Food Fraud:

Käufliche Kavaliersdelikte

Mag. Eva Kaiserseder

Betrug oder doch nur Trickserei? Der Konsument ist im Lebensmittelbereich mittlerweile mit beidem konfrontiert.

Food Fraud – noch nie gehört? Gut, dann anders gefragt: Der Pferdefleischskandal von anno 2013, in dem es um falsch deklarierte Produkte ging (Pferd wurde da flugs zu – höherwertigem – Rindfleisch umgemünzt) – da klingelts? Genau. Dann, ja dann hatten Sie zumindest schon einmal indirekt mit Food Fraud zu tun, denn nichts anderes als Lebensmittelbetrug verbirgt sich hinter diesem relativ jungen Begriff – für den es allerdings (noch) keine konkrete Definition in der EU-Gesetzgebung gibt. Wolfgang Leger-Hillebrand, der beim Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungsunternehmen Quality Austria für die Lebensmittelbranche verantwortlich zeichnet, skizziert, was trotzdem in diesen Themenbereich gehört: „Darunter fallen nicht nur unzulässige Beimengungen zu Lebensmitteln, wie z. B. der schwerwiegende Fall der Beimengung von Melamin zu Milchpulver in China mit fatalen Folgen, sondern auch Wandlungen und Falschdeklarationen, der Austausch wertbestimmender oder hochwertiger Inhaltsstoffe durch billigere (Fremd-)Stoffe, das Strecken oder Verdünnen von Flüssigkeiten, das arglistige Verschweigen bekannter Gefahren in Lebensmitteln oder die Maskierung minderer Qualitäten. Food Fraud ist zwar nicht neu, steht aber derzeit mehr im Fokus denn je. Die Motivation für Food Fraud ist mit einer bewussten Verfälschung aus wirtschaftlichen Interessen der handelnden Akteure verbunden. Das heißt, in diesen Fällen steht die Gier nach Profit im Vordergrund. Voraussetzung dafür ist aber eine bereits prinzipiell vorhandene kriminelle Energie.“ „Horsegate“ ist einer der bekannteren internationalen Fälle der vergangenen Jahre und war mit ein Auslöser dafür, dass die EU den dringenden Handlungsbedarf erkannt hat.  (Österreichweit hat die AGES aktuell übrigens unter anderem Wildfleisch am Radar, denn: „Der Anteil von Wildfleisch am gesamten Fleischkonsum steigt von Jahr zu Jahr an. Wildfleischprodukte gelten als Delikatesse; dadurch können diese Produkte einen deutlich höheren Preis erzielen. Besonders wenn eng verwandte Arten oder auch Unterarten zu deutlich unterschiedlichen Preisen gehandelt werden, ist die Gefahr der Verfälschung groß“, so die Agentur für Ernährungssicherheit.) In Konsequenz wurde seitens der EU-Kommission 2013 das „Food Fraud Network“ gegründet, in dem Vertreter von EU-Kommission und Europol den Problemen die Stirn bieten wollen – immerhin 108 Vorfälle wurden 2015 gemeldet, wie der „Food Fraud Activity“-Report informiert. 

Einzuschätzen, in welchen Bereichen die meisten schwarzen Schafe zu finden sind, fällt Leger-Hillebrand schwer, denn „gerade weil in den meisten Fällen die für die Verfälschungen eingesetzten Mittel nicht bekannt sind und auch nicht absehbar ist, in welchem Ausmaß es zu Verfälschungen kommt, kann es in Hinblick auf Food Fraud keine verlässliche Auswertung geben. Die Bedrohung durch Food Fraud ist folglich nur schwer abschätzbar, vor allem auch deshalb, weil Verfälschungen mit Bedacht in der Regel so ausgeführt werden, dass der Betrug nicht oder nur bedingt erkennbar ist.“ Eine flächendeckende systematische Auswertung für bestimmte Lebensmittelbranchen gibt es bisher noch nicht. Man kann sich an den berichteten Fällen orientieren, die aber keine Auskunft über das Volumen der verfälschten Lebensmittel geben; zum Beispiel wurde aber laut Leger-Hillebrand in der Food-Fraud-Datenbank der U.S. Pharmacopeial Convention unter anderem über Olivenöl, Fisch, Honig und Wein berichtet. Laut Food Fraud Network am häufigsten auf der Liste der Beanstandungen zu finden sind unter anderem gefälschte Zertifizierungen, Ersatz- oder gar verbotene Inhaltsstoffe sowie fehlerhafte Etikettierungen, etwa wenn es um Mindesthaltbarkeitsdaten geht. 

Apropos Fisch: Die Meeresschutzorganisation Oceana fand kürzlich heraus, das beim Meeresgetier ordentlich getrickst wird: Eine von fünf Proben ist, global gesehen, nicht das, was sie vorgibt zu sein. Oceana nahm dabei 200 Studien bzw. Konsumentenbeobachtungen aus 55 Ländern unter die Lupe, insgesamt wurden 25.000 Proben untersucht. Fazit: Alleine in den USA waren 30 Prozent aller untersuchten Proben Mogelpackungen, 58 Prozent dieser Schummelproben waren sogar gesundheitsgefährdend. 

