholung der Wurmkur in 30-tägigen Abständen bis 30 Tage nach der Rückkehr.) 

5. Wurmkur gegen Spul- und Hakenwürmer und ggf. Bandwürmer (Anwendung je nach Haltung und Ernährung Ihres Hundes individuell angepasst.)

Allein diese Liste zeigt beispielhaft, dass es für Tierbesitzer ohne tierärztliche Unterstützung kaum möglich ist, die Reiseplanung selbst in die Hand zu nehmen. Joachim: „Die Italienreise kann man machen, wenn man den Hund einem möglichst geringen Risiko aussetzt. Nur Daheimbleiben ist völlig risikolos. Ein gegen Zecken und Stechmücken und auch Sandmücken wirksames Repellent als Halsband oder Spot-on, möglichst kurz vor, aber nicht erst direkt zu Beginn der Reise angewendet, also circa zwei bis vier Tage zuvor, ist notwendig. Vor allem bei Spot-on-Präparaten, und wenn der Hund baden geht, ist auf die rechtzeitige Applikation zu achten.“ 

Zu Halsbändern empfiehlt die Parasitologin: „Nur neue Formulierungen verwenden, die wirklich wasserfest sind, mit voller Wirkdauer über den gesamten Urlaub. Das heißt bei vierwöchiger Wirkdauer und fünfwöchigem Urlaub: Nachschub mitnehmen!“

Gegen Leishmanien, die vor allem in Süditalien vorkommen, sollte man impfen. „Aber die Impfung muss rechtzeitig begonnen und jährlich wiederholt werden, ist also in erster Linie etwas für Langzeit- und Wiederholungsfahrer mit Hund.“ Der Hund habe außerdem nichts in der der Nähe von Müllplätzen zu suchen. 

Während der Flugsaison der Stechmücken ist eine Herzwurmprophylaxe, beginnend innerhalb von vier Wochen nach Antritt des Urlaubs, notwendig. Bei einem Urlaub unter vier Wochen fällt die Prophylaxe also in die Zeit nach der Rückkehr, darf dann aber nicht vergessen werden. Joachim: „Das gilt vor allem für die Emilia-Romagna und die Toskana, aber auch für andere Gegenden.“ 

Aus parasitologischer Perspektive handelt es sich um teils hochspannende und sehr komplexe ­Zusammenhänge. Beispiel Dirofilariose: Zunächst wären da die Stech­mücken. Sie sind vier bis zehn Millimeter lang, zu ihnen gehören Gattungen wie Anopheles oder Culex. Die meisten Stechmücken sind dämmerungs- oder nachtaktiv und gedeihen optimal in Feuchtgebieten, an Seen oder Tümpeln oder in der Umgebung von Regentonnen. Vor allem sind sie lästig, doch ihre Vektorfunktion ist auch gefährlich. Gleich mehrere Culicidae-Arten übertragen den Herzwurm Dirofilaria immitis. Sein bevorzugter ­Lebensraum im adulten Stadium: die Arteria pulmonalis und das Herz von Kaniden. 

Zum Zyklus: Die Mücke sticht einen Vierbeiner und nimmt, wenn dieser infiziert ist (Prävalenzen beim Hund im Mittelmeerraum bis zu 80 Prozent), mit dem Blut ­Mikrofilarien auf. In der Mücke als Zwischenwirt bilden sich die Larvenstadien aus – je wärmer es ist, desto schneller läuft dieser Prozess. Beim Stich eines gesunden Hundes wird das Larvenstadium drei ins Blut übertragen, eine Körperwanderung folgt. Schließlich erreichen die adulten Würmer das rechte Herz und die A. pulmonalis etwa 70 bis 110 Tage nach der Infektion. Nach 180 Tagen setzen die Herzwürmer erneut Mikrofilarien frei. Die Lebensdauer der Herzwürmer beträgt bis zu sieben Jahre. Der Hund kann Symptome wie Tachypnoe und Dyspnoe entwickeln, leidet unter Husten, Gewichts­verlust, immunmediierter Pneumonie bis hin zu Rechts- oder Linksherzversagen.

Biologische Vektorbekämpfung, wie sie von ­Tierbesitzern vermehrt nachgefragt wird, kann Anja Joachim nicht empfehlen. „Weder Wirksamkeit noch Unbedenklichkeit dieser Mittel sind bei Tieren ausreichend wissenschaftlich belegt. Knoblauch ist wie alle Zwiebelgewächse in höheren Dosen giftig für Hunde, davon raten wir völlig ab. Ätherische Öle und andere Pflanzeninhaltsstoffe werden oft in Insektenschutzmitteln für Menschen verwendet, aber ihre Wirkung ist oft viel zu kurz für lücken­losen Schutz, und über die allergene oder toxische Wirkung von großflächig auf die Haut aufgetragenen Mitteln ist nichts bekannt. Das viel gerühmte Kokosfett ist außer als Lebensmittel nicht in seiner Wirkung geprüft. In Verbindung mit Sonne oder Sand stelle ich mir das Ganze auch nicht gerade angenehm für Hund und Halter vor.“

Dringend seien Tierhalter auch vor der Methode „Viel hilft viel“ zu warnen. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen Medikamente kombiniert oder in kürzeren Abständen oder höheren Dosierungen verabreicht werden. Das kann natürlich zu Nebenwirkungen führen.“ 

Bei Tieren mit metabolischen oder endokrinen Erkrankungen müsse man unter Umständen mit Einschränkungen bei der Verfügbarkeit der Medikamente rechnen, ansonsten sei die Auswahl sehr gut. Joachim: „Man sollte ja auch hierzulande Hunde vor Zecken und im Sommer auch vor Mücken schützen. Man kann also vorab bereits sehen, was gut zu Hund und Halter passt.“