Heimatlose Glücksbringer –

Rauchschwalben in Not

Ass.-Prof. Dr. Gerhard Loupal
Vetmeduni Vienna (Ehrenpräsident BirdLife Österreich und Pathologe,
Veterinärmedizinische Universität Wien) 

Mag. Gábor Wichmann
Geschäftsführer BirdLife Österreich

www.birdlife.at

Der Frühling ist mittlerweile angekommen und mit ihm auch die jedem Kind bekannten Rauchschwalben, die im Volksglauben als Glücksboten stark verwurzelt sind. 

Sie sind aus Afrika wieder in unsere Breiten gezogen, um hier ihre Nester zu bauen und Junge großzuziehen. Es ist Ihnen sicher schon aufgefallen, dass es nicht mehr so viele Rauchschwalben gibt wie früher. Oft wird man angesprochen, wo denn die ganzen Schwalben geblieben sind, ob sie in den südlichen Ländern gefangen und verspeist worden sind. Das spielt sicher auch eine Rolle. Aber die Ursache liegt genauso bei uns. Unsere Landschaft ist ausgeräumt, die Insekten sind wegen des exzessiven Einsatzes von Insektiziden drastisch weniger geworden und die Schwalben haben Schwierigkeiten, Nistplätze zu finden.

Rauchschwalben gehören in den Viehstall

Rauchschwalben sind klassische „Kulturfolger“ und haben ihr Leben seit Jahrhunderten an jenes der Menschen angepasst und unsere Viehställe besiedelt. Mittlerweile ist ihr Überleben unmittelbar verknüpft mit der Möglichkeit, in Ställen ihre Nester zu errichten. Vielerorts sind Einbrüche in den Rauchschwalbenbeständen festzustellen. Neben dem Verlust an Lebensraum und Nahrungsgrundlage haben es die Tiere auch immer schwerer, geeignete Brutplätze zu finden, denn Rauchschwalben wird oft der Zutritt in Viehställe verweigert. Grund dafür sind Fehl­informationen und Bedenken rund um Hygiene sowie Angst vor der Verbreitung von Krankheiten.

Schwalben gelten als Wildtiere 

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, Schwalben in Viehställen wären mit den EU-Hygienevorschriften nicht vereinbar. Das ist nicht richtig. Eine Richtlinie über Hygiene­vorschriften für Milcherzeugerbetriebe aus 1989 legte lediglich fest, dass Schweine und Geflügel nicht im Kuhstall oder in den Melkräumen untergebracht werden dürfen. Schwalben gelten jedoch nicht als Geflügel, sondern als Wildtiere und sind deshalb von dieser Bestimmung nicht berührt. Das bedeutet, Schwalben dürfen weiterhin in Kuhställen nisten. Die AMA (Agrarmarkt Austria) beschreibt in ihrer Gütesiegel-Richtlinie für Rinderhaltung Schwalben sogar als Nützlinge in Ställen, da sie zur Reduktion der Insektenplage beitragen. Immerhin jagen die eifrigen Tiere auch innerhalb der Ställe, vor allem wenn draußen Schlechtwetter herrscht. Kotbretter werden zur Unterstützung des Nestbaus und als Vorbeugung gegen mögliche Verunreinigungen empfohlen.

Es gibt keine Hinweise dafür, dass Rauchschwalben für Säugetiere relevante Krankheiten übertragen. Sie stellen daher keine Gefahr für die in den Ställen gehaltenen Nutztiere wie Rinder oder Pferde dar. Auch bei der Ausbreitung der Vogelgrippe spielen Schwalben wie alle Singvögel keine Rolle. Vogelgrippeviren treten vor allem bei Hühnern und Puten, aber auch bei Enten, Gänsen, Schwänen sowie anderen Wasservogelarten auf. Fehlinformationen und oft auch medial verbreitete Hysterie verleiten immer wieder Menschen dazu, selbst besetzte Schwalbennester mit Jungvögeln von den Wänden zu schlagen – dies ist nicht nur tier- und naturschutzgesetzlich verboten, ­sondern wäre darüber hinaus als Tierquälerei zu ahnden.

