Das appendikuläre Osteosarkom

bei Hund und Katze

Dr. Hannes Gressl
FTA für Kleintiere
ÖTK-Diplom für Kleintieronkologie
Mitglied AKVO ArbeitsKreisVeterinärOphtalmologie
Certified Eye Scheme Examiner (ESE – ECVO)

Tumoren des Knochens lassen sich in primäre und sekundäre sowie in maligne und benigne
Tumoren einteilen. Meist sind diese Tumoren maligne und mesenchymalen Ursprungs. 85–90 % der Knochentumoren des Hundes sind Osteosarkome; Chondrosarkome, Fibrosarkome und Hämangiosarkome machen jeweils etwa 5 % aus.

Das Osteosarkom ist der häufigste primäre Knochen­tumor des Hundes. Osteosarkome machen 5–6 % aller bösartigen Tumore des Hundes aus. Sie treten zu 75 % im Bereich des Gliedmaßenskeletts (appendikulär) und nur in 25 % der Fälle in den platten und kurzen Knochen (axiales Skelett) auf (Schädel, Wirbel, Skapula, Rippen etc.). Bei großen Hunderassen sind sie sogar bis zu 95 % im Bereich des Gliedmaßenskeletts lokalisiert. Überwiegend sind große und sehr große Hunderassen mit einem Gewicht von mehr als 40 kg betroffen. Das mittlere Alter der Patienten liegt bei sieben Jahren, wobei ein Peak in einem Alter von 18 bis 24 Monaten und ein zweiter Peak mit 10 bis 12 Jahren zu beobachten ist. 

Prädisponierte Rassen sind vor allem die Dogge, der Bernhardiner, der Labrador Retriever, der Dobermann, der Rottweiler und vor allem in den USA die Greyhounds, bei welchen eine Studie zeigte, dass 45 % aller Krebserkrankungen beim Greyhound Osteosarkome sind. Die typische Lokalisation der Osteosarkome großwüchsiger Hunderassen ist die Metaphyse der langen Röhrenknochen. Vordergliedmaßen: proximaler Humerus und distaler Radius, Hintergliedmaßen: distaler Femur und proximale Tibia. Die Vordergliedmaßen sind doppelt so häufig betroffen wie die Hintergliedmaßen. Die Ätiologie des Tumors ist weitestgehend unbekannt. 

Physikalisch, genetisch, viral? 

Da der Tumor vermehrt in den Wachstumszonen auftritt, vermutete man lange, dass bei schweren Hunden Mikro­traumen und Verletzungen der Wachstumszonen als auslösende Faktoren infrage kommen könnten. Interessant ist, dass vor allem ehemalige Rennhunde (Greyhounds) eine Prädisposition für Osteosarkome aufweisen, was mit der hohen Belastung des Bewegungsapparates dieser Tiere in Verbindung stehen könnte. Trauma- oder frakturinduzierte Osteosarkome sind Knochentumore, die in Folge von Frakturen mit oder ohne Osteosynthese, Metall­implantaten, Fremdkörpern oder Geschoßen entstehen. 

In den meisten dieser Fälle liegen Infektionen oder andere die Knochenheilung beeinträchtigende Faktoren vor. Von Bedeutung ist, dass die Fremdkörper meist besonders lange am Knochen verbleiben. Der Femur ist bei dieser Sonderform des Osteosarkoms besonders häufig betroffen. Im Gegensatz zum typischen metaphysär lokalisierten Osteosarkom entwickeln sich traumaassoziierte Osteo­sarkome meist in der Diaphyse des Knochens. 

Osteosarkome entstehen im Markraum des Knochens und verhalten sich lokal destruktiv. Sie breiten sich unter Invasion und Zerstörung des spongiösen Knochens aus und führen in weiterer Folge zu einer Zerstörung des kortikalen Knochens, was im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf zu einem statischen Funktionsverlust und einer pathologischen Fraktur führen kann. Als Reaktion und Versuch der Stabilisierung des betroffenen Knochens kommt es im Markraum zu sklerotischen Knochenverdichtungen und zu mehr oder weniger stark ausgeprägten periostalen Knochenzubildungen. Es entsteht das für den Tumor typische röntgenologische Erscheinungsbild. Obwohl sie metaphysär gelenksnahe vorkommen, überspringen sie nahezu nie das nächstliegende Gelenk. 

Eine Ausnahme sind Tumore des proximalen Femurs, welche sich auf das Becken ausbreiten können. Osteosarkome neigen zu einer sehr frühen hämatogenen Metastasierung. Am häufigsten finden wir die Metastasen in der Lunge, es kann aber auch zu einer Metastasierung in eine Vielzahl anderer Organe kommen. Zum Zeitpunkt der Diagnose­stellung muss immer von bereits vorhandenen Mikro­metastasen ausgegangen werden.

