Arbeiten, wo andere Urlaub machen

Das Gasteinertal sucht Tierärzt*innen

Lisa Reichenauer


Das Gasteinertal, bestehend aus den drei Gemeinden Dorfgastein, Bad Hofgastein und Bad Gastein, gilt schon seit Langem als Fremdenverkehrs-Hotspot. Seit Jahren wird die malerische Alpenregion von Millionen internationaler Wander- und Skigäste besucht. Trotzdem sieht sich die Tourismusregion seit etwa anderthalb Jahren mit einem beunruhigenden Problem konfrontiert – denn Orts-Veterinärmediziner Hans Christ, der das Tal seit vielen Jahren betreut hat, ist mit 65 Jahren nun am Ende seiner Kräfte, wie er selbst sagt, und verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger gestaltet sich jedoch schwieriger als erwartet und war trotz intensiver Bemühungen bisher erfolglos. „Wir sind intensiv auf der Suche, auch Doktor Christ hat seine Kontakte spielen lassen und versucht zu helfen, wo es nur geht. Wir haben sogar europaweit Inserate in Fachmedien geschaltet“, berichtet der Bürger­meister von Bad Hofgastein, Markus Viehauser. 

Warum bisher alle Bemühungen erfolglos geblieben sind, bleibt ein Rätsel, das die drei Bürgermeister vor große Herausforderungen stellt. „Das Gasteinertal ist eine Tourismusregion und bietet im Vergleich zu anderen ländlichen Gemeinden eine sehr hohe Lebensqualität. Wir haben ein wunderschönes Skigebiet, eine Therme und ein breites Bildungsangebot, das vom Kindergarten bis zu einem ­Realgymnasium und einer Tourismusschule reicht“, erklärt Viehauser, der auch die Bürgermeister von Dorfgastein und Bad Gastein repräsentiert.

Neben den touristischen Anreizen zeichnet sich das Gas­teinertal aber auch durch seine zahlreichen Viehzuchten, Almen und Bauernhöfe aus. Allein in Bad Hofgastein gibt es laut Bürgermeister Viehauser etwa 120 Bauern, die seit Monaten ohne tierärztliche Versorgung auskommen müssen; im gesamten Tal sind es fast doppelt so viele. „Hinzu kommen noch etliche Haustiere von rund 15.000 Einwohner*innen im Tal sowie von Touristen, die mit ihren Hunden anreisen. Arbeit wäre für einen Tierarzt oder eine Tierärztin genug vorhanden“, ist sich Viehauser sicher. Zusätzlich zu seinem Bürgermeisteramt betreibt der 52-Jährige selbst auch eine Landwirtschaft und kann mit den Bauern im Tal mitfühlen. „Einen Veterinär vor Ort zu haben ist genauso wichtig wie die Präsenz eines Humanmediziners. Das Gasteinertal ist eine abgeschlossene Einheit. Wenn da immer jemand von außen kommen muss, sind alleine schon die Anfahrtskosten enorm“, klagt Viehauser. Er selbst war erst kürzlich mit diesem Problem konfrontiert: Eine Kuh wurde vom Blitz getroffen und musste daraufhin not­geschlachtet werden. Um den Vorfall dokumentieren zu können, musste er drei Tierärzte in der Umgebung anrufen, bis er jemanden gefunden hatte, der kommen konnte. 

In letzter Zeit häufen sich Fälle wie dieser im Gasteinertal und sind schon längst keine Seltenheit mehr. Erst kürzlich musste etwa ein Rinderbauer aus Bad Hofgastein um die Hilfe seines landwirtschaftlichen Nachbarn bitten: „Um drei Uhr Früh klingelte plötzlich mein Telefon. Der Nachbar wandte sich verzweifelt an mich – seine Kuh habe eine schwierige Geburt und er sei mit seinen Kräften bereits am Ende, er brauche dringend Hilfe. Ich bin sofort los, und zusammen haben wir dann geschaut, dass wir das Kalb gesund auf die Welt bringen. Derzeit müssen wir Bauern uns also gegenseitig helfen. Eine Dauerlösung kann das aber sicher nicht sein“, erzählt Großtierbauer Josef Scheibl­brandner. Der Rinder- und Pferdezüchter betreibt in vierter und fünfter Generation zusammen mit Sohn Jakob die Landwirtschaft. Zusätzlich zum Vieh­betrieb vermietet er Gästezimmer am 200 Jahre alten Hof an Touristen. „Für uns Bauern wäre ein ortsansässiger Tierarzt sehr wichtig. Es beginnt bei Routinebehandlungen wie etwa der Besamung und Entwurmung unserer Tiere und endet bei Notfällen, etwa auch bei den Haustieren unserer Gäste“, kommentiert Scheiblbrandner. Vor allem die ­akute Hilfe ist laut dem Landwirt ohne Tierärzt*innen nicht zu bewältigen. 

„Man leidet ja mit dem Tier mit und will ihm helfen. Als Bauer kann ich ihm aber nicht die Medizin verabreichen, die das Tier bräuchte. Und wenn dann jemand aus den umliegenden Regionen kommen muss und für die Anfahrt zwischen 30 Minuten und einer Stunde braucht, dann ist das sehr nervenaufreibend“, gibt der Großtierbauer aus Bad Hofgastein zu bedenken. 

Die tierärztliche Grundversorgung seit der Pensionierung von Dr. Christ hat zwischenzeitlich ein Veterinär aus der fast 23 km entfernten Gemeinde Schwarzach im Pongau übernommen, doch diese ist für Josef Scheiblbrandner neben langen Wartezeiten vor allem auch eine ­finanzielle Frage: Durchschnittlich 3000 Euro im Jahr würde ihn alleine die Anfahrt aus Schwarzach kosten, eine Summe, die nicht für jede Landwirtschaft im Tal leistbar ist. Zudem stoße der Schwarzacher Tierarzt mit der Mitbetreuung des gesamten Gasteinertals ebenfalls langsam an seine Belastungsgrenze, wie uns Scheiblbrandner mitteilt.

Um zusätzlich Anreize für Tierärzt*innen zu schaffen, wollen die drei Gemeinden neben Hilfe bei der Wohnungs- und Immobiliensuche auch finanzielle Unterstützung anbieten. Ende September 2023 ist dafür eine entsprechende Gemeindeverordnung erstellt worden. „Die finanzielle Unterstützung ist für Human- und Veterinärmediziner und wird individuell vereinbart“, kommentiert Bürgermeister Markus Viehauser aus Bad Hofgastein. Auch Räume für eine tierärztliche Praxis würden im Ort bereits zur Ver­fügung stehen. 

„Das Haus von Doktor Christ beispielsweise wäre zu erwerben, hier hätte man Wohn- und Praxisgebäude in einem vereint. Zusätzlich gäbe es auch bei einigen Landwirten die Möglichkeit einer temporären Praxiseinrichtung“, zeigt sich der Landwirt und Bürgermeister zuversichtlich. Und dennoch scheint die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin in der Salzburger Tourismusregion noch lange nicht abgeschlossen. Aufgeben ist für Markus Viehauser und seine Amtskollegen aus Bad Gastein und Dorfgastein jedenfalls keine Option.

Interessierte können sich gerne mit Bürgermeister Markus Viehauser in Verbindung setzen:

Telefon: +43 6432 62400 
E-Mail: marktgemeinde-REMOVE-NOSPAM@bad-hofgastein.salzburg.at