Ein Hämangiosarkom,

ausgehend vom linksventrikulären Kammermyokard bei einer 15-jährigen Chihuahua-Hündin

Mag. Claudia Lecher
Tierarztpraxis Dr. Iris Fröhlich, Fachgebiet Kardiologie und Ultraschalldiagnostik

Das kanine Hämangiosarkom ist der am häufigsten auftretende Herztumor, meist mit Ursprung im Bereich des rechten Atriums oder rechten Herzohres. Der Fallbericht beschreibt eine 15 Jahre alte Chihuahua-Hündin, die aufgrund plötzlicher Lethargie sowie eines erst kürzlich aufgetretenen Herzgeräuschs zum kardiologischen Konsult überwiesen wurde und bei der in weiterer Folge ein Hämangiosarkom, ausgehend vom linksventrikulären Kammermyokard, diagnostiziert wurde.

ANAMNESE und KLINISCHE UNTERSUCHUNG

Eine 15 Jahre alte kastrierte Chihuahua-Hündin wurde zur echokardiographischen Untersuchung überwiesen. Die Hündin zeigte seit wenigen Tagen ein stark vermindertes Allgemeinbefinden, verstärkte Hechelatmung sowie einen verminderten Appetit mit reduzierter Wasseraufnahme.

Klinische Untersuchung: Die Auskultation ergab ein systolisches Herzgeräusch Grad 4–5 links thorakal, das laut Besitzer bisher noch nicht aufgefallen war. Die Lunge war ggr. verschärft vesikulär, die Atemfrequenz am Untersuchungstisch betrug 35 Atemzüge pro Minute. Die Schleimhäute waren blassrosa sowie der Puls mittelkräftig, jedoch regelmäßig mit einer Frequenz von 120 Schlägen pro Minute.

ECHOKARDIOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNG

Der Herzultraschall zeigte eine ggr. Mitralklappenendokardiose mit ggr. linksatrialer Regurgitation, jedoch ohne Volumenüberlastung des linken Ventrikels oder Atriums. Das Kammermyokard erschien im Bereich des proximalen interventrikulären Septums mgr. hypertrophiert, mit Verdacht auf eine Masse, die bereits in das Lumen des linken Ventrikels vorragte. Die Umfangsvermehrung stenosierte den linksventrikulären Ausflusstrakt unmittelbar subaortal. Ein kleiner Teil der Masse protrudierte die Aortenklappe während der Systole. Die Umfangsvermehrung war ver­glichen mit dem restlichen linksventrikulären Kammer­myokard ggr. echoreicher, zeigte ein inhomogenes Parenchym und schien breitbasig mit dem interventrikulären Septum in Verbindung zu stehen. Aufgrund der Größe sowie der Lage verursachte diese eine ggr. Aortenstenose mit einer Maximalgeschwindigkeit von 2,5 m/s. Zum Zeitpunkt der Untersuchung hatte der Patient keinen Hinweis auf einen Perikarderguss und die EKG-Untersuchung verlief ohne Auffälligkeiten.

Aufgrund der echokardiographischen Untersuchung bestand der Verdacht auf eine Neoplasie, ausgehend vom linksven­trikulären Kammermyokard. Differenzialdiagnostisch konnte ein Thrombus nicht ausgeschlossen werden, ein solcher erschien jedoch aufgrund des sonographischen Erscheinungsbilds als eher unwahrscheinlich.

Der Patient wurde nach dem Herzultraschall mit folgender Medikation nach Hause entlassen: Clopidogrel 4,5 mg/kg einmal täglich (Thrombozyten­aggregationshemmer) sowie Benazepril 0,25 mg/kg einmal täglich (ACE-Hemmer). Die bisherige Dauermedi­kation (Pimobendan, Inodilator; 0,25 mg/kg zweimal täglich) ­wurde aufgrund der Kontraindikation bei kardialen Stenosen abgesetzt.

Neun Tage nach Erstdiagnose war der Patient aufgrund akuter Atemnot erneut vorstellig. Die Besitzer entschieden sich wegen des Verdachts auf ein kardial bedingtes Lungenödem nach einem Thoraxröntgen für einen letzten Thera­pieversuch mit Furosemid (Schleifendiuretikum), 3 mg/kg zweimal täglich. Da sich die klinischen Symptome im Laufe des nächsten Tages rapide verschlechterten, wurde der Patient zehn Tage nach Erstdiagnose euthanasiert. Am Tag der Euthanasie traten weitere Synkopen, eine Paraparese der Hinterextremität sowie ein generalisierter Krampfanfall auf. Das Herz wurde zur weiteren pathohistologischen Untersuchung in ein Fremdlabor geschickt.