 
Schwalben tragen zum Tierwohl in Ställen bei

Rauchschwalben sind Nützlinge – sie ernähren sich von Fluginsekten wie Stechmücken und Fliegen, die sie auch im Stall jagen. Dabei wurden Schwalbenpaare beobachtet, die in kurzer Zeit rund 200 Stechfliegen gefangen und an ihre Jungen verfüttert haben. Damit ist die Anwesenheit von Schwalben im Viehstall ein probates Mittel, um die Insektenplage einzudämmen. Somit wird durch die Rauchschwalben ein Beitrag zum Wohlergehen der Stalltiere geleistet. Auch Seuchenprophylaxe wird durch die Schwalben betrieben, immerhin werden wichtige Virusinfektionen der Rinder, wie z. B. Bluetongue und Lumpy Skin Disease, durch Insekten übertragen. Eine Dezimierung der potenziellen Überträger mindert auch die Gefahr der Krankheitsübertragung.


Maßnahmen zum Schutz

Das Überleben von Kulturfolgern wie der Rauchschwalbe ist daher maßgeblich von der menschlichen Toleranz abhängig. Deshalb kann jeder einen Beitrag zum Schwalbenschutz leisten – bereits kleine Hilfemaßnahmen ­können oft schon Großes bewirken.

Ein gekipptes Fensterchen (von mindestens 7 × 5 cm) reicht aus, damit die Vögel zu ihren Nistplätzen im Stall gelangen können. Schwalben leiden unter der allgemeinen Asphaltierungswut, die selbst vor kleinsten Feldwegen nicht haltmacht. Dadurch wird es den Schwalben immer schwerer gemacht, ausreichend Lehm für den Nestbau zu finden. Durch das Anlegen sogenannter „Lehmpfützen“ mit drübergestreutem Heu oder Stroh kann man Schwalben bei der Suche nach Nistmaterial unterstützen. Um eine Lehmpfütze anzulegen, sollte Boden auf einem Durchmesser von einem bis 1,5 m von Vegetation befreit und regelmäßig nass gemacht werden. Alternativ kann auch eine Mulde mit Teichfolie ausgelegt und mit Lehm gefüllt werden. Nistbrettchen dienen als Unterlage für den Nestbau und helfen etwa an glatten Wänden, wo Nester sonst keinen ausreichenden Halt finden würden. Außerdem bewahrt ein Brettchen vor einem möglichen Absturz. Bei der Montage sollte ein Abstand von 15 bis 20 cm unterhalb der Decke eingehalten werden. 

Dabei sind bereits Brettchenmaße von 10 × 15 cm ausreichend. Kotbretter fangen die „Hinterlassenschaften“ von Schwalben auf und reduzieren damit eine Verunreinigung  der Ställe. Es ist wichtig, diese rund 50 cm unterhalb des Schwalbennests anzubringen, damit den Tieren ein freier Zuflug möglich ist.  

 
 
Kennzeichen der Rauchschwalbe 

Als äußerliches Kennzeichen gelten ihr tief ­gegabelter Schwanz mit sehr langen Schwanzspießen, eine schwarz-metallblau glänzende Oberseite, eine weiße Unterseite mit schwarzem Brustband und eine rostrote Kehle und Stirn. Die Rauchschwalbe überwintert südlich der Sahara und kehrt von März bis April in ihr Brutgebiet bei uns zurück. Ende August bis Oktober zieht sie dann wieder ins Überwinterungsgebiet ab. Die Rauchschwalbe hat zwei bis drei Bruten pro Jahr bei einer Brutdauer von 13 bis 16 Tagen.

Neben der Rauchschwalbe gibt es noch eine zweite häufige kulturfolgende Schwalbenart, nämlich die Mehlschwalbe. Sie ist kleiner, unterseits reinweiß und oberseits schwarz mit einem auffallenden weißen Bürzel. Sie baut ihre geschlossenen, halbkugeligen Nester meist an der Außenwand von Häusern. Der in größeren Städten häufige Mauersegler, der in großen Gruppen jagt und durch seine lauten „sriiii, sriiii“-Rufe auffällt, ist keine Schwalbe, nicht einmal ein Singvogel. 


Beitrag zum Artenschutz leisten

Tierärzte sind die wohl wichtigsten Multiplikatoren, um die Nöte der Rauchschwalbe an Österreichs Landwirte weiterzutragen. So kann gemeinsam ein wichtiger Beitrag für das Überleben dieser Vogelart geleistet werden. Denn eines muss uns klar sein: Wenn den Rauchschwalben die Möglichkeit genommen wird, wie seit Hunderten von Jahren in unseren Viehställen ihre Nester zu errichten und ihre Jungen großzuziehen, werden wir diese Vogelart verlieren. 

Die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich hat unlängst einen Informationsfolder zum Rauchschwalbenschutz herausgegeben, der unter office@birdlife.at oder 01/523 46 51 bestellt werden kann.