Die typische Anamnese bei einem Osteosarkom des Hundes ist eine therapieresistente Lahmheit bei einem großwüchsigen, älteren Hund. Eines der wichtigsten diagnostischen Verfahren ist eine genaue orthopädische Untersuchung mit einer exakten Palpation der eventuell vorhandenen Schwellung. Typisch ist ein deutlicher Knochenschmerz bedingt durch Mikrofrakturen, Dehnung des Periosts und reaktive Muskelspasmen. 

Weiters erforderlich sind qualitativ gute Röntgenaufnahmen der betroffenen Region in zwei Ebenen, sowie drei Aufnahmen des Thorax zur Metastasensuche – Links Lateral LL, Rechts Lateral RL und Ventro Dorsal VD. Röntgenologisch stellt sich im Bereich der Läsion ein gemischtes Muster aus Osteolyse und Knochenproliferation dar. Stets vorhanden ist die Auflösung der Kortikalis, wodurch es wie bereits erwähnt zum Auftreten von pathologischen Frakturen kommen kann. 

Als besonders gut geeignet für die Darstellung von Knochentumoren hat sich die Computertomographie erwiesen. Eine genaue Darstellung der Knochenveränderungen ist gewährleistet, weiters erweist sich die Computertomographie gegenüber dem Röntgen als deutlich sensitiveres Verfahren für die Suche nach Lungenmetastasen und anderen Fernmetastasen. Im Rahmen eines Ganzkörperscans ist es möglich, auch die nicht betroffenen Gliedmaßen und andere Bereiche des Bewegungsapparates zu evaluieren, was für die weitere therapeutische Vorgangsweise sehr wichtig ist. Eine Abschätzung des Zustandes kontrolateraler Gelenke, der Wirbelsäule und des gesamten Bewegungsapparates ist eine wichtige Entscheidungshilfe für eine mögliche Amputation. Labormedizinisch ist vor allem die Untersuchung der alkalischen Phosphatase von Bedeutung, eine Erhöhung ist ein prognostisch ungünstiger Faktor. Aufgrund der klinischen Untersuchungen und der Veränderungen, welche mittels der bildgebenden Diagnostik festgestellt werden können, ist die Diagnose Osteosarkom meist mit ausreichender Sicherheit zu stellen. 

Gewebeprobe gibt Aufschluss

Für eine endgültige Diagnose ist vor allem bei unklaren Befunden in der bildgebenden Diagnostik eine Gewebe­probe erforderlich. Es ist sowohl eine Feinnadelbiopsie als auch eine inzisionelle Knochenbiopsie möglich. Leider kommt es sowohl bei der Feinnadelbiopsie als auch bei der inzisionellen Biopsie aufgrund der begleitenden Entzündungserscheinungen in manchen Fällen zu falsch negativen Ergebnissen. Bei einer inzisionellen Bio­psie ist eine erhöhte Frakturgefahr zu berücksichtigen. Differentialdiagnostisch müssen andere primäre Knochentumore – Chondro-, Fibro- und Hämangiosarkome, Knochenmetastasen primär extraskelettaler Tumore, bakterielle und mykotische Osteomyelitis oder eine Leishmanioseinfektion des Knochens ausgeschlossen werden. 

Bei appendikulären Osteosarkomen ist die Amputation der Gliedmaße die Therapie der Wahl. Nur durch eine Amputation kann die vollständige Entfernung des Tumors sichergestellt werden. Bei Tumoren an der Vorderextremität erfolgt die Amputation einschließlich der Scapula. Bei Amputationen an der Hinterextremität kann bei Tumoren in der Tibia eine Amputation in der Mitte des Femurs erfolgen, bei Tumoren im Bereich des Femurs im Bereich des Hüftgelenkes, im Falle eines Tumors im Bereich des Femurkopfes ist aufgrund der Gefahr des Übergreifens des Tumors auf den Beckenknochen eine Hemipelvektomie erforderlich. Einschränkungen für eine Amputation sind gravierende neurologische und orthopädische Defizite der kontrolateralen Gliedmaße. 

Laufbanduntersuchungen zeigen, dass sich Hunde nach Amputation einer Hintergliedmaße bereits nach 10 Tagen an die Fortbewegungsart gewöhnt hatten. Trotz vermehrter Lastaufnahme der verbleibenden Gliedmaßen konnten keine Veränderungen im kontrolateralen Knieglelenk festgestellt werden. Alte und auch sehr große Hunde kommen gut mit der dreibeinigen Fortbewegungsart zurecht. Eine gliedmaßenerhaltende Operation (Limb sparing) wird nur in seltenen, ausgewählten Fällen durchgeführt. 