Die Untersuchung ergab ein Hämangiosarkom, welches den linken Ventrikel großflächig infiltriert hatte. Histologisch zeigten die Tumorzellen ein kompaktes Wachstum mit Tendenz zur gefäßartigen Proliferation. Die Zellen waren schlecht abgrenzbar, die Kerne rundoval bis unförmig mit einer deutlichen Anisokaryose und einer erhöhten Mitoserate (zwei Mitosen/hpf). Eine Unterscheidung zwischen einem Primärtumor oder einer Metastase war histologisch nicht mehr möglich.

DISKUSSION

Hämangiosarkome sind hochgradig aggressive maligne Tumore, ausgehend vom Endothel der Gefäßzellen1. Am häufigsten sind Milz, Leber, das rechte Atrium oder die ­Subcutis betroffen1. Die Inzidenz der Herztumore bei Hunden beträgt 0,19 %1, 3, das Hämangiosarkom ist der häufigste Herztumor und betrifft circa 70 % aller Fälle, gefolgt vom Aortenbasis­tumor1, 3. Prädisponierte Hunderassen sind unter anderem der Deutsche Schäferhund bzw. Golden Retriever1.

Meist wird der Tumor im Bereich des rechten Vorhofs bzw. des rechten Herzohres diagnostiziert1, 3, es gibt jedoch seltene Fallberichte ausgehend vom linken oder rechten Ventrikelmyokard3, 4. Die klinischen Symptome sind abhängig von der Lokalisation bzw. Invasivität des Tumors. Intra­murale Tumoren sind häufig asymptomatisch oder verursachen Arrhythmien bzw. beeinträchtigen die Ventrikelfunktion. Intrakavitäre Tumoren führen häufig zu Obstruktionen bestimmter Gefäße3. In diesem Fall verursachte die Masse eine Subaortenstenose mit verminderter Herzauswurf­leistung und reduzierter systolischer Funktion, wahrscheinlich aufgrund des intramuralen Wachstums.

Mögliche weitere Differenzialdiagnosen sind unter anderem eine Thrombusformation, eine Myokarditis bzw. eine fokale hypertrophe Kardiomyopathie. Aufgrund des inhomogenen, echoreichen Parenchyms sowie des intramural- und intra­kavitären Wachstums erschien ein Herztumor als die wahrscheinlichste Diagnose. Die klinischen Symptome am Tag der Diagnose (reduziertes Allgemeinbefinden) können auf ein reduziertes Herzauswurfvolumen zurückgeführt werden. Die Tachypnoe war möglicherweise eine Folge kongestiver Herzinsuffizienz aufgrund einer diastolischen Dysfunktion, sekundär aufgetreten durch den intramuralen Wachstumsverlauf des Tumors. Die neurologischen Symptome (Paraparese, Krampfanfälle) sind womöglich eine Folge von zerebrovaskulärer Metastasierung bzw. Koagulopathie.

Aufgrund der Aggressivität des Tumors ist die Prognose als infaust einzuschätzen. Fallberichten zufolge liegt die ­mediane Überlebenszeit nach Diagnosestellung bei sieben (einem bis 26) Tagen ohne Therapie; nach Tumorresektion mit oder ohne Chemotherapie bei circa vier bis fünf Monaten2. Die Diagnose erfolgt meist echokardiographisch bzw. in ausgewählten Fällen mithilfe von endomyokardialen Biopsien5.

Fotos und histopathologische Untersuchung mit freundlicher Unterstützung von Dr. Gregor Springler.

Literatur:
1 Yamamoto S. et al. Epidemiological, Clinical and Pathological Features of Primary Cardiac Hemangiosarcoma in Dogs: A Review of 51 Cases.
J Vet Internal Med 2013; 75: 1433–1441
2 Arai S. et al. Metastatic Cardiac Hemangiosarcoma in a 6 Year Old Wheaten Terrier Mix. Vet. Sci. 2019; 6 (3): 65
3 Fernandez-del Palacio M. J. et al. Left Ventricular Outflow Tract Obstruction Secondary to Hemangiosarcoma in a Dog. J Vet Intern Med 2006; 20: 287–690
4 Osuga T. et al. Diastolic heart failure associated with hemangiosarcoma infiltrating left ventricular walls in a dog. Can Vet J 2017; 58: 1167–1170
5 Keene B. W. et al. Primary left ventricular hemangiosarcoma diagnosed by endomyocardial biopsy in a dog. J Am Vet Med Assoc. 1990;
197 (11): 1501–3


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