Für heimische Produkte gilt laut Lebensmittelsicherheitsbericht, der seitens der AGES und des BMG herausgegeben wird, beruhigenderweise in den allermeisten Fällen die Unschuldsvermutung: Nur 93 von insgesamt 29.074 Proben wurden 2015 als gesundheitsschädlich eingestuft und 40 der 93 gesundheitsschädlichen Proben wurden wegen mikrobieller Kontaminationen und Hygienemängeln beanstandet. 18 Beanstandungen wegen Kontaminanten waren großteils auf Mykotoxine zurückzuführen und gesundheitsschädliche Fremdkörper und Verunreinigungen befanden sich in 16 Proben. Nur acht Proben gab es, die negativ wegen ihrer Zusammensetzung und den Inhaltsstoffen auffielen. Eine Probe war wegen ihres Pestizidgehaltes gesundheitsschädlich. Leger-Hillebrand ist der Meinung, dass „Lebensmittel heute so sicher wie nie zuvor sind. Zertifikate wie IFS, BRC oder FSSC 2000 bieten dem Handel und dadurch dem Konsumenten die Sicherheit, dass sich Unternehmen, die ein solches Zertifikat besitzen, mit Food Fraud auseinandergesetzt haben bzw. künftig auseinandersetzen werden müssen.“

 
Die Watchdogs

Abseits der knallharten Betrugsthematik gibt es aber auch sonst genügend Produkte, die uns arglosen Konsumenten beim täglichen Einkauf ein X für ein U vormachen wollen. Harmlos? Ja, wahrscheinlich, weitestgehend. Gesetzlich okay? Sicherlich. Not amusing? Auf jeden Fall. Hierzulande kümmert sich etwa der Verein für Konsumenteninformation (VKI) um derlei Tricksereien und nimmt die Schummler unter die Lupe. Da werden dann schon einmal die Bio-Cherrytomaten, am Schild als „Qualität aus Österreich“ ausgelobt, eigentlich aber aus Italien kommend, kritisiert und die hochpreisigen „Cranberry & Himbeer-Schokokugeln“, die hauptsächlich aus Apfelpüree und nur überschaubar gering aus Cranberry und Himbeere bestehen, durchwachsen beurteilt. Im Jahresrückblick 2016 vermeldet der VKI dann auch die üblichen Verdächtigen: „Der Klassiker war auch im vergangenen Jahr der Ärger über die Zusammensetzung von Lebensmitteln. Nichts regt Kunden mit Recht so auf wie ein Versprechen auf einer Verpackung, das vom Produkt selbst nicht gehalten wird. Dazu zählt zum Beispiel die besondere Auslobung von Zutaten, die zwar fett beworben werden, sich im Nahrungsmittel aber nicht in der erwarteten Menge wiederfinden“, so der Verein. Auf der Negativ­hitliste ebenfalls weit vorn: eine übergroße Verpackung nach dem Motto „Viel Lärm um nichts“ und versteckte Preiserhöhungen. Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin von Spar, dazu: „Wir finden, man darf Kunden selber entscheiden lassen, ob sie ein Produkt in einer großen Packung kaufen wollen oder nicht, Hauptsache, 300 Gramm sind auch drin, wenn 300 Gramm draufstehen. Wenn es den Kunden nicht gefällt, werden sie es einfach nicht mehr kaufen, und das ist ohnehin die größte Strafe für einen Händler oder Hersteller. Etwas anderes ist es, wenn Kennzeichnungen nicht stimmen oder Bilder etwas vorgaukeln, was nicht ist. Oder wenn eben nicht die angegebene Menge in der Verpackung ist. Hier muss man natürlich schnellstmöglich für Verbesserung sorgen.“

Über den nationalen Tellerrand geblickt, gibt es einen noch bekannteren und umtriebigen Wadlbeißer als den VKI in Sachen Verbraucherschutz: Foodwatch, eine Non-Profit-Organisation, die in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich aktiv ist und deren „Gesicht“ der streitbare Journalist und Umweltschützer Thilo Bode ist. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt greift er das bestehende System scharf an, denn Lebensmittelkonzerne würden deswegen täuschen, „weil sie es dürfen. Alle diese Tricks sind legal – dadurch haben Hersteller, die ehrlich werben, einen Wettbewerbsnachteil.“ Besonders beim Thema Fleisch wird vielfach die heile Welt vorgegaukelt, wir alle kennen die Bilder, die uns Almromantik statt Stallgeruch präsentieren. Wie nicht anders zu erwarten, sieht Foodwatch das eben in Deutschland offiziell präsentierte freiwillige Tierwohl-Label auch „als nichts anderes denn einen PR-Gag von Agrarminister Schmidt; es würde nur einigen wenigen Nutztieren ein besseres Leben ermöglichen. Die große Masse müsste auch in Zukunft vermeidbare Qualen erleiden. Anstatt weitere Zeit mit Kosmetik zu vergeuden, sollte die Bundesregierung das Tierschutzgesetz endlich durchsetzen, den Missbrauch von Ausnahmen beenden und bestehende Lücken schließen. Eine Tierhaltungswende, die das Leben aller Nutztiere verbessern würde, ließe sich auf der Stelle vollziehen. Es mangelt allein am politischen Willen.“ Der Unmut über den getäuschten Konsumenten wird den Watchdogs wohl nicht so schnell ausgehen.