Voraussetzung ist eine Tumorinvasion in weniger als 50 % der Länge des betroffenen Knochens und eine Weichteilausdehnung, welche mit sauberen Rändern reseziert werden kann. Für die Abschätzung der Ausdehnung des Tumors, vor allem auch der Weichteilveränderungen, hat sich die Magnetresonanztomographie als sehr hilfreich bzw. notwendig erwiesen. 

Für das Limb sparing werden verschiedene Techniken beschrieben – von der Entnahme und Bestrahlung des betroffenen Knochens über die Einbringung von verschiedensten Implantaten, Spenderimplantaten bis hin zur Transplantation von autogenen Knochen wie zum Beispiel der Ulna. Als häufige Komplikation wird neben einer relativ hohen Rezidivrate eine Infektion beobachtet. Tiere mit einer Infektion zeigen paradoxerweise eine verlängerte Überlebenszeit im Vergleich zu Tieren ohne Infektion. Als adjuvante Therapie ist sowohl nach der Amputation als auch nach einer gliedmaßenerhaltenden Operation eine Chemotherapie zur Verlängerung der Überlebenszeit unbedingt erforderlich. 

Chemotherapie lindert schmerzen

Eine Amputation alleine hat keinen signifikanten Einfluss bezüglich einer Verlängerung der Überlebenszeit. Die Chemotherapie erfolgt im Allgemeinen als Monotherapie mit Doxorubicin oder Carboplatin oder mit diesen beiden Präparaten im Wechsel. Als adjuvante Therapie werden zusätzlich auch COX-Inhibitoren (Meloxicam, Piroxicam etc.) eingesetzt. Beim Einsatz dieser Präparate wurde in vivo eine tumorhemmende Wirkung nachgewiesen. Außerdem wirkt sich die entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung der Präparate positiv auf die Lebensqualität der Patienten aus. Begleitend können auch Bisphosphonate eingesetzt werden, welche eine hemmende Wirkung auf die Knochenresorption ausüben können und somit einer Destruktion des Knochens entgegen wirken. Die mittlere Überlebenszeit nach einer Amputation alleine liegt bei etwa drei bis fünf Monaten, nach einer Amputation mit anschließender Chemotherapie bei etwa 12 Monaten. Zunehmend kommt es auch zum Einsatz einer palliativen Strahlentherapie. 

Durch die Bestrahlung kommt es zu einer sofortigen Schmerzlinderung, da Zellen, die Schmerzmediatoren freigeben, abgetötet werden. Weiters kommt es zu einer Rekalzifikation und Reparatur von osteolytischen Bezirken. Die mittlere Überlebenszeit liegt bei etwa fünf Monaten bei deutlich verbesserter Lebensqualität. Große Hoffnungen werden in den Einsatz von Immuno­therapeutika gesetzt, von welchen man sich eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeiten erwartet. 

Osteosarkome bei Katzen 

Die Inzidenz primärer Knochentumoren bei der Katze ist deutlich niedriger als beim Hund, 90 % dieser Tumore sind bösartig und 80 % davon sind Osteosarkome. Im Gegensatz zum Hund finden sich die Osteosarkome der Katze gleich häufig in den Knochen der Gliedmaßen (appendikulär) und in den platten kurzen Knochen (axial; Schädel, Wirbel, Skapula, Rippen etc.). Die Katze neigt zu frakturassoziierten Sarkomen, vor allem am Femur im ehemaligen Frakturbereich, besonders nach Anwendung intramedullärer Fixationstechniken. Das röntgenologische Erscheinungsbild eines Knochentumors kann lytisch, proliferativ und in Mischformen unterteilt werden. 

Bei in den Gliedmaßenknochen lokalisierten Osteo­sarkomen treten im Gegensatz zum Hund häufiger lytische Erscheinungsformen auf. Bei den axialen Formen wird bei der Katze vermehrt ein proliferatives Verhalten angetroffen. Die Knochentumoren der Röhrenknochen der Katze zeigen ein lokal sehr aggressives Verhalten mit hochgradiger Osteolyse und einer starken Neigung zur pathologischen Fraktur. 

Bei der Diagnostik von Osteosarkomen der Katze ist die Computertomographie dem konventionellen Röntgen aufgrund der heterogenen Erscheinungsform dieser Tumoren deutlich überlegen. Die Metastasierungsneigung der Osteosarkome bei der Katze ist deutlich geringer als beim Hund. Für die Therapie entscheidend ist die Resezierbarkeit des Tumors bei gleichzeitiger Metastasenfreiheit der Lunge. Bei Osteosarkomen der Gliedmaßen kann durch eine Amputation der betroffenen Extremität häufig eine Heilung erreicht werden.

Literatur
Kessler M. (Hrsg.): Kleintieronkologie, 3. Auflage 2013, Enke Verlag in MVS GmbH
Couto G., Moreno N., (Hrsg.): Canine and Feline Oncology, 2013, Servet
Fossum T. W.: Small Animal Surgery, 2. Edition, 2002, Mosby Inc.